Pliopithecus (Pliopithecidae)



Pliopithecus ist eine Primatengattung innerhalb der Familie Pliopithecidae, deren 8 Mitglieder ab dem frühen Neogen (Miozän) im Burdigalium lebten, das vor ungefähr 20,4 Millionen Jahren begann und bis vor 16 Millionen Jahren andauerte. Viele Überreste wurden in Frankreich gefunden.

Pliopithecus ist der Gattungsname einer Reihe von Primatenarten, die im frühen Miozän in Eurasien verbreiten waren.

Pliopithecus ist der älteste und primitivste aller fossilen Pimaten aus Europa. Er hat die Größe eines Gibbons und die Fundorte deuten auf einen Zeitraum hin, der den größten Teil des frühen Miozäns umfasst (Ginsburg, 1986). Eine eng verwandte Gattung namens Crouzelia (Ginsburg & Mein, 1980) lebte etwa zur gleichen Zeit und wird heute unter dem Namen Plesiopliopithecus klassifizert.

Fundorte

Zähne

Die Zähne von Pliopithecus sind im Vergleich zu den eurasischen Menschenaffen (Hominoidea) sehr primitiv. Die vordere Zahnreihe hat breite obere mittlere Schneidezähne, die hinteren oberen Schneidezähne sind kleiner, die unteren Schneidezähne sind groß und schmal. Die oberen Backenzähne sind breit und haben ein großes linguales Cingulum. Die unteren Backenzähne, einschließlich des hinteren Prämolaren, haben in der Regel eine lange und schmale Kaufläche sowie ein prominentes bukkales Cingulum. Die Eckzähne zeigen einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus und sind bei einigen Individuen lang und dolchartig, bei anderen kurz. Die unteren vorderen Prämolaren sind ähnlich variabel - bei einigen Individuen (Männchen?) schmal und sektoriell, bei anderen Individuen breit (Weibchen?). Alle Zähne zeigen eine außergewöhnliche Entwicklung der Scherkämme, was darauf hinweist, dass sich Pliopithecus von Blättern ernährte.

Steckbrief
Die Welt zur Zeit von Pliopithecus
Landmassenverteilung im Miozän
Ernährung/Lebensraum
Basierend auf den Fossilien glaubt man, dass die Primatengattung Pliopithecus Allesfresser (omnivor) waren. Ihr Leben verbrachen die Tiere vermutlich in den Bäumen (arboreal), wo sie auch ihre Nahrung fanden.
* Daten nach Ginsburg, 1964
Geographie, Epoche
Lebte im:
System: Neogen
Serie: Miozän
Stufe: Burdigalium
Verbreitung:
Westeuropa
Frankreich
Physiologie
Gewicht: ?
Schwestertaxa

Der Schädel

Teile des Schädels und ein großer Teil des Skeletts von mehreren Individuen von Pliopithecus vindobonensis sind in einer geologischen Spaltenfüllung bei Neudorf an der Marche (Slowakei) gefunden worden. Der Unterkiefer ist flach mit einem breiten aufsteigenden Ast, ähnlich wie bei heutigen Gibbons. Auch der Schädel ähnelt im Großen und Ganzen einem heutigen Gibbon, ist aber in vielen Details primitiver. Das Gesicht hat eine kurze, schmale Schnauze. Die Interorbitalregion ist sehr breit und die Orbita sind groß und rund. Der Bereich des Jochbeins ist relativ grazil. Das Stirnbein ist hoch und abgerundet, was auf ein relativ großes Gehirn hinweist. Hinten konvergieren bei einigen Individuen die Suturae lambdoidea (Knochennähte) zu einem Saggitalkamm. Die Struktur der Ohr-Region ist gewissermaßen ein Mittelding zwischen Aegyptopithecus und modernen Catarrhini (und Proconsul). Die Pars tympanica bildet zwar einen Ring an der seitlichen Oberfläche der Gehörbulla, jedoch keine vollständige Röhre, wie bei heute lebenden Catarrhini. Die untere Hälfte der Röhre ist nicht verknöchert, was auf einen primitiveren morphologischen Zustand als bei Menschenaffen oder cercopithecoiden Affen der Alten Welt hinweist.

Das Skelett

Das Skelett von Pliopithecus ähnelt sehr stark den größeren Neuweltaffen wie Ateles (Klammeraffen) und Lagothrix (Wollaffen). Der Intermembral-Index beträgt 94. Sowohl die Arme als auch die Beine zeigen Anpassungen in ihren Gelenkflächen, die charakteristisch für suspensorische (nach unten hängende) Primaten sind. Wie den Propliopitheciden aus der Fayum fehlen Pliopithecus die charakteristischen Skelettmerkmale heutiger Menschenaffen oder cercopithecoider Affen. So zeigt sein Skelett viele primitive Merkmale wie z. B. ein entepicondylares Foramen auf dem Oberarm, einen langen Processus styloideus ulnare und einen Prähallux im Fuß. Aus den verfügbaren Skelettelementen ist nicht klar ersichtlich, ob Pliopithecus einen Schwanz hatte oder nicht. Ankel (1965) hat gezeigt, dass der Canalis vertebralis (Wirbelkanal oder Rückenmarkskanal) die Proportionen eines Affen mit einem kleinen Schwanz hat, aber die Form und Entwicklung des Os sacrum (Kreuzbein) ist am ehesten vergleichbar mit dem der schwanzlosen Menschenaffen. Pliopithecus war ein vierbeiniger Baumbewohner, der wohl zuweilen auch im Geäst hängen konnte, wie die größeren Neuweltaffen (Platyrrhini).

Wenn sich Gibbons aus Pliopitheciden entwickelten, dann sind die anatomischen Merkmale, wie sie heute lebende Hominoiden und Affen der Alten Welt teilen - z.B. ein röhrenförmiger Gehörgang und das Fehlen des entepicondylaren Foramen des Oberarms - das Ergebnis einer parallelen Evolution anstatt einer Vererbung durch einen gemeinsamen Vorfahren. Gleichzeitig teilt Pliopithecus keine eindeutigen Merkmale mit heutigen Kleinen Menschenaffen (Gibbons), die nicht auch bei mehreren anderen miozänen oder oligozänen Anthropoidea beobachtet würden. Wie der früh-oligozäne Aegyptopithecus scheint der mittel-miozäne Pliopithecus kein voll entwickelter Catarrhine gewesen zu sein und er ist primitiver als Proconsul aus dem frühen Miozän. Pliopithecus scheint ein spätes Mitglied jener frühen Auffächerung der Catarrhini zu sein, die auch durch die Fayum-Primaten repräsentiert wird. Die Arten der Gattung Pliopithecus werden daher in der Regel in einer eigenen Familie zusammengefasst, die man Pliopithecidae nennt.


Pliopithecus platyodon


Pliopithecus priensis

Pliopithecus vindobonensis

In der Paleobiology Database gibts zu Pliopithecus vindobonensis folgenden Eintrag:
Sammlung Kommentar zum Fundort Epoche, Alter Kommentar zur Sammlung
Zapfe's fissures Neudorf-Spalte, Stockerau limestone quarry, Devínska Nová Ves [= Neudorf a. d. March]
Kommentar z. Stratigraphie
MN 6 biozone (Astaracian, the uppermost part of the Badenian)

Pliopithecus zhanxiangi

In der Paleobiology Database gibts zu Pliopithecus zhanxiangi folgenden Eintrag:
Sammlung Kommentar zum Fundort Epoche, Alter Kommentar zur Sammlung
Tong Xin 'Dragon Bones' collection, Ningxia Tongxin
Kommentar z. Stratigraphie Kommentar z. Taxonomie
Middle Miocene (originally though to be Late Miocene by Chiu et al. (1979)), Tunggurian, Astaracian, MN6. Fauna very similar to Belometchetskaya in former Soviet Union, thought to be MN5/6. Specimens identified to family had not been published before Qiu (1990) was written. Small mammals are present but are not described.

Systematik


Literatur

L. Ginsburg 1964, Les mammiferes fossiles recoltes a Sansan au cours du XIXe siecle. Bulletin de la Societe geologique de France. 5:1, p. 3 - 15
K. Heissig 1989, Neue Ergebnisse zur Stratigraphie der mittleren Serie der Oberen Süßwassermolasse Bayerns (New results on the stratigraphy of the middle series of upper Freshwater Molasse, Bavaria). Geologica Bavarica. 94:1, p. 239 - 257
K. Kowalski 1990, Stratigraphy of Neogene mammals in Poland. In E.H. Lindsay, V. Fahlbusch and P. Mein, eds., European Neogene Mammal Chronology, Plenum Press, New York. :1, p. 193 - 209
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Th. Bollinger, E. Delson, J. Guan 1992, Kleinsäugerstratigraphie in der miozänen Hörnlischüttung (Ostschweiz); (Biostratigraphy of small mammals in the Hörnlischüttung of Miocene age (East Switzerland)). Documenta naturae. 75:5, p. 1 - 296
T. Mors, F. Hocht, B. Wutzler 2000, Die erst Wirbeltierfauna aus der miozanen Braunkohle der Niederrheinischen Bucht (Ville-Schichten, Tagebau Hambach) [The first vertebrate fauna from the Miocene Ville Series of the Lower Rhine Embayment (Hambach open cast mine, western Germany)]. Paläontologische Zeitschrift. 74:1/2, p. 145 - 170
M. Sabol, P. Holec, B. Wutzler 2002, Temporal and spatial distribution of Miocene mammals in the western Carpatians (Slovakia). Geologica Carpathica. 53:4, p. 269 - 279
M. Augé, L. Ginsburg, F. L. de Broin, M. Makinsky, C. Mourer, D. Poiut, S. Sen 2002, Les vertébrés du Miocène moyen de Contres (Loir-et-Cher, France). Revue de Paléobiologie. 21:2, p. 819 - 852
C. Gagnaison, J.-C. Gagnaison, J.-P. Harmann 2009, Les fossiles de mammifères miocènes de la colletion de J.-P. Hartmann conservés dans le Musée du Savignéen. Symbioses. 23:2, p. 1 - 16
C. Gagnaison, J.-C. Gagnaison, J.-P. Harmann 2017, Le site paléontologique du Grand Morier (Pont-Boutard, Indre-et-Loire, France): contexte géologique et détail biostratigraphique des formations cénozoïques à partir des assemblages de vertébrés fossiles. Geodiversitas. 39:2, p. 251 - 271, DOI: 10.5252/g2017n2a5