Akromegalie


Klassifikation nach ICD-10
E22.0 Akromegalie und hypophysärer Hochwuchs
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Akromegalie (altgriechisch ἄκρος akros „äußerst“, μέγας megas „groß“) wird eine ausgeprägte Vergrößerung der Körperendglieder oder vorspringenden Teile des Körpers (Akren) bezeichnet. Hierzu zählen Hände, Füße, Kinn und Unterkiefer, Ohren, Nase und Augenbrauenwülste sowie die Geschlechtsteile.

Den Namen erhielt die Krankheit von dem Neurologen Pierre Marie, weswegen sie auch (Pierre-)Marie-Syndrom genannt wird; ein weiterer Name ist Pachyakrie.

Die Akromegalie ist eine endokrinologische Erkrankung, die durch eine Überproduktion des Wachstumshormons Somatotropin (STH) hervorgerufen wird. Von einer Million Einwohner erkranken pro Jahr ungefähr 3-4 Menschen neu (Inzidenz). In Deutschland sind ungefähr 3000-6000 Patienten von dieser Erkrankung betroffen (Prävalenz).[1]

Ursachen

Die Akromegalie wird durch die unkontrollierte Produktion des Wachstumshormons hervorgerufen. In 95 % der Fälle liegt der Akromegalie ein Wachstumshormon-produzierendes Adenom (gutartiger Tumor) des Vorderlappens der Hirnanhangsdrüse zugrunde, selten ein maligner Tumor.

Symptome

Die Symptomatik der Akromegalie wird davon geprägt, ob die Erkrankung in der Zeit vor oder nach dem Schluss der Epiphysenfugen eintritt, d.h. vor oder nach der Pubertät:

Vor Abschluss des Längenwachstums kommt es zum sogenannten Gigantismus oder hypophysären Riesenwuchs. Die normalen Körperproportionen bleiben weitgehend erhalten, d. h. der Mensch wächst dann auch weiterhin in die Länge.

Nach Verschluss der Epiphysenfugen ist ein Wachstum nur noch an den knöchernen Akren, Weichteilen wie dem Kehlkopf und inneren Organen möglich. Die Organe vergrößern sich insgesamt, Viszeromegalie genannt. Ein Beispiel hierfür stellt der Kropf dar. Die Haut gewinnt an Dicke, und der Haarwuchs wird angeregt. Unkoordinierter Überschuss der Gelenkknorpel prädisponiert zu degenerativen Gelenkerkrankungen. Die Körperproportionen wirken durch dieses Wachstum insgesamt unharmonisch und vergröbert.

Weitere Symptome entstehen durch eine Zuckerkrankheit oder zumindest verminderte Glukosetoleranz. Als belastend mag sich das allmähliche Nachlassen der Fähigkeit zu einem aktiven Sexualleben erweisen, hervorgerufen durch eine Erektionsschwäche, abgemildert durch ein gleichzeitiges Desinteresse daran. Bei Frauen kommt es selten zu einer sekundären Amenorrhoe, also einem Ausbleiben der Regelblutung, bei gleichzeitig scheinbar unmotivierter eigener Milchproduktion. 30 % der Patienten messen dauerhaft einen erhöhten Blutdruck.

Die Patienten klagen häufig über Kopfschmerzen[2] und allgemeine Abgeschlagenheit sowie Knochenschmerzen. Eine vermehrte Neigung zum Schwitzen ist nicht selten. Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Händen weisen auf ein Karpaltunnelsyndrom hin. Bis zu 64 % der Patienten mit Akromegalie findet man eine beidseitige Manifestation, die in der Regel verschwindet nach Behandlung der Akromegalie.Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „name“ ist ungültig oder zu lang.

Mehr als 90 % der Patienten hat ein Schlaf-Apnoe-Syndrom mit Schnarchen, nächtlichen Atemstillständen und kaum erholsamem Nachtschlaf. Den Betroffenen fällt die langsame Umgestaltung ihrer Physiognomie selten selbst auf, aufschlussreich aber ist der Vergleich mit zum Beispiel einem alten Passbild; ein anderer Hinweis ist eine Zunahme der Hut- oder Schuhgrößen im Erwachsenenalter.

Kieferorthopädische Konsultationen wegen einer zunehmenden Fehlstellung des Gebisses sind nicht selten.

Kommt es durch das Wachstum des Hypophysentumors infolge lokaler Druckwirkungen zu Gesichtsfeldausfällen oder anderen Hirnnervenausfällen, ist erkennbar das Stadium ernsthafter Komplikationen erreicht.

Prognose

Die Lebenserwartung von Menschen mit Akromegalie ist deutlich eingeschränkt, und die Sterblichkeit im Vergleich zum Durchschnittskollektiv um das Zwei- bis Vierfache erhöht. Dies liegt einerseits an den direkten Manifestationen der Erkrankung, andererseits aber an den Folgeerscheinungen des begleitenden Bluthochdrucks und der Zuckerkrankheit, die zu einer erhöhten Rate an Herzkreislauferkrankungen führen. Ob eine verstärkte Bereitschaft zur Entstehung von Krebserkrankungen, namentlich Darmkrebs, besteht, gilt derzeit als umstritten.

Diagnostik

Die Akromegalie verläuft schleichend, was die Diagnosestellung erschwert. Häufig werden ihre Symptome zunächst fehlgedeutet. Es wird selten ein Verdacht auf Akromegalie geäußert. So kommt es, dass die Diagnose im durchschnittlichen Mittel erst neun bis zehn Jahre nach dem Beginn der Symptome gestellt wird.[3].

Neben dem typischen klinischen Bild der Erkrankung mit der fast immer vorhandenen Vergrößerung von Händen und Füßen ist die Bestimmung der Hormonaktivität entscheidend.[2]

Sobald der Verdacht auf das Vorliegen einer Akromegalie besteht, sollte zuerst IGF-1 (insulin-like growth factor-I) bestimmt werden. Dieses Hormon eignet sich am besten sowohl als Suchtest als auch zur Beurteilung des Erfolgs nach einer durchgeführten Behandlung, da eine Akromegalie bei normalen Werten extrem selten vorliegt.

Die Bestimmung des Wachstumshormons (auch: GH = Growth Hormone = Somatotropin = Somatotropes Hormon = STH) selbst ist möglich, aber wesentlich weniger empfindlich und daher von geringer Bedeutung. Seit über 40 Jahren ist deshalb die empfindlichere Messung des Wachstumshormons nach einer Provokation mit Traubenzucker (STH-Suppressionstest beim oralen Glukosetoleranztest OGTT) in Gebrauch. Keine praktische Bedeutung hat die Bestimmung des Growth-hormone releasing factors (GHRF).

Selten tritt die Akromegalie als Teil eines genetischen Syndroms auf. Dazu gehören die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1), das McCune-Albright-Syndrom, die familiäre Akromegalie und der Carney-Komplex. Zur weiteren Diagnostik (Tumornachweis) dienen zusätzlich CT und MRT.

Therapie

Die Therapie der Wahl besteht in der chirurgischen Entfernung des Tumors der Hirnanhangsdrüse. Für die Operation stehen ein transsphenoidaler (durch die Nase und Teile der Nasennebenhöhlen) und ein transkranieller Zugang (durch die Schädeldecke) zur Verfügung.

Die alleinige medikamentöse Behandlung sollte nur einer kleinen Gruppe von Patienten vorbehalten bleiben. Nach einer Operation wird sie erforderlich, wenn das hormonproduzierende Gewebe nicht vollständig entfernt werden konnte. Mehrere Wirkstoffgruppen stehen für die medikamentöse Behandlung zur Verfügung: der Dopaminagonist Cabergolin (Cabaseril®), die Somatostatinanaloga Octreotid (Sandostatin®) und Lanreotid (Somatoline Autogel®) sowie der Wachstumshormonantagonist Pegvisomant (Somavert®). Gegebenenfalls kann bei einem großen Tumor eine medikamentöse Therapie vor einer chirurgischen Entfernung durchgeführt werden. Das Ziel einer Vorbehandlung mit den genannten Medikamenten ist, den Tumor zu verkleinern und den Allgemeinzustand der Patienten zu verbessern.

Bei großen Hormontumoren werden auch unterschiedliche Methoden der Bestrahlungstherapie mit Erfolg eingesetzt.

Einzelnachweise

  1. Homepage Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie
  2. 2,0 2,1 AACE Acromegaly Guidelines Task Force. AACE Medical Guidelines for Clinical Practice for the diagnosis and treatment of acromegaly. Endocrine Practice 2004 May-Jun;10(3):213-25. PMID 15382339
  3. Nabarro JD. Acromegaly. Review. Clin Endocrinol (Oxf). 1987;26(4):481-512. PMID 3308190

Literatur

  • Chanson P, Salenave S: Acromegaly. Orphanet J Rare Dis. 2008 Jun 25;3:17. Review. PMID 18578866

Weblinks

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