Fliegen (Fortbewegung)


Fliegende Japanmöwe
Fliegende Rauchschwalbe

Fliegen bedeutet gemeinhin die Fortbewegung eines Lebewesens oder eines Luftfahrzeugs durch die Luft. Flugbewegungen werden in der Physik mit den Gesetzen der Aerodynamik beschrieben.

Umgangssprachlich wird auch das Schweben eines Körpers, der mit einem Gas geringerer Dichte als die umgebende Luft gefüllt ist (Archimedisches Prinzip), als „Fliegen“ bezeichnet (z. B. das Ballonfliegen). In der Aeronautik heißt dieses Schweben jedoch in Anlehnung an die Nautik „Fahren“. Ferner wird auch die Fortbewegung durch Rückstoß (Rakete) sowie die Bewegung entlang einer ballistischen Bahn (Projektil, Satellit usw.) als „Fliegen“ bezeichnet.

Flug von Luftfahrzeugen (schwerer als Luft)

Geschichte

Otto Lilienthal während eines Gleitflugs
Orville Wright fliegt mit dem Motorflugzeug „Kitty Hawk“

Fliegen können „wie die Vögel“ war seit altersher ein Menschheitstraum. So ist aus der antiken griechischen Mythologie die Sage von Dädalos und Ikarus überliefert, die sich mittels selbst hergestellter Flügel vogelgleich durch die Luft bewegten. Schon in dieser antiken Sage wird technische Unkenntnis und übermütige Vernachlässigung von Sicherheitsvorkehrungen als menschliches Risiko beim Fliegen thematisiert (Ikarus missachtet, dass die von seinem Vater Dädalos mittels Wachs und Vogelfedern hergestellten Flügel beim Annähern an die Sonne schmelzen, und verunglückt tödlich).

In der Realität war es Menschen ohne Kenntnis der physikalischen Grundlagen des aerodynamischen Fluges zunächst nur möglich, sich mit bemannten Flugdrachen in der Luft zu bewegen oder mit meist phantasievoll gebauten Apparaten allenfalls durch Zufall in eine kurzfristige Auftriebsphase zu gelangen, ohne diese längere Zeit fliegend nutzen zu können (vgl. Albrecht Ludwig Berblinger). Laut einer islamischen Chronik hat der Gelehrte Abbas Ibn Firnas als erster Mensch einen (mit Geierfedern versehenen) Hängegleiter entwickelt und im Jahr 875 einen Flugversuch unternommen. Allerdings soll er sich bei der raschen Landung infolge eines Strömungsabrisses beide Beine gebrochen haben.

Entwürfe von Leonardo da Vinci für einen Flugapparat, Kodex über den Vogelflug, 1505

Obwohl die biologischen Vorbilder, Vögel, Fledermäuse und Insekten, sich seit Millionen von Jahren flügelschlagend fortbewegen (Schlagflug), hat der Mensch lange gebraucht, um die Mechanismen des Flügelschlags vollständig enträtseln und technisch umsetzen zu können. Erst im Jahre 2011 ist dieses mit dem SmartBird gelungen. Die Anwendung und Dokumentation von empirisch-wissenschaftlichen Methoden (Leonardo da Vinci, George Cayley) brachte erstmals verwertbare Erkenntnisse und Anregungen für die empirische Flugerforschung. Allerdings führte diese wissenschaftliche Empirie erst im 19. Jahrhundert zu erfolgreichen Tests mit flugfähigen Apparaten, die – zunächst im Gleitflug – geeignet waren, das Gewicht eines Menschen zu tragen (Otto Lilienthal, vgl. George Cayley sowie Albrecht Ludwig Berblinger).

Längere Flugstrecken mit einem steuerbaren Flugzeug zurückzulegen gelang erst mit der Nutzung motorisierter Starrflügel-Flugzeuge Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Gebrüder Wright legten mit ihren erfolgreichen Motorflügen den technischen Grundstein für eine rasante Entwicklung in der Geschichte der Luftfahrt, die bis heute fortdauert. Erst die bei der Entwicklung moderner motorisierter Flugzeuge gewonnenen Erkenntnisse haben den Bau funktionstüchtiger muskelkraftbetriebener Flugzeuge ermöglicht. Der Hubschrauberflug unterliegt den gleichen aerodynamischen Prinzipien wie der Flugzeugflug, wobei allerdings die Vertikalbewegung durch sich drehende Tragflächen (Rotoren) bewirkt wird.

Die physikalischen Grundlagen

Anfahrwirbel (Denkmodell)
A Parallelströmung
B Zirkulationsströmung
C Die höhere Strömungsgeschwindigkeit an der Tragflächenoberseite ist das Ergebnis einer Überlagerung von Parallelströmung (A) und schwächerer, durch den Anfahrwirbel hervorgerufener Zirkulationsströmung (B)

Noch heute kursieren verschiedene Erklärungsmodelle für das aerodynamische Wirkprinzip eines Flügels.[1] Grundlage seiner Funktion ist die Erzeugung von Auftrieb durch Beeinflussung der Luftströmung mittels einer geeigneten Form und Stellung des Flügels zur Strömung. Optimal sind unterschiedlich gewölbte Tropfenformen. Oberhalb der Tragfläche wird die Strömung nach hinten und unten beschleunigt (Coandă-Effekt). Dadurch entstehen unterschiedliche Grenzschichtströmungen der Luft unter- und oberhalb des Flügels. Beim Start bildet sich so an der hinteren Kante der jeweiligen Tragfläche ein starker Anfahrwirbel.

Da Wirbel auf Grund der Drehimpulserhaltung nur paarweise auftreten, bewirkt diese Wirbelbildung, dass die bereits beim Anfahren des Flugzeugs um die Tragfläche in Richtung Hinterkante entstehende Strömung („Fahrtwind“) an der unteren Tragflächenseite gegenüber der oberen Tragflächenseite verlangsamt wird. Infolge des Anstellwinkels der Tragflächen wird die Strömungsgeschwindigkeit an der Tragflächenoberseite weiter erhöht. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt der auf der Tragflächenoberseite infolge der größeren Strömungsgeschwindigkeit entstehende Unterdruck (Bernoulli-Effekt) zu, bis er schließlich so stark wird, dass das Flugzeug an den Tragflächen eine ausreichend große, entgegen der Erdbeschleunigung nach oben gerichtete Auftriebskraft erfährt: Das Flugzeug hebt ab und fliegt. Löst sich die Strömung von der Flügeloberfläche (Strömungsabriss), zum Beispiel durch zu steilen Winkel zur Strömung, bricht der Auftrieb zusammen.

Die Größe der Auftriebskraft ist abhängig von Geschwindigkeit, Anstellwinkel und Tragflächengeometrie. Während sich die Geschwindigkeit mit der Antriebsleistung und durch Änderung der Flughöhe ändert, kann der Anstellwinkel mit dem Höhenruder verändert werden. Selbst die Tragflächengeometrie ist während des Fluges veränderbar, z. B. mit Hilfe der Landeklappen. Die Vorwärtsbewegung wird (mit Ausnahme von Segel- und Gleitflugzeugen) mit Motorleistung aufrechterhalten. Teils geschieht dies mit Hilfe von Flugmotoren, die einen oder mehrere Propeller antreiben, teils mittels Strahltriebwerken, manchmal in Kombination (Turbopropantrieb).

Flugmanöver sind Einwirkungen auf den Flug durch den Piloten. Hierzu zählen Steig- und Sinkflug, im Gegensatz zum Reise- oder Horizontalflug („Cruising“).

Vogelflug

Zeichnung Lilienthals in seinem Buch Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst

Der Flug eines Vogels unterliegt beim Auftrieb den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie ein Tragflächenflugzeug. Das kinetische Wirkprinzip besteht jedoch aus einer komplexen Bewegung der Flügel. Auftrieb wird wesentlich durch die Flügelform, Vortrieb durch Auf- und Abschlag der Flügel bewirkt. Ähnlich wie bei einem Flugzeug mit Propeller, dessen Rotorblätter letztlich senkrechte Tragflächen darstellen, wird die für den Vortrieb nötige vertikale Luftströmung dadurch erzeugt, dass die sogenannten Handbereiche an den Flügelenden beim Abschlag mit der Vorderkante nach vorne unten gedreht werden, beim Aufschlag zeigt die Vorderkante des Handbereiches nach oben. Die Vorwärtsbewegung kann aber auch ohne Flügelschlag dadurch bewirkt werden, dass der Vogel im Gleitflug sein Eigengewicht (potentielle Energie der Ausgangshöhe) als Schub nutzt. Ein Versuch, die Leistungsfähigkeit verschiedener Vogelarten auf der Grundlage des Verhältnisses der Länge der Handschwingen zur gesamten Flügellänge zu bestimmen, ist der Handflügelindex.

Interessant ist, dass die Flügelschlagfrequenz von Zugvögeln während des über lange Strecken führenden Vogelzugs, z. B. über die Sahara, nicht die gleiche ist wie beim Kurzstreckenfliegen in ihrer jeweiligen Zielregion. Beim „Alltagsfliegen“ ist ihre Flügelschlagfrequenz höher, da sie sich möglichst schnell fortbewegen wollen. Während des Vogelzugs teilen sie ihre Kräfte besser ein, da eine geringere Flügelschlagfrequenz weniger Energieaufwand bedeutet. Dies hat unter Ornithologen einige Zeit lang zu Verwirrung geführt, als sie versuchten, mit Radargeräten fliegende Vögel auf dem Vogelzug anhand der Schlagfrequenz zu bestimmen.

Der Flug großer Vögel

Reihenaufnahme eines Adlerflugs

Der energie- und kraftsparende Gleit- und Segelflug ist besonders bei großen Vögeln zu beobachten. Ihr Flug galt lange Zeit als ein großes (unentdecktes) Geheimnis. Es gibt eine Reihe natürlicher Ursachen, die den Antrieb beim Segelflug entbehrlich machen: Aufwinde an Berghängen, erwärmte und daher aufsteigende Luftmassen (Thermik) oder die Böigkeit des Windes (dynamischer Segelflug). Greifvögel können auf ihren Beuteflügen innerhalb ihres ausgedehnten Jagdreviers große Strecken zurücklegen, teilweise mehr als hundert Kilometer pro Tag. Der Albatros mit Spannweiten von bis zu 3,5 Meter ist in der Lage, sich im Seewind stundenlang fast regungslos in der Luft zu halten. Einige Vögel beherrschen außerdem den Rüttelflug, bei dem sie sich fliegend auf der Stelle halten.

Der Flug kleiner Vögel

Kleine Vögel können sich zumeist sowohl im Segel- als auch im Ruderflug fortbewegen. Der sehr kleine Kolibri beherrscht als einer der wenigen Vögel darüber hinaus den Rüttelflug, dabei fliegt er mit einer sehr hohen Frequenz von bis zu 80 Flügelschlägen pro Sekunde. Diese Technik ermöglicht, auch rückwärts oder seitwärts zu fliegen oder in der Luft stehen zu bleiben, ähnlich den Insekten.

Flügeldarstellung in der Heraldik

Wappen des Heiligen Römischen Reiches

In der Heraldik werden die Flügel von Vögeln stilisiert dargestellt und im Wappenschild, wie auch im Oberwappen, verwendet. Dabei werden die Flügelpaare in offener, geschlossener oder halber Flugstellung gezeigt.

Technischer Nachbau

Eine Robotermöwe die über einen aktiven Gelenktorsionsantrieb komplett den Vogelflug nachvollzieht und sich damit von einfachen Schlagflügelapparaten unterscheidet, stellte 2011 erstmals der Automatisierungshersteller Festo auf der Hannover Messe vor. Festos SmartBird kann dabei selber starten und landen und erzeugt seinen Auftrieb wie Vorschub nur mit den Flügeln.[2]

Insektenflug

Schwebfliege im Flug

Insekten nutzen verschiedene Techniken, um zu fliegen. Abhängig von der Größe des Insekts und seiner Fluggeschwindigkeit ist die Luft für das Insekt unterschiedlich „zäh“. Besonders kleine Insekten „schwimmen“ daher in der Luft, die für sie aufgrund ihrer Größe und Fluggeschwindigkeit ähnlich zäh wirkt wie Wasser. Ihre Flügel sind daher nicht aerodynamisch geformt, sondern ähneln eher einem schnell rotierenden „Paddel“.

Flug von Pflanzensamen

Die Samen der „Pusteblume“ sind Schirmflieger

Die Pflanzensamen der sogenannten Windflieger sind mit Einrichtungen zum passiven Fliegen ausgestattet.

Quellen

  1. Aufsatz Bemerkungen zum dynamischen Auftrieb auf dem Portal des Otto-Lilienthal-Museums
  2. http://www.trendsderzukunft.de/ferngesteuerte-vogel-roboter-smartbird-im-trend/2011/03/28/

Siehe auch

  • Flugreise

Literatur

  • David E. Alexander: Nature's flyers – birds, insects, and the biomechanics of flight. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2002, ISBN 0-8018-6756-8.
  • Peter Almond: Fliegen – Geschichte der Luftfahrt in Bildern. Aus dem Englischen übersetzt von Manfred Allié. DuMont Monte, Köln 2003, ISBN 3-8320-8806-7.
  • Naomi Kato, Shinji Kamimura : Bio-mechanisms of swimming and flying. Springer, Tokyo 2008, ISBN 978-4-431-73379-9.
  • Konrad Lorenz: Der Vogelflug. Neske, Pfullingen 1965.
  • Henk Tennekes: The simple science of flight – from insects to jumbo jets. MIT Press, Cambridge 2000, ISBN 0-262-20105-4.

Weblinks

Wikiquote: Fliegen – Zitate
  • Umfangreiche Lehrmaterialien auf dem Portal Schulfernsehen des Südwestrundfunks (SWR) (einschließlich Videofilm und Weblinksammlung) zum Thema „Warum fliegen Flugzeuge?“.
  • Informationsseite Anschauliche Aerodynamik, von einem Modellflugclub erstellt.
  • Ausführliche Erläuterungen über den Vogelflug auf dem Portal der Eastern Kentucky University (Bird Flight, in Englisch).

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