Eine sensationelle Entdeckung



Bio-News vom 03.02.2022

Biologiedidaktiker der Universität Jena publizieren einmalige Vorlesungsmitschriften von Ernst Haeckel und Carl Gegenbaur.

„Diese Entdeckung ist eine Sensation!“, sagt Prof. Dr. Uwe Hoßfeld von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Biologiedidaktiker fand gemeinsam mit seinem Kollegen PD Dr. Georgy S. Levit Vorlesungsmitschriften von Jenaer Lehrveranstaltungen des Anatomen Carl Gegenbaur und des Zoologen und Evolutionsforschers Ernst Haeckel. Beide Gelehrte wirkten Mitte des 19. Jahrhunderts an der Universität Jena. Entdeckt wurden die Schriften bereits 2018 im Nachlass des russischen Forschungsreisenden Nikolai Miklucho-Maclay, der im Archiv der Russischen Geographischen Gesellschaft in St. Petersburg aufbewahrt wird. Gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben Hoßfeld und Levit die beiden wertvollen Vorlesungsmitschriften jetzt publiziert.


Anatomie der Schnecke. Zeichnung von Nikolai Miklucho-Maclay. Foto:

Publikation:


Uwe Hoßfeld, Rosemarie Fröber, Theresa Thieme, Georgy S. Levit, Maria Matveeva, Martin S. Fischer (Hg.)
Vorlesungen über Menschliche Anatomie von Carl Gegenbaur
THK-Verlag, Arnstadt 2022, 271 Seiten, zahlr. Abbildungen, 24,90 Euro, ISBN: 978-3-945068-56-4

Nikolai Miklucho-Maclay brach mit Ernst Haeckel

„Die Mitschriften erlauben uns spannende Einblicke in die Geschichte und Visualisierung der Zoologie und der vergleichenden Anatomie jener Jahre“, sagt Uwe Hoßfeld. Tatsächlich seien die beiden Texte die bislang einzig überlieferten Mitschriften dieser Autoren. Sie zeigen den Wissensstand und die Methoden der Wissensvermittlung in den Fachbereichen von Zoologie und vergleichender Anatomie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, konkret aus dem Jahr 1865. Ihr Autor ist der Haeckel-Schüler Nikolai Miklucho-Maclay, der als Forschungsreisender 1870 erstmals nach Neuguinea reiste, um die dortige einheimische Bevölkerung, die Papua, zu erforschen. Miklucho-Maclay stand in einem spannungsvollen Verhältnis zu Ernst Haeckel.

Publikation:


Uwe Hoßfeld, Georgy S. Levit, Martin S. Fischer, Maria Matveeva, Gerta Puchert, Achim Blankenburg, Theresa Thieme (Hg.)
Vorlesungen über Zoologie von Ernst Haeckel
THK-Verlag, Arnstadt 2022, 179 Seiten, zahlr. Abbildungen, 24,90 Euro, ISBN: 978-3-945068-55-7

Er war Student bei Haeckel, ging als Assistent und wissenschaftlicher Mitarbeiter mit ihm auf Forschungsreisen. Später kam es jedoch vermutlich zum Bruch, weil der russische Gelehrte Haeckels Ansichten zu den Menschenrassen in Frage stellte und wissenschaftlich widerlegte. „Miklucho-Maclay kann mit gutem Recht als erster empirischer Antirassist in den Naturwissenschaften bezeichnet werden“, sagt Prof. Uwe Hoßfeld. Seine Beobachtungen und Erlebnisse bei den Papua zeigten, dass die Annahme Haeckels falsch war, es gebe verschiedene Entwicklungsstufen unter den derzeit lebenden Menschen und damit verschiedene menschliche „Arten/Rassen“. Pikant war zudem, dass Ernst Haeckel selbst postuliert hatte, wissenschaftliche Erkenntnisse setzten voraus, die Organismen in ihrem natürlichen Lebensumfeld zu beobachten und zu untersuchen. Nikolai Miklucho-Maclay hielt sich an diese Kriterien. Der Russe weilte zudem noch mehrere Male bei den Menschen in Neuguinea.

Hier die Zeichnung einer Gottesanbeterin von Miklucho-Maclay, die sich in der Mitschrift einer Zoologie-Vorlesung bei Haeckel findet.

Die Aufzeichnungen aufzubereiten war eine Mammutaufgabe

Die nun publizierten Vorlesungsmitschriften zeigen nicht nur den Forschungsstand der Zeit, sie weisen auch Haeckel, Gegenbaur und Miklucho-Maclay als kunstfertige Zeichner und Ästheten aus. Werden die Mitschriften doch durch zahlreiche detailgetreue Illustrationen ergänzt, die offensichtlich in den Vorlesungen gezeigt wurden. „Nikolai Miklucho-Maclay übertrug die Vorlesungen auf den Tag genau in seine Aufzeichnungen“, sagt Uwe Hoßfeld. Dabei schrieb er mal auf Deutsch, mal auf Russisch, zudem gespickt mit zahlreichen Abkürzungen. Die Texte zu transkribieren sei deshalb eine Mammutaufgabe gewesen, die drei Jahre umfasste.

Ein besonderes Dankeschön gelte darum der Anatomin Dr. Rosemarie Fröber. Deren exzellente Kenntnis der anatomischen Fachtermini und des Kontextes haben die exakte Übertragung bei Gegenbaur überhaupt erst möglich gemacht. Bei der Transkription der Zoologie-Vorlesungen hingegen haben besonders Gerta Puchert und Achim Blankenburg ihre Expertise eingebracht. Ein weiterer Dank geht von den Herausgebern an das Archiv der Russischen Geographischen Gesellschaft, hier vor allem an Maria Matveeva. Wurden die Scans der Vorlesungsmitschriften doch kostenfrei zur Verfügung gestellt. Das Projekt wurde ferner durch die Universitäts- und Institutsleitung sowie den Verein für Jenaer Stadt- und Universitätsgeschichte unterstützt.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Friedrich-Schiller-Universität Jena via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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