Borkenkäfer: Wissenschaftler schlagen Alarm



Bio-News vom 01.07.2019

Borkenkäfer bringen derzeit beispiellose viele Bäume in europäischen und nordamerikanischen Wäldern zum Absterben. Wieso sich die Käfer zuerst explosiv vermehren, bis dann ihre Zahl nach wenigen Jahren natürlicherweise wieder zurückgeht, ist weitgehend unbekannt. Wissenschaftler fordern deshalb verstärkte Forschungsaktivitäten. Auch wegen des Klimawandels seien diese dringend erforderlich.

„Wettlauf mit dem Tod: Die Invasion der Borkenkäfer“ – „Borkenkäfer-Population nimmt in diesem Jahr extreme Ausmaße an“ – „Borkenkäfer: Experte befürchtet ‚Anfang vom Ende der Fichte‘“: Drei Schlagzeilen deutscher Medien aus den vergangenen Wochen, ein Thema: die explosive Zunahme der Borkenkäfer-Populationen und deren verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaftswälder. Dabei ist der Befund nicht auf Deutschland begrenzt. Ein vergleichbares Bild zeigt sich derzeit in vielen Wäldern überall in Mitteleuropa und Nordamerika. Die Folgen dieser „Invasion“ sind gewaltig. Allein in Mitteleuropa waren die Käfer im Jahr 2018 für gut 40 Millionen Kubikmeter Schadholz verantwortlich.


Der Buchdrucker ist in heimischen Wirtschaftswäldern ein gefürchtetes Insekt. Die Borkenkäfer-Art kann in kurzer Zeit große Fichtenbestände zum Absterben bringen.

Publikation:


Peter H. W. Biedermann, Jörg Müller, Jean-Claude Grégoire, Axel Gruppe, Jonas Hagge, Almuth Hammerbacher, Richard W. Hofstetter, Dineshkumar Kandasamy, Miroslav Kolarik, Martin Kostovcik, Paal Krokene, Aurélien Sallé, Diana L. Six, Tabea Turrini, Dan Vanderpool, Michael Wingfield and Claus Bässler
Bark beetle population dynamics in the Anthropocene: challenges and solutions
Trends in Ecology and Evolution

DOI: 10.1016/j.tree.2019.06.002



Massenausbrüche von Borkenkäfern dauern meist einige Monate bis Jahre an, anschließend gehen die Populationen plötzlich wieder deutlich zurück. Woran dies liegt, ist kaum erforscht. In der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins Trends in Ecology and Evolution fordern Wissenschaftler daher vermehrte Forschungsaktivitäten rund um den Lebenszyklus der bedrohlichen Käfer. „Wir versuchen mit vielen aufwändigen Maßnahmen, unsere Wälder vor Borkenkäfern zu schützen. Doch was die starken Populationsschwankungen bei den Borkenkäfern eigentlich auslöst, darüber wissen wir sehr wenig“, sagt Dr. Peter Biedermann, Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie.

Biedermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Gemeinsam mit seinen an der Arbeit beteiligten Kollegen vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie Jena sowie vom Nationalpark Bayerischer Wald fordert er jetzt: „Es ist dringend notwendig, dass wir nun diese wissenschaftliche Basis schaffen, damit Forstwirtschaft und Politik künftig effizienter auf Ausbrüche von Borkenkäfern reagieren können.“ Die Ergebnisse aus diesen Untersuchungen könnten auch als Blaupause für die Bekämpfung anderer schädlicher Waldinsekten dienen. Die wichtigste zu klärende Frage sei dabei, ob es ein praxistauglicher Ansatz im Management von Natur- oder sogar Wirtschaftswäldern sein kann, bei Massenvermehrungen von Insekten einfach gar nicht einzugreifen, so Biedermann. Im Nationalpark Bayerischer Wald hätten die Wissenschaftler beobachtet, dass Borkenkäferpopulationen auch ohne Bekämpfung nach einigen Jahren zusammengebrochen sind.

Der Klimawandel verschärft das Problem

Ein vertieftes Wissen über den Lebenszyklus vor allem des Fichtenborkenkäfers sei auch angesichts des Klimawandels dringend nötig: „Die zu erwartende Verstärkung von Klimaextremen wird die heimischen Wirtschaftswälder weiter schwächen. Wir werden uns deshalb auf wachsende Probleme mit dem Fichtenborkenkäfer einstellen müssen“, so Jörg Müller, Professor am Lehrstuhl für Zoologie III der JMU und stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald.

Zunehmend trockene und heiße Sommer bedeuten vor allem für Fichten enormen Stress. Ihre ursprüngliche Heimat hat die Baumart in den Bergen; in niederen Lagen kommen Fichten natürlicherweise nicht vor. Erst der Mensch hat sie aus wirtschaftlichen Gründen im großen Stil dort angepflanzt. Fichten sind wenig widerstandsfähig gegen Hitze und Dürre. Eine lang anhaltende Wasserknappheit schwächt ihre Abwehr gegen den Borkenkäfer – chemische Stoffe, die den Käfern nicht gut bekommen, und eine verstärkte Harzabsonderung, wodurch die Käfergänge verstopfen.

Faktoren, die die Populationsgröße von Insekten wie dem Borkenkäfer beeinflussen können, gibt es jede Menge: Natürliche Feinde, Krankheitserreger, die Konkurrenz innerhalb der eigenen Art sowie mit anderen Arten, Landschaftsstrukturen, der Baumbestand, die Widerstandsfähigkeit der bevorzugten Wirtsbäume, Temperatur, Niederschlag. Welche Rolle diese im Einzelnen für die Populationsdynamik von Waldinsekten spielen, sei weitgehend unbekannt, so Jörg Müller.

Als Reaktion auf diesen Mangel an Wissen schlagen die Autoren vor, die weltweit vorhandenen Daten zu bündeln, Wissenslücken zur Populationsdynamik des Fichtenborkenkäfers und anderer Waldinsekten zu identifizieren und auf dieser Grundlage zentrale offene Fragen zum Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren durch neue Datenerhebungen zu beantworten. Die Zusammenhänge, die sich aus den Ergebnissen ableiten lassen, sollen in einem zweiten Schritt mit experimentellen Feldstudien getestet werden, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Ohne Unterstützung geht es nicht

Ohne Unterstützung durch forstwirtschaftliche und staatliche Akteure sowie Geldgeber geht dies nach Ansicht der Wissenschaftler nicht. Diese Unterstützung sei notwendig, um das ehrgeizige Ziel zu erreichen: die Entwicklung der Populationen von Borkenkäfern und anderen Waldinsekten besser zu verstehen. Der jetzt vorgelegte Ansatz könne dazu beitragen, ein effizientes Management des Schädlingsbefalls in die Wege zu leiten.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

Die News der letzten 7 Tage 8 Meldungen






warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte