Klimaerwärmung: heiße Phase durch Fossilien belegt



Bio-News vom 21.04.2020

Paläontologen des Museums für Naturkunde Berlin und Kollegen aus Großbritannien haben Geschwindigkeit, Ausmaß und Dauer der Ozeanerwärmung für eine außergewöhnlich heiße Phase der Jurazeit vor 182 Millionen Jahren rekonstruiert und negative Auswirkungen auf den Artenreichtum und die Körpergröße von Bewohnern des Meeresbodens ermittelt. Mit Hilfe der überlieferten Fossilien wurden die ökologischen Auswirkungen des Klimawandels erforscht. Dadurch können mögliche Langzeit-Folgen der gegenwärtigen Klimaerwärmung abgeschätzt und Handlungsempfehlungen für unsere Gesellschaft abgeleitet werden.

Es ist äußerst kompliziert die Wassertemperaturen der Erdvergangenheit verlässlich zu rekonstruieren. Als besonders hilfreich erweist sich die Analyse des Verhältnisses verschieden schwerer Sauerstoffatome. Dieses Verhältnis ist in den kalkigen Schalen von Muscheln und anderen Organismen temperaturabhängig und kann mit Hilfe von Massenspektrometern gemessen werden. Bei gut erhaltenen fossilen Schalen kann so mit Hilfe einer einfachen mathematischen Beziehung die ehemalige Wassertemperatur ermittelt werden.

Für einen ca. 182 Millionen Jahre zurückliegenden Zeitabschnitt im Jura mit einer besonders ausgeprägten Treibhausphase haben Forschende des Museums für Naturkunde Berlin und aus Großbritannien mit dieser Methode für einzelne Meeresbereiche in Südeuropa einen relativ raschen Temperaturanstieg ermittelt. Die Treibhausphase hielt über mehrere 100.000 Jahre an, mit einer durchschnittlichen lokalen Ozeanerwärmung von 3.5 °C und Spitzenwerten von über 5 °C. „Eine derartige lückenlose und verlässliche Temperaturrekonstruktion lag für diesen Zeitabschnitt bisher nicht vor“ sagt Clemens Ullmann von der University of Exeter, der die geochemischen Analysen durchführte.

Martin Aberhan vom Museum für Naturkunde Berlin ergänzt: „Der Grund für den bisherigen Fossilmangel war, dass die Ozeane im untersuchten Zeitabschnitt in der Regel sauerstoffarm mit wenig Bodenleben waren und entsprechend kaum Schalen für geochemische Analysen zur Verfügung standen.“ Daher haben die Forscher im Rahmen des Projektes in Spanien und Portugal neue Geländearbeiten durchgeführt und fanden fossilreiche Ablagerungen, die aus sauerstoffreichen Meeresbereichen stammen. Ein Teil des Materials ist jetzt in der Forschungssammlung des Museums für Naturkunde Berlin.


Fossile Meereslebewesen aus dem Unteren Jura. Aus dem Verhältnis verschieden schwerer Sauerstoffatome in den Schalen kann man die vorherrschende Wassertemperatur ermitteln.

Publikation:


Piazza, V., Ullmann, C.V. & Aberhan, M.
Temperature-related body size change of marine benthic macroinvertebrates across the Early Toarcian Anoxic Event
Scientific Reports 10: 4675

DOI: 10.1038/s41598-020-61393-5



Der Temperaturanstieg der Meere führte zu weitreichenden Folgen für die damaligen Lebensgemeinschaften. Sämtliche vor der Erwärmung lebende Arten von Brachiopoden – Meerestiere, die den Muscheln äußerlich ähneln, aber einen eigenständigen Tierstamm bilden – starben in der Anfangsphase der Erwärmung aus. Sie wurden durch eine kleinwüchsige, opportunistische Art ersetzt, die unter den extremen Bedingungen überlebensfähig war. Mit dem Ende der heißen Phase traten dann komplett neue Lebensgemeinschaften auf. Zudem waren die durchschnittlichen Schalengrößen der Muschel-Brachiopoden-Gemeinschaften während der Warmphase deutlich kleiner als vorher und danach, vor allem, weil die großwüchsigen Arten seltener wurden oder ganz verschwanden.

Die Abnahmen der Körpergrößen sind statistisch signifikant mit Temperaturerhöhungen korreliert. „Mit Blick auf die aktuelle Ozeanerwärmung wäre eine ähnliche Ausbreitung relativ kleinwüchsiger invasiver Arten und eine langfristige Reduzierung der Größenstruktur von Lebensgemeinschaften ein sehr alarmierendes Zeichen für die fortschreitende Klimaerwärmung“, sagt Martin Aberhan vom Museum für Naturkunde, der die ökologischen Untersuchungen leitete.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Museum für Naturkunde - Leibniz-Instituts für Evolutions- und Biodiversitätsforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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