Sequoiafarm Kaldenkirchen


Eingangsbereich der Sequoiafarm
60-jähriger Riesenmammutbaumbestand in der Versuchsanlage der Sequoiafarm (2010)
58-jährige Gehölzgruppe von Sequoia sempervirens im Farmgelände (2010)
Riesenmammutbäume in der Sequoiafarm

Die Sequoiafarm Kaldenkirchen ist ein 35.635 Quadratmeter[1] großes Arboretum mit wechselvoller Geschichte. Hier begann die erste Mammutbaum-Anzucht Europas. Das Gelände wurde einige Jahre von Universitäten und als Biologische Station genutzt. Das Arboretum mit seltenem Gehölzbestand liegt im Kaldenkirchener Grenzwald, einem zur Stadt Nettetal gehörenden Landschaftsschutzgebiet.

Geschichte

Das Zahnarzt- und Dendrologen-Ehepaar Illa und Ernst J. Martin legte 1946 nahe der niederländischen Grenze bei Kaldenkirchen auf 50 m Höhe NN einen forstbiologischen Garten an und zog 1952 dort und zusätzlich in einer nahe gelegenen 1,4 ha großen Versuchsfläche 1500 Sämlinge des Bergmammutbaums (Sequoiadendron giganteum) auf, deren Samen die beiden aus den USA erhalten hatten. Ziel war es, zu erforschen, ob dieser Baum, der vor der Eiszeit hier heimisch war, wieder in die deutsche Forstwirtschaft eingeführt werden kann.[2] [3] Neben einem Reinbestand, dessen Bäume 2011 eine Höhe von ca. 35 m erreicht hatten, gab es in einer außerhalb des Farmgeländes gelegenen Versuchsfläche einen Bestand mit natürlichen Begleitern des Bergmammutbaums, unter anderen mit Abies grandis, Abies concolor var. lowiana und Douglasien. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt und fand großes Interesse in dendrologischen Kreisen, besonders in England und in den USA.[4] In den Jahren bis 1967 gingen ca. 35.000 Bergmammutbäume an Privat- und Forstflächen. Ein Teil des Reinbestandes wurde als Testfläche für die Erstellung von Ertragstafeln von der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW (vormals: LÖLF) beobachtet und ausgewertet.[5] Da noch kaum Erfahrungen für Aussaat und Pflanzung von Sequioadendron giganteum vorlagen, wurden hier Wachstumsbedingungen erforscht: Stauende Nässe verursachte Botrytis, Beschattung ließ die Sämlinge verkümmern und das schnelle Wurzelwachstum (bis zu 50 cm in einem Jahr) ließ in den Pflanzgefäßen Spiralwurzeln entstehen, welche die Kernwurzel abwürgten.[6]

Weitere Versuche wurden von den beiden Dendrologen mit der Anzucht des Küstenmammutbaums (Sequoia sempervirens), des Urweltmammutbaums (Metasequoia glyptostroboides) sowie zahlreicher Scheinbuchen- und Kiefern-Arten gemacht. Aus dem Küstenmammutbaum-Saatgut des hoch gelegenen nordkalifornischen „Schenck-Grove“ erfolgte eine relativ frosttolerante Selektion.[7] Mehr als 13.000 Stück wurden zu Versuchszwecken an Forstämter, Wissenschaftler, Baumschulen usw. abgegeben. 1953 wurde ein Sequoia-sempervirens-Hain angelegt; die Bäume erreichten 2011 eine Höhe von mehr als 35 Metern. Diese stehen in einem Mischbestand mit Cryptomeria japonica. Diese Baumgruppe gehört heute neben dem größeren Sequoia-sempervirens-Vorkommen im Staatsforst Burgholz zu den wichtigen Küstenmammutbaum-Beständen nördlich der Alpen. Aus der Martin-Selektion entwickelten sich zwei Kultivare: die Sorten Sequoia sempervirens 'Martin' und Sequoia sempervirens 'Les Barres' (letztere entstand im gleichnamigen französischen Nationalarboretum aus Stecklingsnachkommen eines Martin-Baums des Botanischen Gartens Mönchengladbach und gilt als frosthärteste Form).[8]

Besucher an der Urweltmammutbaum-Allee

Nutzung

Im Laufe der Jahre wurde der Park – inzwischen als Sequoiafarm bekannt – ständig erweitert, so dass sich dieser zu einem inzwischen vielfach beachteten Arboretum entwickelte, das um 1967 mehr als 600 Gehölzarten mit einer abwechslungsreichen Bodenflora aufwies und zu einer Sehenswürdigkeit des Naturparks Maas-Schwalm-Nette wurde. Da das Gelände lange vernachlässigt worden war, sind heute nur noch etwa 300 Gehölzarten erhalten.

Nach dem Tod von Ernst J. Martin übernahm 1970 das Land NRW die Anlage. Die Pädagogische Hochschule Rheinland nutzte sie zunächst zu Studienzwecken, später wurde sie wissenschaftlich als Biologische Station [9] von der Universität Köln betreut. Von 1987 bis 2007 hatte die Essener Universität Nutzungsrechte.[10] Die Sequoiafarm wurde 1988 von den Stadtwerken Nettetal übernommen[11], die 2009 begannen, das Gelände wieder in Ordnung zu bringen. Der Gehölzbestand wurde katalogisiert und 2011/2012 mit einem neuen Beschilderungssystem versehen. Das Arboretum kann seit 2011 an den Tagen der Offenen Gartenpforte besichtigt werden und ist zudem Besuchsgruppen (mit Führung) nach Anmeldung zugänglich. Seit 2013 gehört das Gelände dem Verein „Sequoiafarm e.V.“[12] und ist von April bis Oktober an Sonn- und Feiertagen geöffnet.

Bestände (Auswahl)

Außer den im Text erwähnten Baumarten befinden sich im Arboretum Sequoiafarm Kaldenkirchen unter anderen

Botanischer Name Deutsche Bezeichnung Herkunftsland
Calocedrus decurrens Weihrauchzeder, Kalifornische Flusszeder Westliche USA
Magnolia hypoleuca Honoki-Magnolie, Großblatt-Magnolie Japan
Zanthoxylum piperitum Szechuanpfeffer, Japanischer Pfeffer, Anispfeffer Zentralchina
Pinus parviflora 'Glauca' Mädchen-Kiefer Japan
Gunnera manicata Mammutblatt, Riesen-Rhabarber Süden Brasiliens
Ailanthus altissima Götterbaum, Himmelsbaum China, Nordvietnam
Magnolia kobus Kobushi-Magnolie Japan
Thuja plicata Riesenlebensbaum Westen Nordamerikas

sowie eine solitär stehende Sequoia sempervirens als Zwieselbaum mit einem Brustumfang von 3,55 m in 1,30 m Höhe (2010).

Ernst J. Martin, Gründer der Sequoiafarm
Illa Martin, Mitbegründerin der Farm

Literatur

  • Volker André Bouffier, Klaus-Dietrich Gandert (Redaktion): Beiträge zur Gehölzkunde 2011. Hansmann, Hemmingen 2011, ISBN 978-3-9804283-4-7
  • Helge Breloer: Zur Erinnerung an die Sequoia-Farm in Kaldenkirchen. In: Baum-Zeitung. Nr. 1/1998. ISSN 0341-3624
  • Gregor Fellenberg: Erfassung und Charakterisierung des Gehölzbestandes der Biologischen Station Kaldenkirchen. Examensarbeit. Universität-Gesamthochschule Essen 1994
  • Michael Geller, Volker André Bouffier: Küstenmammutbäume in Deutschland – eine Bestandsaufnahme. In: Beiträge zur Gehölzkunde 2011
  • Ado Lappen: Die Sequoiafarm in Nettetal-Kaldenkirchen. In: Beiträge zur Gehölzkunde 2011, Hansmann, Hemmingen 2011, ISBN 978-3-9804283-4-7
  • Ernst J. Martin: Mammutbäume in der deutschen Forstwirtschaft? In: Die Umschau in Wissenschaft und Technik. Frankfurt 1954, ISSN 0041-6347
  • Ernst J. Martin: Sequoia – eine gehölzkundliche Betrachtung. In: Holz-Zentralblatt Nr. 83. Stuttgart 1955, ISSN 0018-3792
  • Ernst J. Martin: Die Sequoien und ihre Anzucht. In: Jahrbuch der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. Nr. 60. 1957/1958
  • Herbert Hubatsch: Von der Sequoiafarm zur Biologischen Station. In: Heimatbuch des Kreises Kempen-Krefeld, Kempen 1973
  • Hans Huth: Sequoias in Germany. In: Journal of Forest History, Band 3, Juli 1976. Durham (USA), ISSN 0094-5080

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Offene Gartenpforte 2011. Stiftung Schloss Dyck, Jüchen 2011
  2. Arthur Lange: Wissenschaft als Steckenpferd. Laienforscher – ihre Leistungen und ihre Wissenschaft. Holsten. Hamburg 1967
  3. Ernst J. Martin: Mammutbäume in der deutschen Forstwirtschaft? In: „Die Umschau in Wissenschaft und Technik“. Frankfurt 1954. ISSN 0041-6347
  4. Hans Huth: Sequoias in Germany. In: Journal of Forest History, Vol. 3, July 1976. Durham (USA), ISSN 0094-5080
  5. Herbert Hubatsch: Von der Sequoiafarm zur Biologischen Station. In: Heimatbuch des Kreises Kempen-Krefeld, Kempen 1973
  6. Ado Lappen: Die Sequoiafarm in Nettetal-Kaldenkirchen. In: Beiträge zur Gehölzkunde 2011
  7. Illa Martin: Der Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens) und seine Anzucht in Deutschland. In: Jahrbuch der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. Bd.77. S.57−104. Ulmer, Stuttgart 1987, ISBN 3-8001-8310-2
  8. Michael Geller, Volker André Bouffier: Küstenmammutbäume in Deutschland – eine Bestandsaufnahme. In: Beiträge zur Gehölzkunde 2011
  9. Herbert Hubatsch: Von der Sequoiafarm zur Biologischen Station. In: Heimatbuch des Kreises Kempen-Krefeld. Kempen 1973
  10. Manfred Krause: Mammutbaumfarm am Niederrhein wird zum Eldorado für Wissenschaftler der Essener Uni. In: WAZ vom 30. Juli 1988
  11. Ado Lappen: Die Sequoiafarm in Nettetal-Kaldenkirchen. In: Beiträge zur Gehölzkunde 2011
  12. http://sequoiafarm-kaldenkirchen.de/

Koordinaten: 51° 18′ 32,4″ N, 6° 10′ 20,1″ O

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