Krebscluster


Ein Krebscluster (engl.: Cancer cluster) ist eine größer als erwartete Anzahl von Krebserkrankungen innerhalb einer Gruppe von Personen, in einer geografischen Region oder über eine bestimmte Zeit.[1]

Der Begriff Krebscluster wurde ursprünglich im Wesentlichen von Epidemiologen und Statistikern verwendet. In neuerer Zeit taucht er in vielen Publikationen im Zusammenhang mit dem Thema „Elektrosmog“ auf.[2]

Historische Krebscluster

Einige historische Krebscluster finden sich in der Medizinischen Literatur dokumentiert. So beispielsweise Hodenkrebs bei Schornsteinfegern;[3] Osteosarkome bei den Zifferblattmalerinnen in Uhrenfabriken („Radium Girls“) in den 1920er Jahren; Hautkrebs bei Bauern; Blasenkrebs bei Arbeitern, die in der Farbstoffindustrie bestimmten aromatischen Aminen ausgesetzt waren, Leukämien und Maligne Lymphome bei Chemiearbeitern, die im Kontakt mit Benzol waren.[4]

Identifizierung von Krebsclustern

Während es früher im Wesentlichen der detektivischen Arbeit von Ärzten überlassen war, Krebscluster ausfindig zu machen, ist heute die Suche mit den Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung und Kommunikation erheblich vereinfacht und verfeinert worden. Überregionale epidemiologische Krebsregister sind systematische Sammlungen (Datenbanken) zu Tumorerkrankungen. Mit den Methoden der Statistik können Krebscluster sowohl räumlich als auch nach vielen anderen Kriterien ermittelt werden.

Krebscluster im Umkreis von kerntechnischen Anlagen

Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield

Eine Häufung von der Leukämie wurde im Umkreis der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield, früher Windscale genannt, festgestellt. 1957 ereignete sich dort der weltweit erste schwere Atomunfall. Radioaktive Verseuchungen waren bis nach Irland nachzuweisen. Hunderte von mehr oder weniger gravierenden Zwischenfällen in Sellafield sind seither bekannt geworden. Im November 1983 gerieten radioaktive Lösungsmittel und Chemikalien in die Irische See und weite Strandabschnitte mussten gesperrt werden. Zehn Jahre später lief bei einer Unfallserie plutoniumverseuchte Flüssigkeit aus. Eine Untersuchung stellte 1984 fest, dass die Zahl der Leukämieerkrankungen in der Umgebung des Atomkomplexes um etwa das Zehnfache über dem Landesdurchschnitt liegt. 1997 fanden britische Forscher Plutonium in den Zähnen von Kindern und Jugendlichen.[5]

Leukämiecluster Elbmarsch

Der Leukämiecluster Elbmarsch liegt im Gemeindegebiet Elbmarsch (Niedersachsen, Landkreis Harburg) und des benachbarten Geesthachts (Herzogtum Lauenburg, Schleswig-Holstein), dort sind 19 Kinder an Leukämie erkrankt, vier von ihnen sind an der Krankheit gestorben. Die ersten Erkrankungen traten im Frühjahr 1986 auf.

Am 12. September 1986 wurde im Kernkraftwerk Krümmel plötzlich an mehreren Messpunkten gleichzeitig eine alarmierend hohe Radioaktivität gemessen. Mehrere Augenzeugen berichteten von einem Brand (gelb-bläuliche Feuersäule ohne Rauch), den sie auf dem Gelände des benachbarten GKSS-Forschungszentrums gesehen hätten. Die Einsatzprotokolle der Feuerwehr vom September 1986, die genauere Informationen über einen Brandvorfall enthalten könnten, sind durch ein Feuer im September 1991 in deren Archiv zerstört worden.[6][7][8]

Problematik

Sichtbare Expositionsquellen (Kernkraftwerke, Chemiefabriken und Sendeanlagen) werden oft als Auslöser angesehen. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Krebs-Clustern in der direkten Nachbarschaft von Kernkraftwerken und sehr starken Sendeanlagen.[9]

Da ein Krebscluster durch die größer als erwartete Anzahl von Krebserkrankungen innerhalb einer Gruppe von Personen, in einer geografischen Region oder über eine bestimmte Zeit definiert ist, muss berücksichtigt werden, dass

  • verschiedene Krebsarten verschieden häufig in verschiedenen Altersgruppen auftreten (laut Krebs-Statistik erkrankt jeder dritte, jedoch nur ein viertel unter 60 Jahren) und
  • eine signifikante Häufung zur eindeutigen Bestimmung notwendig ist[1]

Eine Krebscluster liegt damit beispielsweise vor allem vor, wenn

  • nur eine bestimmte Krebsart gehäuft auftritt oder
  • eine ausgesprochen seltene Krebserkrankung signifikant vermehrt auftritt wird oder
  • eine Krebserkrankung vermehrt in einem untypischem Alter ausbricht.

Siehe auch

Literatur

  • L. Rohrmoser: E-Health: Schreckgespenst oder Hilfe? In: Ärzte Woche, 19/2005, Nr. 46
  • Inge Schmitz-Feuerhake, Sebastian Pflugbeil: Das Elbmarsch-Leukämiecluster: Kontaminationen bei Geesthacht durch Kernbrennstoffe und Abschätzung der Strahlendosis für die Bevölkerung, Ges. f. Strahlenschutz, Köln, Berlin, 31.März 2007. PDF (6 MB)
  • I. Schmitz-Feuerhake, H. Dieckmann, W. Hoffmann, E. Lengfelder, S. Pflugbeil, A. Stevenson: The Elbmarsch leukemia cluster: Are there conceptual limitations in controlling immission from nuclear establishments in Germany? Archives of Environmental Contamination and Toxicology, 49(2005)4, S. 589–600
  • Rolf-Dietmar Neth: Kinderleukämie in der Elbmarsch: Plädoyer für eine sachliche Argumentation. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 106, Heft 30, 24. Juli 2009.
  • Barbara Dickmann, Sibylle Bassler: Und niemand weiß, warum … Das rätselhafte Kindersterben. mvg Verlag, ein mona lisa Buch, ISBN 978-3-636-06403-5
  • Und keiner weiß warum – Leukämietod an der Elbe. ML Mona Lisa Dokumentation des ZDF, 2. April 2006
  • Willi Baer, Karl-Heinz Dellwo: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv III - Die Krebsfälle in der Elbmarsch/Der GAU in Fukushima. In: Willi Baer, Karl-Heinz Dellwo (Hrsg.): Bibliothek des Widerstands. Bd. 23, Laika-Verlag, Hamburg 2012, ISBN 978-3942281-02-7.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 What is a cancer cluster? Center for Desease Control and Prevention, abgerufen am 23. November 2007
  2. FMK: Handymast grundlos gefällt – Nordirische Krebserfassungsstelle (NICR): Kein „Krebscluster“ um Funksendemasten pressetext.at, 1. Juni 2004
  3. W. Hiddemann und C. Bartram (Herausgeber): Onkologie. 2 Bände, Ausgabe 2, Verlag Springer, 2009, ISBN 3-540-79724-6 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  4. Cancer cluster National Cancer Institute, abgerufen 23. November 2007
  5. Leukemia Clusters Near La Hague and Sellafield. IEER (englisch)
  6. Abschlussbericht schleswig-holsteinische Fachkommission Leukämie, Vorsitzender Otmar Wassermann, 15. September 2004 (PDF)
  7. Staatsgeheimnis – Ein fast perfektes Verbrechen. Freitag, 11. August 2006
  8. Sebastian Pflugbeil in einem Interview. In: taz, 28. November 2011. Nach seinen Angaben traten sechs der acht Mitglieder 2004 aus der Untersuchungskommission aus und verfassten einen eigenen Abschlussbericht, in dem sie geheimgehaltene kerntechnische Experimente auf dem GKSS-Gelände als wahrscheinliche Ursache des Leukämieclusters einschätzten.
  9. Liste von Krebsclustern in der englischsprachigen Wikipedia

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