Alpha-Männchen-Übernahme: Schimpansen verwenden neue Geste



Bio-News vom 28.06.2018

Um effektiv miteinander zu kommunizieren, kombinieren nicht-menschliche Primaten – ähnlich wie der Mensch – Gestik, Mimik und Lautäußerungen. Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie untersuchten nun eine Geste, das “Blattzerreißen”, bei dem Schimpansen trockene Blätter zerbröseln. Sie beobachteten dieses Verhalten nach fast zwei Jahren Pause erstmals wieder, als in einer Schimpansengruppe im Taï-Nationalpark, Elfenbeinküste, gerade ein neues Alpha-Männchen die Führung übernahm. Interessanterweise wird das Blattzerreißen nur von erwachsenen Männchen praktiziert und folgt unmittelbar auf einen lauten Ruf, der sich akustisch von anderen, ähnlichen Rufen unterscheidet.

"Das Blattzerreißen ist ein besonderes Verhalten und ein seltenes Beispiel für den Werkzeuggebrauch in einem kommunikativen Kontext. Wir vermuten, dass es sich dabei um ein kulturelles Verhalten handelt, dessen Bedeutung sich in verschiedenen Schimpansengruppen unterscheidet", erklärt Ammie Kalan, die Erstautorin der Studie. Da das Blattzerreißen relativ selten vorkommt, ist nur wenig darüber bekannt. "Ursprünglich hatten wir nur drei Männchen beim Blattzerreißen beobachtet, wissen aber inzwischen, dass alle erwachsenen Schimpansenmännchen der Südgruppe im Taï-Wald diese Geste anwenden", erklärt Kalan.

In dieser Studie untersuchen die Forscher erstmals den Zusammenhang zwischen der Geste selbst und akustischen Veränderungen in dem lauten Ruf, den Schimpansenmännchen im Anschluss an das Blattknipsen ausstoßen. Darüber hinaus handelt es sich auch um die einzige Studie, die demonstriert, wie hochgradig komplex Schimpansenkommunikation ist. Die Autoren unternahmen umfangreiche akustische Analysen der Rufe und beobachteten die Tiere beim Blattzerreißen. So konnten sie nachweisen, dass sich die Rufe, die der Geste folgten, akustisch deutlich von anderen, ähnlichen Rufen unterschieden: sie waren länger, bestanden aus mehr Einzelrufen und Baumwurzelschlägen, und sie hatten niedrigere Frequenzen. Während der Alpha-Übernahme kam es auch bei anderen lauten Rufen zu Variationen; doch die akustischen Veränderungen unterschieden sich von denen, die bei den auf das Blattzerreißen folgenden Rufen beobachtet wurden.


Taï-Nationalpark, Elfenbeinküste: Schimpansenmännchen der Südgruppe beim "Blattzerreißen", einer Geste, der ein lauter Ruf folgt.

Publikation:


Ammie Kalan and Christophe Boesch
Re-emergence of the leaf clip gesture during an alpha takeover affects variation in male chimpanzee loud calls
PeerJ 6:e5079

DOI: 10.7717/peerj.5079



"Wir können uns nicht sicher sein, welche Mechanismen hier im Spiel sind, da das Blattzerreißen nicht zur selben Zeit wie der laute Ruf stattfindet, sondern unmittelbar davor", erklärt Kalan. "Wir denken aber, dass das Verhalten in dieser Schimpansengruppe erneut aufgetreten sein könnte, als die Männchen der Gruppe sich in einer außergewöhnlichen Konkurrenzsituation zueinander befanden, die mit erhöhter Erregung und Aggressivität einherging."

Die Autoren weisen in ihrem Artikel auch darauf hin, dass die Schimpansenmännchen in dieser Zeit der Hierarchie-Instabilität sozial frustriert und gestresst schienen. Das gestische Zerreißen von Blättern könnte dazu beigetragen haben, diesen Effekt abzumildern. "Oft gehen die lauten Rufe der männlichen Taï-Schimpansen mit dem Trommeln auf Baumwurzeln und Baumstämme einher und sind wichtige Bestandteile männlichen Dominanzverhaltens. So demonstrieren die Tiere Stimmgewalt und Körperstärke und senden damit möglicherweise wichtige Signale aus, die der Regulierung des Wettbewerbs zwischen Männchen während einer Hierarchie-Instabilität dienen. So ist es im Nachhinein auch nicht verwunderlich, dass das Blattzerreißen genau zu diesem Zeitpunkt wieder in der Gruppe auftauchte", erklärt Kalan.

Dieses Phänomen sollte, so die Autoren, auch in anderen Schimpansengruppen weiter untersucht werden, um herausfinden, welche Mechanismen dem Verhalten zugrunde liegen könnten. "Diese Studie erweitert unser Verständnis der komplexen und vielschichtigen Natur der Kommunikation freilebender Schimpansen. Das ist insbesondere der Fall, wenn man bedenkt, dass die Kombination von Signalen, wie Gesten und Lauten, auf dem Weg zu mehr kommunikativer Flexibilität ein wichtiges Werkzeug ist", sagt Kalan.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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