Letale Injektion


Als Hinrichtung durch die Giftspritze oder auch letale Injektion bezeichnet man eine Form der Vollstreckung der Todesstrafe, bei der dem Verurteilten ein tödliches Gift oder Medikamente in letaler Dosis injiziert werden. Sie wird seit den 1980er Jahren in zunehmendem Maße eingesetzt und soll als humane Form der Hinrichtung an die Stelle des elektrischen Stuhls, des Galgens, der Erschießung, der Gaskammer und anderer Methoden treten. Sie wurde zuerst in den Vereinigten Staaten eingeführt und wird hauptsächlich dort angewandt.

Vorgehen

Der Raum für die letale Injektion im San Quentin State Prison

Der Hinzurichtende wird auf einer Liege fixiert und erhält in beide Arme eine Venenverweilkanüle. Von diesen wird nur eine zur Durchführung der Exekution benötigt; die andere dient als Ersatz für den Fall, dass die erste Kanüle unbrauchbar geworden sein sollte.

Die verabreichten Medikamente entfalten nacheinander folgende Wirkung: Zu Beginn wird eine schnelle Bewusstlosigkeit ausgelöst und anschließend der Tod durch Lähmung der Atemmuskulatur, gefolgt von einer Depolarisation des Herzmuskels. Das Barbiturat Thiopental wird für die narkotisierende Wirkung eingesetzt, Pancuroniumbromid, Suxamethoniumchlorid oder Tubocurarinchlorid als Muskelrelaxantium und Kaliumchlorid als herzlähmendes Mittel. Der Tod tritt normalerweise innerhalb von fünf Minuten ein, doch kann die Prozedur insgesamt bis zu einer Dreiviertelstunde dauern. Die einzelnen Wirkstoffe werden dabei nicht bereits außerhalb des Körpers gemischt, da dies zum Ausfällen schwer- bzw. nicht-löslicher Substanzen führen könnte, sondern werden nacheinander injiziert.

Die tödliche Injektion läuft also in drei Schritten ab:

  1. Der Verurteilte wird betäubt, wobei die Dosis des Betäubungsmittels so hoch angesetzt wird, dass allein sie bereits tödlich sein könnte.
  2. Alle Muskeln mit Ausnahme des Herzens werden gelähmt, die Erstickung beginnt.
  3. Das Herz hört auf zu schlagen, der Mensch stirbt.

Die Zuleitungen der Kanülen führen durch die Wand zu einem Nebenraum, von dem aus mindestens zwei Justizvollzugsbeamte jeweils einen Knopf betätigen, von denen einer die Hinrichtung einleitet. Konkrete Schuldgefühle bei den betreffenden Justizvollzugsbeamten sollen hierdurch vermieden werden. Die Injektionen selbst werden heutzutage computergesteuert verabreicht. Zwischen jeder Injektion wird die Kanüle mit einer isotonischen Kochsalzlösung durchspült, damit es später nicht zu unerwünschten Fällungsreaktionen in der Kanüle kommt. Die meisten amerikanischen Mediziner weigern sich, an Hinrichtungen teilzunehmen. In jedem Fall ist jedoch ein Arzt anwesend, der nach der Hinrichtung den Tod des Verurteilten feststellt.

Schmerzhaftigkeit

Es wird immer wieder die Frage gestellt, ob die Tötung mit der Giftspritze tatsächlich schmerzlos ist. Das Betäubungsmittel Thiopental wirkt sehr schnell, aber auch nur für verhältnismäßig kurze Zeit (5–15 Minuten), weshalb die Gefahr besteht, dass der Verurteilte wieder zu Bewusstsein kommt und durch die Wirkung der nachfolgenden überdosierten Medikamente qualvoll stirbt. Tierärzte setzen aus solchen Gründen beim Einschläfern von Tieren langwirkende Barbiturate ein. Zum Teil kann die Gabe von Thiopental dazu führen, dass die Person zwar äußerlich bewusstlos erscheint, aber trotzdem bei vollem Bewusstsein ist. In diesem Fall würde die Person bei vollem Bewusstsein sowohl die Lähmung ihrer Atemmuskulatur erleben, als auch die herzschlagsenkende Wirkung des Kaliumchlorids, dessen Injektion in den Blutkreislauf allein sehr schmerzhaft ist.

Mitunter kommt es außerdem zu technischen Komplikationen. So kann die Einführung der Nadeln Schwierigkeiten bereiten, zum Teil konnten geeignete Venen erst nach einer vollen Stunde zugänglich gemacht werden. In einigen Fällen reagierte der Körper überraschend heftig auf die Medikamente, so zum Beispiel im Falle des Robyn Lee Parks, der bei seiner Hinrichtung 1992 in Oklahoma zehn Minuten lang würgte und nach Luft schnappte. Am Anfang wurde zwischen den Gaben der einzelnen Medikamentenlösungen auf die Ausspülung von Injektionsschlauch und Nadel mit isotonischen Kochsalzlösung verzichtet. Durch Niederschlag, der durch das Aufeinandertreffen der einzelnen Medikamente miteinander auftrat, wurde der Schlauch undurchlässig und die Hinrichtung musste unterbrochen werden.

Am 12. Juni 2006 entschied der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dass zum Tode Verurteilte gegen die Hinrichtungsprotokolle von US-Bundesstaaten klagen können, wenn diese eine ungewöhnliche und grausame Strafe darstellen und so gegen den 8. Verfassungszusatz verstoßen.[1] In Missouri und South Dakota erreichten Häftlinge auf dem Gerichtswege die Einstellung von Hinrichtungen mit der Giftspritze. Dagegen wurden Klagen in Florida, Kentucky und Texas abgelehnt.[2] In den Bundesstaaten Florida und Kalifornien wurde die Hinrichtung durch die Giftspritze am 15. Dezember 2006 ausgesetzt, nachdem ein Verurteilter in Florida über 30 Minuten mit dem Tod kämpfte und qualvoll starb.

Anwendung

Die Giftspritze in den USA

In den USA griff im Februar 1977 der Anästhesist Stanley Deutsch von der Universität Oklahoma den Gedanken der Hinrichtung durch Medikamentengabe auf und schlug die beschriebene Medikamentenkombination vor. Als erster Delinquent wurde Charlie Brooks am 7. Dezember 1982 in Texas nach der neuen Methode hingerichtet; die erste in Oklahoma folgte noch im selben Jahr. In 36 von 37 Bundesstaaten ist die Giftspritze heute Haupthinrichtungsmethode. Einige Zeit nach der Erstanwendung fand das Verfahren auch außerhalb der USA Anklang. China führte es 1997, Guatemala 1998, die Philippinen 1999 und Thailand 2003 ein. Andere Staaten sehen die Hinrichtung durch die Giftspritze inzwischen gesetzlich vor, haben sie aber in der Praxis nicht übernommen.

Im Fall Baze v. Rees hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten am 16. April 2008 mit einem Grundsatzurteil die Hinrichtung per tödlicher Injektion für grundsätzlich rechtens erklärt. Die Hinrichtungsart sei keine „grausame und ungewöhnliche Bestrafung“ und verstoße somit nicht gegen den achten Zusatz der amerikanischen Verfassung, wie die Kläger, zwei Todeskandidaten aus Kentucky, geltend gemacht hatten.

Unmittelbar nach Bekanntgabe des Urteils hob der Gouverneur von Virginia ein seit Herbst geltendes Moratorium für Hinrichtungen auf.[3] Seit mehr als einem halben Jahr war in den USA kein Mensch mehr hingerichtet worden; vor der weiteren Vollstreckung der Todesstrafe hatten die Bundesstaaten das Urteil des Supreme Court abwarten wollen.

Das Urteil wurde mit einer klaren Mehrheit von sieben zu zwei Stimmen gefällt.[3] Zuvor hatten Äußerungen der höchsten Richter auf ein gespaltenes Meinungsbild beim Supreme Court hingedeutet. Richter David Souter deutete an, dass niedrigere gerichtliche Instanzen aufgefordert werden könnten, nach schmerzlosen Alternativen zu suchen. Das würde dazu führen, dass Hinrichtungen jahrelang ausgesetzt bleiben würden. Während der konservative Richter Antonin Scalia die Frage stellte, weshalb für die Hinrichtung eines Mörders die „am wenigsten schmerzhafte Methode“ gewählt werden müsse, äußerte der liberale Richter John Paul Stevens, er sei „fürchterlich beunruhigt“ darüber, dass die Giftspritze „qualvolle Schmerzen“ auslösen könne.

Der Hersteller und alleinige Belieferer für US-Justizvollzugsanstalten von Thiopental, Hospira, hatte 2010 Lieferengpässe und stellte im Januar 2011 die Produktion und den Vertrieb von Thiopental ein, so dass die Hinrichtungen mit der Giftspritze in neun Bundesstaaten zeitweise ausgesetzt bzw. verschoben werden mussten. Im Dezember 2011 trat außerdem eine EU-weite, einheitliche Ausfuhrgenehmigungspflicht für Thiopental und alle weiteren kurz- und mittelfristig wirkenden Barbiturate in Kraft, ein Export aus der EU ist von da an nur noch mit Sondergenehmigung möglich.[4][5][6]

Die Giftspritze in der Volksrepublik China

In China soll seit 1997 mit einer bislang geheim gehaltenen Kombination verschiedener Wirkstoffe hingerichtet werden. Die tödlichen Substanzen werden mit einer einzigen Spritze verabreicht, statt wie sonst üblich als Infusion. Der angeblich schmerzlose Tod soll zwischen 30 und 60 Sekunden nach der Injektion eintreten. Federführend bei der Entwicklung dieses Hinrichtungsverfahrens war das Volksgericht von Kunming.

Näheres über diese Hinrichtungsmethode ist seitdem nicht in Erfahrung gebracht worden, da solche Informationen in China der staatlichen Geheimhaltung unterliegen. Diese neue, schmerzlose Todesspritze wird von Teilen der Justiz als „ein zu einfacher Tod“ für Verbrecher kritisiert. In Verbindung mit den neu eingesetzten mobilen Hinrichtungsbussen der chinesischen Schnellgerichte wird die Zahl der Hinrichtungen nach Befürchtungen von Amnesty International jedoch noch ansteigen.

Anwendung im Nationalsozialismus

Die Hinrichtung durch die Giftspritze ist in ihrer derzeitigen, oben beschriebenen Form erst seit den achtziger Jahren in den USA im Einsatz. Die Grundidee der tödlichen Injektion ist allerdings schon älter. In Deutschland wurde sie von Karl Brandt für den Einsatz im Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten vorgeschlagen, wo sie – neben anderen Methoden – auch eingesetzt wurde. Außerdem töteten SS-Angehörige im Konzentrationslager Auschwitz Kranke und zum Tode verurteilte Häftlinge durch Injektion von Phenol und anderen Giften direkt in den Herzmuskel. Auch im Konzentrationslager Buchenwald wurden im sogenannten „Bunker“, dem Arrestbereich des Lagers, Häftlinge in größerer Zahl mit ähnlichen Injektionen getötet, ebenso im KZ Mauthausen.[7] Ein prominentes Opfer war der frühere Fraktionsvorsitzende der SPD im Reichstag, Ernst Heilmann, der am 3. April 1940 von SS-Hauptscharführer Martin Sommer mit einer Giftinjektion getötet wurde.

Weblinks

Wiktionary: Giftspritze – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellen

  1. JURIST: Supreme Court allows death row lethal injection challenge to proceed, 12. Juni 2006
  2. JURIST: Kentucky Supreme Court upholds lethal injection protocol, 23. November 2006
  3. 3,0 3,1 sueddeutsche.de vom 16. April 2008
  4. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,720126,00.html Spiegel vom 28. September 2010
  5. G. Bohsem: EU schränkt Lieferung von Todesspritzen-Substanz ein. (HTML) In: Süddeutsche Zeitung. 11. Dezember 2011, abgerufen am 12. Dezember 2011 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  6. Kein Gift für US-Todesspritzen: Deutschland sagt Nein. (HTML) In: Ärzte-Zeitung online. 24. Januar 2011, abgerufen am 12. Dezember 2011 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  7. http://www.mauthausen-memorial.at/db/admin/de/show_article.php?&fromlist=1&carticle=54 Bericht aus dem KZ Mauthausen

Die News der letzten Tage