Fledermäuse im Himalaya



Bio-News vom 24.11.2021

Millionen Jahre der Evolution haben zu einer immensen Vielfalt an Arten geführt, von denen jede auf einzigartige Weise an ihre Umwelt angepasst ist. Eine einfache Methode zur Messung der biologischen Vielfalt ist über die Anzahl der Arten (taxonomische Vielfalt), doch in jüngerer Zeit gewinnen weitere Maße an Bedeutung: die funktionelle Vielfalt – also die Vielfalt der phänotypischen Merkmale, die es den Organismen ermöglichen, ihre ökologischen Funktionen zu erfüllen - und die phylogenetische Vielfalt, d. h. die Vielfalt der Verästelungen im Baum des Lebens.

In einer in der Fachzeitschrift veröffentlichten Arbeit vergleicht ein Wissenschaftsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) diese Ansätze: Es fand heraus, dass Artenreichtum und funktionelle Vielfalt von Fledermausgemeinschaften im Himalaya mit zunehmender Höhe abnehmen, die phylogenetische Vielfalt jedoch gleich bleibt. Ihre Ergebnisse geben Aufschluss über die Vielfalt der Fledermäuse im Himalaya und dienen als wichtige Grundlage für die Bewertung dieser Vielfalt im Kontext von Umweltveränderungen.

Erstautor Rohit Chakravarty vom Leibniz-IZW und seine Kolleginnen und Kollegen untersuchten drei verschiedene Ansätze zur Ermittlung von Biodiversitätsmustern bei Fledermäusen entlang eines Höhengradienten im Himalaya. Gebirgsregionen bieten ideale Voraussetzungen für diese Art von Analysen, da sie eine große Anzahl unterschiedlicher Klima- und Vegetationszonen auf engem Raum umfassen. „Es ist gut bekannt, wie sich Artenreichtum entlang dieser Höhengradienten verändert, aber um die evolutionären Prozesse zu verstehen, die zu dieser Verteilung der Arten führen, muss man die Vielfalt der Merkmale und die Evolutionsgeschichte der Vielfalt analysieren“, erklärt Chakravarty. Das Team fing im westlichen Himalaya Fledermäuse in Höhenlagen zwischen 1.500 und 3.500 Metern und erfasste deren phänotypische Merkmale wie zum Beispiel Flügelform und Echoortungsrufe – beides sind wichtige Merkmale, die typisch für bestimmte Formen der Nahrungssuche sind.


Gewinnung von Blutproben bei Fledermäusen.

Publikation:


Chakravarty R, Mohan R, Voigt CC, Krishnan A, Radchuk V
Functional diversity of Himalayan bat communities declines at high elevation without the loss of phylogenetic diversity
Scientific Reports

DOI: 10.1038/s41598-021-01939-3



Diese Informationen verglichen sie mit dem Stammbaum der Fledermausarten im Himalaya, der die sogenannte phylogenetische Vielfalt widerspiegelt. „Die phylogenetische Vielfalt zeigt die Anzahl der Stufen oder evolutionären Anpassungen an, die die Arten voneinander unterscheiden“, erklärt Chakravarty. „Vom evolutionären Standpunkt aus ist das interessant. Drei Arten, die auf demselben Ast – oder sogar Zweig – des ‚Baum des Lebens‘ sitzen, haben eine gemeinsame Evolutionsgeschichte, das heißt, sie haben sich aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt und können daher ähnliche Anpassungen an die Umweltbedingungen aufweisen. Sitzen diese drei Arten auf weit entfernten Ästen, verfügt die Gemeinschaft über eine höhere evolutionäre Vielfalt, was als phylogenetische Vielfalt bezeichnet wird.“

Aus evolutionsbiologischer Sicht bedeutet eine hohe phylogenetische Vielfalt nicht automatisch Gruppen von Arten mit unterschiedlichen Merkmalen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten fest, dass Fledermausarten in höheren Lagen des Himalaya ähnliche Merkmale aufweisen, was darauf hindeutet, dass die dortigen Umweltbedingungen spezifische Merkmale “herausfiltern“, die für das Überleben in großen Höhen zwingend erforderlich sind. Allerdings war die phylogenetische Vielfalt in den höchsten Lagen nicht geringer als in den darunter liegenden Tälern, das heißt die Arten höherer Lagen waren ähnlich nah oder entfernt miteinander verwandt wie die Arten niedrigerer Lagen.

„Dies zeigt, dass die Verwendung zusätzlicher Indikatoren für die Biodiversität, die über den Artenreichtum in einer Region hinausgehen, einen Mehrwert für die Bewertung der Vielfalt hat“, sagt Dr. Viktoriia Radchuk, Wissenschaftlerin in der Abteilung Ökologische Dynamik des Leibniz-IZW und Senior-Autorin der Studie. „Darüber hinaus wird deutlich, dass in diesem speziellen Fall die phylogenetische Diversität kein guter Ersatz für die Messung der funktionellen Diversität ist.“ In der untersuchten Region lassen sich die Unterschiede in der funktionalen und phylogenetischen Diversität auf eine Fledermausfamilie zurückführen, die Hufeisennasen. Diese Fledermausarten kommen nur in tieferen Lagen vor und weisen trotz ihrer Zugehörigkeit zur gleichen Familie (und der daraus resultierenden phylogenetischen Ähnlichkeit) sehr unterschiedliche Merkmale auf.

Betrachtet man biologische Vielfalt als mehr als nur die Anzahl der Arten in einer Region, bietet sich die Möglichkeit, die Evolution als vielschichtigen Prozess zu verstehen. Aufbauend auf dem in diesem wissenschaftlichen Aufsatz verfolgten Ansatz könnten künftige Arbeiten untersuchen, wie sich Fledermausarten entlang von Klima- und Vegetationsgradienten im Himalaya entwickelten. Dies könnte zu einem besseren Verständnis vergangener Evolutionsprozesse beitragen und auch zuverlässigere Vorhersagen darüber ermöglichen, wie Arten auf künftige, veränderte Umweltbedingungen reagieren könnten. Der Himalaya erwärmt sich dreimal so schnell wie der globale Durchschnitt, was diese Fragen zu dringenden Themen der Umweltforschung macht.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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