Herman Boerhaave


Herman Boerhaave, Gemälde von J. Chapman
Druck von 1797

Herman Boerhaave (* 31. Dezember 1668 in Voorhout bei Leiden; † 23. September 1738 in Leiden) war ein niederländischer Mediziner und Botaniker. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Boerh.“.

Leben

Herman Boerhaave wurde als Sohn des calvinistischen Pfarrers Jacob Boerhaave († 1683) und seiner Ehefrau Hagar Daelder († 1673)[1], Tochter eines amsterdamer Kaufmannes, geboren.[2] Boerhaave studierte seit 1682 Theologie und morgenländische Sprachen, dann Mathematik und seit 1690 Medizin. 1693 promovierte er in Medizin an der Universität Harderwijk. 1701 wurde er Lektor und Repetent, 1709 Professor der Medizin und Botanik zu Leiden. Während seiner Zeit wurde die medizinische Fakultät der Universität Leiden zum Anziehungspunkt für alle Medizinstudenten. Im Jahr 1714 erhielt er die klinische Professur und die Aufsicht über das Krankenhaus, 1718 auch den Lehrstuhl der Chemie. Beim Antritt des Rektorats, welches ihm ebenfalls 1714 übertragen wurde, hielt er die Rede De comparando certo in physicis, die zu den vorzüglichsten seiner Vorträge gezählt wurde.

1706 beschäftigte er sich mit der Anlage von Gewächshäusern im Leidener Pflanzengarten und bestimmte, unter welchem Winkel die Glasdächer unter jedem Breitengrad gegen den Horizont geneigt sein müssen, um möglichst viel Sonnenstrahlen aufzufangen.

Herman Boerhaaves Haus in Oegstgeest, das er 1724 erwarb.

1729 gab er seine Professur der Botanik und Chemie auf und behielt lediglich die praktische Lehrstelle. Im Jahr 1736 hielt er bei Niederlegung des zum zweiten Mal verwalteten Rektorats die denkwürdige Rede De honore medici, servitute, worin er als die höchste Ehre des Arztes bezeichnet, Diener der Natur zu sein.

Aufgrund seiner außerordentlichen Verdienste um die Arzneiwissenschaften war er europaweit berühmt; aus allen Ländern kam man und suchte seinen Rat.

Boerhaave suchte mit großer wissenschaftlicher Überlegenheit alle Resultate der Naturwissenschaften zum Besten der Medizin zu verwerten, legte hierbei auf die mechanischen Entdeckungen großen Wert und findet in der Faser den allgemeinen Organbestandteil, der durch seine Spannung und Erschlaffung die meisten Krankheitszustände verursacht.

Die wichtigsten seiner Schriften sind die Institutiones medicae in usum annuae exercitationis (Leiden 1708, zuletzt Wien 1775), in die meisten lebenden Sprachen übersetzt, und die Aphorismi de cognoscendis et curandis morbis (Leiden 1709 und öfter). Das erstere dieser Werke ist ein systematischer Abriss der theoretischen Lehrsätze in der Medizin, in den Aphorismen hingegen beschreibt Boerhaave die Grundlagen der praktischen Medizin, wobei er von einer höchst genialen Klassifikation der Krankheiten ausgeht. Diesen beiden Werken schließen sich seine Elementa chemiae (Paris 1724 und öfter, 2 Bände) an, die sich durch die Genauigkeit der Versuche auszeichnen.

Boerhaave hatte einige ausgezeichnete Schüler, etwa Albrecht von Haller (1708–1777) und Gerard van Swieten (1700–1772). Letzterer wirkte als Interpret der Institutiones und der Aphorismi. Julien Offray de La Mettrie (1709-1751) übersetzte zahlreiche Schriften Boerhaaves ins Französische, versah sie mit Kommentaren und trug dadurch zur Verbreitung seiner Lehren in Europa bei. Zwei seiner Schüler, van Swieten und Anton de Haen (1704–1776), begründeten die sogenannte Wiener Medizinische Schule, deren Schüler auch Franz Anton Mesmer war. Mit seinem Schüler Albrecht von Haller verband Hermann Boerhaave Mechanik, Chemie und die unmittelbare klinische Betrachtung miteinander und legte damit den Grundstein für die moderne Physiologie.

Herman Boerhaave auf einem um 1722 entstandenen Gemälde von Arent de Gelder

Das Boerhaave-Syndrom, welches nach ihm benannt wurde, bezeichnet die Ruptur der Speiseröhre bei heftigem Würgen, Husten oder Erbrechen. Boerhaave soll selbst gern an ausschweifenden Essgelagen teilgenommen haben. Als dabei einmal einem Freund die Speiseröhre riss und dieser anschließend verstarb, wurde er kurz nach seinem Tod durch Boerhaave obduziert. Dieser erkannte die Todesursache und gab ihr seinen Namen.

Das Kupferoxydammoniak wurde unter dem Namen Flüchtige Kupferoxydtinctur (Tinctura veneris volatilis) von ihm als Arzneimittel eingeführt. Diese Tinktur befindet sich heute nicht mehr im Gebrauch.

Ehrungen

Carl von Linné benannte ihm zu Ehren die Gattung Boerhavia aus der Pflanzenfamilie der Wunderblumengewächse (Nyctaginaceae).[3]

Im Jahr 1864 wurde in Wien Landstraße (3. Bezirk) die Boerhaavegasse nach ihm benannt.

Die Stadt Leiden hat ihm in der Peterskirche ein Denkmal errichtet, auf welchem man seinen Lieblingsspruch liest: Simplex sigillum veri (Das Einfache ist das Siegel des Wahren).

Ihm zu Ehren wurde seine Büste in der Walhalla aufgestellt.

Schriften (Auswahl)

  • Institutiones medicae. Leiden 1708.
  • Index plantarum, quae in Horto Academico Lugduno Batavo reperiuntur. Leiden 1710 (online)
  • Aphorismi de cognoscendis et curandis morbis. Leiden 1709.
  • Index Alter Plantarum Quae In Horto Academico Lugduno-Batavo Aluntur. 1. Auflage, Leiden 1720 (online).
    • Index alter plantarum quae in Horto Academico Lugduno-Batavo Aluntur. 2. Auflage, Leiden 1727 (Teil 1, Teil 2).
  • Elementa chemiae. Paris 1724.
  • Hermanni Boerhaave Institutiones et experimenta chemiae. Paris 1724 (Teil 1, Teil 2).
  • Botanicon parisiense. 1727 (online).
  • Institutiones medicae in usus annuae exercitationis domesticos digestae. Editio Leydensis sexta prioribus longe auctior, Verbeek & Haak, Leiden 1746 (online).

Literatur

  • [William Burton]: An account of the life and writings of Herman Boerhaave. Henry Lintot, London 1743 (online).
  • Samuel Johnson: Boerhaave. In: Arthur Murphy (Hrsg.): The Works of Samuel Johnson, L.L. D. George Dearborn, New York 1834, S. 307–314 (online, Volltext).
  • Wolfram Kaiser, Christine Beierlein (Hrsg.): In memoriam Hermann Boerhaave (1668–1738). Halle an der Saale 1969.
  • Jacob Lodewijk Kesteloot: Lofrede op Herman Boerhaave. D. du Mortier, Leiden 1825 (online).
  • Rina Knoeff: Herman Boerhaave (1668–1738). Calvinist chemist and physician. Amsterdam 2002, ISBN 9069843420.
  • Gerrit Arie Lindeboom: Bibliographia Boerhaaviana. List of Publications Written Or Provided By H. Boerhaave Or Based Upon His Works and Teaching . E. J. Brill, Leiden 1959.
  • Gerrit Arie Lindeboom (Hrsg.): Boerhaave's correspondence. 3 Bände, E.J. Brill, Leiden 1962–1979.
  • Gerrit Arie Lindeboom: Herman Boerhaave. The Man and his Work. Methuen, London 1968.
    • 2. Auflage, With an updated Bibliography and an Improved Edition of Lindeboom’s Bibliographia Boerhaaviana by M. J. Van Lieburg, Erasmus Publishing, Rotterdam 2007.

Einzelnachweise

  1. Genealogie Ehefrau
  2. Biografie (englisch)
  3. Carl von Linné: Critica Botanica. Leiden 1737, S. 92.

Weblinks

Commons: Herman Boerhaave – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Meyers Konversationslexikons logo.svg Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890.
Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn du den Artikel so weit überarbeitet hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt, dies mit Quellen belegt ist und er den heutigen sprachlichen Anforderungen genügt.

Die News der letzten Tage