Menschheitsgeschichte: Früher Homo sapiens im Outback Afrikas



Bio-News vom 31.03.2021

Ein internationales Forschungsteam liefert erstmals mehr als 100.000 Jahre alte Belege für moderne Menschen in der Kalahari-Wüste im Landesinneren Afrikas. Damit sind die Ursprünge der modern-menschlichen Spezies nicht mehr nur in Küstennähe zu finden.

Die Wiege des modernen Menschen mit modernen kognitiven Fähigkeiten liegt im südlichen Afrika, wie zahlreiche archäologische Funde belegen. Viele dieser archäologischen Stätten befinden sich in Küstennähe. Das führte bislang zur weit verbreiteten Annahme, dass die Entwicklung des Homo sapiens zu einem sozialen und kulturfähigen Lebewesen – mit geistigen, kreativen Denkfähigkeiten vergleichbar mit den heutigen – mit dem Meer zusammenhängt. Neue archäologische Funde in der südafrikanischen Kalahari, sozusagen dem „Afrikanischen Outback“, werfen aber nun ein anderes Licht auf die Geschichte des Menschen und belegen diese These nicht.


Tausende Einzelmessungen an den „Miniuhren“ werden bei der Optisch Stimulierten Lumineszenz (OSL)-Datierung untersucht.

Publikation:


Jayne Wilkins, Benjamin J. Schoville, Robyn Pickering, Luke Gliganic, Benjamin Collins, Kyle S. Brown, Jessica von der Meden, Wendy Khumalo, Michael C. Meyer, Sechaba Maape, Alexander F. Blackwood, Amy Hatton
Innovative Homo sapiens behaviors 105,000 years ago in a wetter Kalahari
Nature (2021)

DOI: 10.1038/s41586-021-03419-0

Datierung: Luminescence Geochronology

„Vielfach wird die Meinung vertreten, dass Verhaltensinnovationen in der frühen Menschheitsgeschichte mit der Küste und Meeresressourcen verbunden sind. In der vorliegenden Studie haben wir Funde unter einem Felsvorsprung mehr als 600 Kilometer im Landesinneren analysiert und ein Alter von 105.000 Jahren festgestellt. Die Funde belegen, dass diese steinzeitlichen Binnenmenschen Verhaltensweisen und kognitive Fähigkeiten an den Tag legten, die gleichwertig sind mit jenen, die man beim Homo sapiens zur gleichen Zeit in unmittelbarer Küstennähe antrifft“, erklärt Michael Meyer. Der Geologe leitet das Lumineszenz-Labor am Institut für Geologie der Universität Innsbruck und war verantwortlich für die Datierung der Sedimentproben aus den südafrikanischen Ausgrabungen gemeinsam mit dem damaligen Post-Doc-Forscher der Universität Innsbruck Luke Gliganic.

Felsvorsprung als spiritueller Ort

Die hier gelungenen Funde sind ein Glücksfall, da es nur sehr wenige gut erhaltene und datierbare archäologische Stätten im Inneren Afrikas gibt. „Ein Felsen auf dem so genannten Ga-Mohana-Hügel in der Kalahari ist so eine Stätte. Unsere Analysen von diesem bis heute für die einheimischen Menschen wichtigen Ort zeigen, dass modernes menschliches Verhalten schon früh auch im Landesinneren zu finden war – und um nichts jenem in Meeresnähe nachstand. In der Kalahari-Savanne herrschte zu jener Zeit ein feuchteres Klima mit Perioden vermehrter Niederschläge. Wir gehen daher davon aus, dass frühe moderne Menschen auch andere Regionen des afrikanischen Kontinents besiedelt haben“, sagt die Erstautorin der Studie, Jayne Wilkins von der Griffith University in Australien. Der Felsvorsprung am Ga-Mohana-Hügel wurde bereits vor mehr als 100.000 Jahren und auch heute als spiritueller Ort genutzt, daher ging das Team außerordentlich vorsichtig vor, um keine Schäden zu hinterlassen. Die Forscherinnen und Forscher fanden 22 weiße Kalzitkristalle und Fragmente von Straußeneierschalen, letztere dienten den Frühmenschen als Wasserbehälter. „Wir vermuten, dass es sich bei den geometrischen Kalzitkristallen um bewusst gesammelte Objekte handelt, die spirituelle und rituelle Zwecke erfüllten“, ergänzt die Archäologin.


Felsvorsprung in der Kalahari-Wüste: Blick auf die Ausgrabungsstätte in Südafrika.

Sandkorn als Miniuhr

Zur Datierung der Funde wurde die Lumineszenz-Methode herangezogen. Die Optisch Stimulierte Lumineszenz (OSL)-Datierung basiert auf der Messung von in Sandkörnern gespeichertem Licht und ist eines der wichtigsten Werkzeuge zur Altersbestimmung in den Erdwissenschaften und der Archäologie. „Bei dieser Datierungsmethode werden natürliche Lichtsignale genutzt, die sich im Laufe der Zeit in Quarz- und Feldspatkörnern anreichern. Dabei kann man sich jedes Korn wie eine winzige Uhr vorstellen, die wir unter kontrollierten Laborbedingungen ‚ablesen‘. Das Lichtsignal lässt uns auf das Alter der archäologischen Sedimentschichten schließen. Je mehr Licht, desto älter das Sediment“, beschreibt Michael Meyer die Vorgehensweise. Im OSL-Labor an der Universität Innsbruck werden bereits seit mehreren Jahren Untersuchungen dieser Art durchgeführt und brisante geologische und archäologische Forschungsfragen bearbeitet, die von Afrika, über Australien, das Tibetische Hochplateau und den Alpenraum reichen.



Wie viel Licht in einem Mineral gespeichert ist, können Michael Meyer und sein Team vom Institut für Geologie an der Uni Innsbruck, ermitteln. Dabei kommt die sogenannte Lumineszenz-Datierung zum Einsatz. Damit die lichtempfindlichen Proben nicht beschädigt werden, dürfen sie nur im Rotlicht geöffnet und bearbeitet werden. Mit dieser Methode gelang es den Wissenschaftler erstmals die Anfägne der dauerhaften Besiedelung des Tibetischen Hochplateaus sicher zu datieren.

Dabei geht das Innsbrucker Team besonders präzise vor und arbeitet mit jedem Sandkorn „einzeln“: „Wir verwenden Laserstimulation und statistische Modelle, um aus Tausenden einzeln gemessenen Quarzkörnern das Alter des Sediments zu bestimmen. Das ist sehr arbeits- und zeitintensiv, lohnt sich aber auf jeden Fall, da wir dadurch besonders robuste Altersdaten erhalten und viel präzisere Aussagen zu Mensch-Umweltdynamiken treffen können, als mit herkömmlichen Ansätzen möglich wäre“, so der Geologe. So auch in dieser Studie am Ga-Mohana-Hügel, wo die auf Einzelkorndatierung basierenden OSL-Alter mit unabhängig datierten Klimaarchiven perfekt zusammenpassten und so einen wesentlich detaillierteren Einblick in die menschlichen Evolutionsgeschichte und die gleichzeitig ablaufenden Klima und Umweltveränderungen ermöglichte.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Innsbruck via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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