Enterisches Nervensystem

Das Enterische Nervensystem (kurz ENS, enterisch von altgriechisch το ἔντερον (enteron) für Darm; auch Darmnervensystem, Eingeweidenervensystem oder intramurales Nervensystem)[1] ist ein Teil des Nervensystems. Es besteht aus einem komplexen Geflecht von Nervenzellen (Neuronen), das nahezu den gesamten Magen-Darm-Trakt durchzieht. Es besitzt beim Menschen vier- bis fünfmal mehr Neuronen als das Rückenmark (etwa 100 Millionen Nervenzellen). Dieses eigenständige Nervensystem befindet sich als dünne Schicht zwischen den Verdauungsmuskeln im Unterleib des Menschen. Seine Aufgabe ist z. B. die Verdauung zu steuern. Es kann vollständig autonom arbeiten, unterliegt aber den Einflüssen von Sympathikus und Parasympathikus, um mit dem Gesamtorganismus zu harmonisieren. Innerhalb des ENS findet man als Neurotransmitter z. B. Serotonin und Dopamin.[2][3]

Das ENS hat einen starken Einfluss auf den Verdauungsprozess. Es reguliert unter anderem:

  • die Darmmotilität
  • den mit Sekretion und Absorption verbundenen Ionentransport
  • den gastrointestinalen Blutfluss
  • die immunulogischen Funktionen des Gastrointestinaltraktes.

Die Hauptkomponenten des ENS sind zwei Nervengeflechte, die in die Darmwand eingebettet sind:

Daneben gibt es noch weitere kleinere Plexus des ENS direkt unterhalb der Tunica serosa, innerhalb der Ringmuskulatur und in der Mukosa selbst. Zudem gibt es neben den Neuronen im eigentlichen Sinne die interstitiellen Zellen von Cajal (Cajal'sche Zellen). Diese sind spezialisierte Muskelzellen, die völlig unabhängig von Neuronen Kontraktionen der unmittelbar anliegenden Muskulatur auslösen können und stellen somit eine Art Schrittmachersystem dar, das man im weitesten Sinne mit dem autonomen Schrittmachersystem des Herzens vergleichen kann.

Einige Wissenschaftler vermuten, dass dem Informationsaustausch zwischen dem enterischen Nervensystem und dem Gehirn auch eine Rolle bei den intuitiven Entscheidungen („Bauchentscheidungen“) zukommt.[4]

Erkrankungen

Eine Anlagestörung des Enterischen Nervensystems stellt das Krankheitsbild des Morbus Hirschsprung dar. Diese Erkrankung ist durch das (segmentale) Fehlen von Ganglienzellen (Aganglionose) von Plexus submucosus und Plexus myentericus charakterisiert.

Quellen

  1. Triepel, Hermann, Robert Herrlinger: Die anatomischen Namen. Ihre Ableitung und Aussprache. 26. Auflage, J.F. Bergmann, München 1962, Seiten 30 und 79.
  2. Renate Lüllmann-Rauch: Histologie. 2. Auflage, Thieme, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-129242-3.
  3. Michael Gershon: Der kluge Bauch. Die Entdeckung des zweiten Gehirns. Goldmann, München 2001, ISBN 3-442-15114-7.
  4. Hania Luczak: Neurologie: Wie der Bauch den Kopf bestimmt. In GEO 11/2000 http://www.geo.de/GEO/mensch/medizin/686.html, Abgerufen am 4. April 2010

Weblinks

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