Satelliten messen Trockenstress bei Pflanzen



Bio-News vom 01.09.2021

Ein Satellitensystem, das den Trockenstress von Pflanzen misst, ermöglicht es der Landwirtschaft, die Bewässerung der Anbauflächen zu optimieren und damit den Ernteertrag zu steigern. Das erste Sensorsystem startet Anfang 2022 ins All, um an Bord der Internationalen Raumstation ISS installiert zu werden.

Die Weltbevölkerung wächst und mit ihr der Bedarf an Nahrungsmitteln. Da die Ackerflächen begrenzt sind, muss die Landwirtschaft künftig auf derselben Fläche mehr ernten. Das bedeutet auch, dass der Anbau verbessert werden muss. Ein wichtiger Hebel ist die optimale Versorgung mit Wasser. Denn wenn Pflanzen in Wasserstress geraten, stecken sie weniger Energie in ihre Früchte, und die Ernte fällt kleiner aus. Das Problem besteht darin, dass sich der Zustand der Pflanzen auf den riesigen Ackerflächen weltweit nur schwer messen lässt. Zwar nutzt man schon seit den 1970er-Jahren Satellitendaten für den Überblick, doch sind diese relativ ungenau. Zum Einsatz kommen bisher vor allem visuelle und sogenannte nah-infrarote Sensoren, die den Pflanzenfarbstoff Chlorophyll erkennen. Das Chlorophyll baut sich ab, wenn Pflanzen zu wenig gewässert werden. »Dann ist es aber bereits zu spät«, sagt Dr. Max Gulde, Physiker am Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI, in Freiburg. »Was wir brauchen, ist eine Technologie, die innerhalb weniger Stunden verrät, ob Pflanzen ausreichend mit Wasser versorgt sind.«

Algorithmen bestimmen Temperatur auf der Blattoberfläche

Genau diese Technologie hat Max Gulde gemeinsam mit seinem Kollegen Marius Bierdel am Fraunhofer EMI entwickelt. Auch hier kommt Satellitentechnik zum Einsatz. Das Forschenden-Team nutzt dabei eine weiterentwickelte Wärmebildkamera im Satelliten. Spezielle Algorithmen werten die Daten aus und bestimmen damit die Temperatur auf der Blattoberfläche der Pflanzen. Daraus wiederum lassen sich Rückschlüsse auf deren Wasserversorgung ziehen. Bei Wassermangel verringert sich die Verdunstung von Wasser über die Blätter. Damit steigt die Temperatur an der Blattoberfläche. »Innerhalb von zwei Stunden kann sich die Temperatur um zwei bis drei Grad Celsius verändern«, sagt Max Gulde. »Unser Verfahren misst auf ein Zehntelgrad genau und löst die Temperatur-Differenzen sehr fein auf.« Technisch gesehen misst der Sensor die in Form von Photonen von den Pflanzen abgestrahlte Energiemenge.

Landwirtschaftliche Flächen, vom Satelliten aus mit der Wärmebildkamera betrachtet. In der beispielhaften Auswertung steht Rot für hohe Temperaturen und drohende Wasserknappheit.

Eine Herausforderung bei der Entwicklung bestand darin, störende Wärme, die von der Atmosphäre, der Erdoberfläche oder vom Satelliten selbst abgestrahlt wird, herauszurechnen. Diese verfälscht die Temperaturdaten von der Blattoberfläche. Auch das ist den Forschenden am Fraunhofer EMI mit den Algorithmen gelungen. Die Nachricht, wie gut das System funktioniert, kam von der Europäischen Weltraumorganisation ESA. »Wir sind ganz unbedarft an die Sache herangegangen, bis die ESA uns mitgeteilt hat, dass das ein echter Durchbruch sei. Das Problem der Temperaturmessung hatte vor uns niemand auf so kompakte Weise lösen können«, sagt Max Gulde. Die Daten werden von den Satelliten auf Bodenstationen heruntergeladen, in Rechenzentren prozessiert, für den Anwender aufbereitet und schließlich auf die App der landwirtschaftlichen Nutzer übertragen.

Optimale Bewässerung fast in Echtzeit

Der entscheidende Vorteil der Technologie: Die Daten und Informationen über die Wasserversorgung von Pflanzen liegen schon nach Stunden vor. Landwirte und Landwirtinnen können damit praktisch in Echtzeit ihre Bewässerung anpassen und gezielt jene Äcker oder Pflanzen wässern, die besonders betroffen sind. Die punktgenaue Bewässerung hilft dabei auch, Wasser zu sparen. Darüber hinaus lassen sich genauere Ernteprognosen erstellen und dementsprechend Preise für landwirtschaftliche Produkte frühzeitig kalkulieren, weil schon viele Wochen im Voraus zu erkennen ist, wie stark eine Dürre eine Ernte schädigen könnte. »Das gibt den landwirtschaftlichen Produzenten deutlich mehr Planungssicherheit«, sagt Gulde.

Schon Anfang 2022 soll die neue Technologie im All an Bord der Internationalen Raumstation in Betrieb gehen. »Ich freue mich sehr, dass das erste Spin-off des Fraunhofer EMI mit den am Institut entwickelten Technologien dazu beitragen wird, weltweit die Bewässerung von Feldern und Äckern und damit den Ernteertrag zu optimieren. Sie verbessern die Ernährungssicherheit für die Menschen und stellen deshalb gerade in Zeiten des Klimawandels einen bedeutenden Fortschritt dar«, sagt Prof. Dr. Frank Schäfer, Leiter der Abteilung Systemlösungen am Institut.



Ende 2022 werden die beiden Experten die Fraunhofer-Gesellschaft verlassen, um sich voll ihrer Entwicklungsfirma widmen zu können. Jetzt schon sind aus ihrer Forschungsarbeit drei Patente hervorgegangen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Fraunhofer-Gesellschaft via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

Die News der letzten 7 Tage 6 Meldungen






warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte