Die komplexe Organisation einer Ameisenkolonie



Bio-News vom 18.06.2021

Eine vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Studie über räuberische Ameisen erklärt, wie kleine Unterschiede zwischen Einzeltieren die kollektive Organisation der Kolonie verändern. Soziale Insekten leben in Kolonien, die sich völlig autonom organisieren.

Indem Forschende die demografische, genetische und morphologische Struktur von Ameisenvölkern untersuchten, konnten sie zeigen, wie sich diese auf die kollektive Organisation auswirkt. Als Modell diente dabei die klonale Räuberameise (Ooceraea biroi). Die asiatische Ameisenart eignet sich für solche Studien, weil die Forschenden das Alter der Einzeltiere sowie den genetischen und morphologischen Aufbau der Kolonien leicht kontrollieren können.

Ihre Arbeit zeigt nun auf, dass die Organisation in einer homogenen Kolonie angepasst wird, sobald Tiere dazukommen, die sich vom Rest der Kolonie unterscheiden. "Bei Grössenunterschieden erhöht sich die Arbeitsteilung in der Kolonie, während genetische Unterschiede sie reduzieren", erklärt Yuko Ulrich, Erstautorin und damals Leiterin der Studie an der Universität Lausanne. "Tatsächlich führt jede Heterogenität zu ganz bestimmten Veränderungen im Verhalten der Kolonie", sagt die Forscherin.


Durch automatisiertes Tracking wird die Komplexität der kollektiven Organisation von Ameisen sichtbar.

Publikation:


Y. Ulrich, M. Kawakatsu, C. K. Tokita, J. Saragosti, V. Chandra, C. E. Tarnita, D. J. C. Kronauer
Response thresholds alone cannot explain empirical patterns of division of labor in social insects
PLOS Biology (2021)

DOI: 10.1371/journal.pbio.3001269



Wer spült das Geschirr?

Die Ergebnisse überraschten die Forschenden, da sie teilweise im Widerspruch zu gängigen Theorien über soziale Gruppen stehen. "Bis anhin ist man davon ausgegangen, dass das individuelle Verhalten von der Toleranzschwelle gegenüber Reizen bestimmt ist", sagt Yuko Ulrich. Um dieses Prinzip zu erklären, zieht die Wissenschaftlerin eine Parallele zum Menschen: "In einer Familie reagieren einige Individuen viel schneller als andere auf einen Haufen schmutziges Geschirr. Sie werden daher häufiger den Abwasch machen. Das Resultat ist eine Arbeitsteilung." Mit diesem Prinzip lassen sich aber die Beobachtungen der Forschenden nicht erklären.

Um diese zu erklären, mussten die Forschenden das theoretische Modell so erweitern, dass es nicht nur die Reiztoleranz, sondern auch die Effizienz jeder Ameise bei der Ausführung einer Aufgabe und die Gesamtarbeitslast in der Kolonie berücksichtigt.


Teamarbeit erfordert eine komplexe Organisation.

Das Modell müsse noch getestet werden, aber es eröffne bereits neue Möglichkeiten, erklärt Yuko Ulrich. Es verändert das Verständnis für andere komplexe biologische Systeme, in denen eine grosse Anzahl heterogener Individuen interagiert. Dadurch werden präzisere Vorhersagen über das Verhalten solcher Systeme möglich.

Automatisiertes Tracking einzelner Tiere

Die Forschenden arbeiteten mit 120 Ameisenkolonien (homogen und heterogen), die sie in durchsichtigen Petrischalen aufzogen. Um das Verhalten jeder einzelnen Ameise ohne Unterbruch beobachten zu können, entwickelten sie ein automatisiertes Tracking-System. "Es ist das erste Mal, dass ein so gross angelegtes System in einer Ameisenstudie eingesetzt wurde. Ohne diese Art von Software wäre die Nachverfolgung unmöglich gewesen", erklärt Yuko Ulrich. Jedes Experiment dauerte etwa einen Monat. Pro Kolonie wurden etwa 7000 Bilder aufgenommen.

Jede Ameise wurde mit einer Farbkombination bemalt, damit die Software sie eindeutig identifizieren kann. So ist es möglich, die Bewegungen jedes einzelnen Tieres aufzeichnen und einen Index der Arbeitsteilung zu generieren. Dieser bildet nicht die Tätigkeit jedes Tieres ab, sondern gibt Hinweise auf seine Rolle. "Wenn sich eine Ameise oft in der Nähe des Nestes aufhält, ist es wahrscheinlich, dass sie sich um die Larven kümmert. Eine Ameise, die sich viel bewegt, ist eher für die Nahrungssuche zuständig", erklärt die Wissenschaftlerin.



Diese Newsmeldung wurde mit Material Schweizerischenr Nationalfonds SNF via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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