1-Fluor-2,4-dinitrobenzol

Strukturformel
Struktur von 1-Fluor-2,4-dinitrobenzol
Allgemeines
Name 1-Fluor-2,4-dinitrobenzol
Andere Namen
  • Sangers Reagenz
  • 2,4-Dinitro-1-fluorbenzol
  • Dinitrofluorbenzol
  • DNFB
Summenformel C6H3FN2O4
Kurzbeschreibung

blassgelbe Kristalle[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 70-34-8
PubChem 6264
Wikidata [[:d:Lua-Fehler in Modul:Wikidata, Zeile 865: attempt to index field 'wikibase' (a nil value)|Lua-Fehler in Modul:Wikidata, Zeile 865: attempt to index field 'wikibase' (a nil value)]]
Eigenschaften
Molare Masse 186,10 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,482 g·cm−3 (25 °C)[2]

Schmelzpunkt

25,8 °C[3]

Siedepunkt

296 °C[3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​315​‐​317​‐​319​‐​335​‐​373
P: 261​‐​280​‐​305+351+338 [2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

1-Fluor-2,4-dinitrobenzol oder Sangers Reagenz ist ein gelber kristalliner Feststoff, der für die Proteinsequenzierung verwendet wird. Die Struktur besteht aus einem Benzolring mit einem Fluor (–F) und zwei Nitrogruppen (–NO2) als Substituenten. Es gehört zu einer Stoffgruppe, bei der sich durch unterschiedliche Anordnung der Substituenten sechs Konstitutionsisomere ergeben.

Geschichte und Darstellung

1-Fluor-2,4-dinitrobenzol wurde erstmals durch Holleman und Beekman im Jahr 1904 dargestellt. Sie erhielten es durch Nitrierung von p-Fluornitrobenzol, welches sie zuvor aus p-Nitroanilin dargestellt hatten.[4] Im Jahr 1936 stellte Gottlieb eine Synthese vor, bei der 1-Chlor-2,4-dinitrobenzol in Nitrobenzol mit Kaliumfluorid (KF) umgesetzt wurde.[5]

Synthese von 1-Fluor-2,4-dinitrobenzol aus 1-Chlor-2,4-dinitrobenzol in Nitrobenzol mit Kaliumfluorid

Deutliche Verbesserungen dieser Methode stellten Cook und Saunders im Jahr 1947 vor, die auf einer deutlichen Verringerung der Kaliumfluoridmenge und der Arbeitsschritte basierten. Sie erhitzten gleichfalls 1-Chlor-2,4-dinitrobenzol mit wasserfreiem Kaliumfluorid in Nitrobenzol bei 190–195 °C. Das Produkt wurde anschließend destillativ gereinigt. Bei einer Verwendung von Natriumfluorid (NaF) anstelle des Kaliumfluorids war dagegen praktisch keine Reaktion zu beobachten.[6]

Eigenschaften

1-Fluor-2,4-dinitrobenzol ist ein gelber kristalliner Feststoff, der bei 25,8 °C schmilzt und bei 296 °C siedet.[3] Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem in der Raumgruppe P2i2i2i mit den Gitterparametern a = 621,0 pm, b = 945 pm und c = 1285 pm und vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[7]

Verwendung

Frederick Sanger

Im Jahr 1945 beschrieb Frederick Sanger die Verwendung von 1-Fluor-2,4-dinitrobenzol für die Bestimmung der N-terminalen Aminosäuren in Polypeptidketten, vor allem beim Insulin.[8] B. C. Saunders stellte ihm die Chemikalie freundlicherweise zur Verfügung, beide arbeiteten zu der Zeit an der Universität von Cambridge in England. Sangers erste Ergebnisse zeigten, dass Insulin ein kleineres Molekül war als bisher angenommen (molare Masse 12.000 g·mol−1), und dass sie aus vier Ketten bestehen (zwei enden mit Glycin und zwei enden mit Phenylalanin). Sanger setzte die Arbeit an Insulin mit Dinitrofluorbenzol in Kombination mit anderen Techniken fort, um schließlich die vollständige Sequenzierung des Insulins zu erreichen (bestehend aus nur zwei Ketten mit einer molaren Masse von 6000 g·mol−1).[9] Aufgrund dieser Arbeiten erhielt der Stoff die zusätzliche Bezeichnung Sangers Reagenz.

Nach der Erstveröffentlichung Sangers wurde die Dinitrofluorbenzol-Methode häufig für das Studium der Proteine angewendet, bis sie durch andere Reagenzien für die Terminal-Analyse abgelöst wurde (z. B. Dansylchlorid und später Aminopeptidasen und Carboxypeptidasen) sowie andere allgemeine Methoden zur Bestimmung der Sequenz (z. B. der Edman-Abbau).[9]

Endgruppenbestimmung nach Sanger: A Derivatisierung des N-Terminus mit 2,4-Dinitro-1-fluorbenzol (DNFB), B saure Totalhydrolyse des Dinitrophenyl-Peptids in ein Dinitrophenyl-Derivat der N-terminalen Aminosäure und die übrigen Aminosäuren

Einzelnachweise

  1. Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online – Version 3.19. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2011.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Datenblatt 1-Fluoro-2,4-dinitrobenzene bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  3. 3,0 3,1 3,2 CRC Handbook of Chemistry and Physics, 90. Auflage, CRC Press, Boca Raton, Florida, 2009, ISBN 978-1-4200-9084-0, Section 3, Physical Constants of Organic Compounds, p. 3-260.
  4. A. F. Holleman, J. W. Beekman, in: Rec. Trav. chim. Pays-Bas, 1904, 23, S. 240.
  5. H. B. Gottlieb: The Replacement of Chlorine by Fluorine in Organic Compounds, in: J. Am. Chem. Soc., 1936, 58 (3), S. 532–533; doi:10.1021/ja01294a502.
  6. H. G. Cook, B. C. Saunders: 1:2:4-Fluorodinitrobenzene, in: Biochem. J., 1947, 41 (4), S. 558–559; PMID 20270792; PMC 1258537 (freier Volltext).
  7. A. Wilkins, R. W. H. Small: Structure of 1-Fluoro-2,4-dinitrobenzene, in: Acta Cryst., 1991, C47, S. 220–221; doi:10.1107/S0108270190007326.
  8. F. Sanger: The Free Amino Groups of Insulin, in: Biochem. J., 1945, 39 (5), S. 507–515; PMID 16747948; PMC 1258275 (freier Volltext).
  9. 9,0 9,1 J. Fruton: Proteins, Enzymes, Genes: The Interplay of Chemistry and Biology. New Haven: Yale University Press, 1999, S. 216.

Literatur

  • T. Schaefer: "The Proton Magnetic Resonance Spectrum of 1-Fluoro-2,4-dinitrobenzene", in: Canadian Journal of Chemistry, 1961, 40 (3), S. 431–433; doi:10.1139/v62-068.
  • B. D. Nageswara Rao: "The 1H and 19F Resonance Spectra of 1-Fluoro-2,4-dinitrobenzene", in: Molecular Physics, 1964, 7 (4), S. 307–310; doi:10.1080/00268976300101071.
  • Streitwieser / Heathcock: Organische Chemie, 1. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim 1980, ISBN 3-527-25810-8, S. 996–997.
  • Albert L. Lehninger: Biochemie, 2. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim 1983, ISBN 3-527-25688-1, S. 82–83.

Weblinks

Die News der letzten Tage

22.03.2023
Neurobiologie
Wettbewerb zwischen den Gehirnhälften im Schlaf
Der Mensch ist beidseitig symmetrisch: unser Gehirn besteht aus zwei Hälften, den so genannten Hemisphären.
22.03.2023
Neurobiologie | Physiologie
Warum wir von Schokoriegeln und Co. nicht die Finger lassen können
Schokoriegel, Chips und Pommes - warum können wir sie im Supermarkt nicht einfach links liegen lassen?
22.03.2023
Biochemie | Genetik | Zytologie
Aus Perspektive eines Ingenieurs ist Biologie chaotisch und unvollkommen
Der Vorteil von Redundanz in biologischen Systemen.
21.03.2023
Paläontologie
Neue Augen bei Trilobiten entdeckt
Wissenschaftler*innen der Universitäten Köln und Edinburgh entdecken bisher übersehene Augen bei Trilobiten.
21.03.2023
Bionik, Biotechnologie und Biophysik | Bioinformatik
Molekularbiologie trifft auf Quantenphysik
Biologische Systeme sind hochkomplex: Sie werden vor allem über genregulatorische Netzwerke gesteuert, in denen Gene, Proteine und RNA auf vielfältige Art interagieren.
21.03.2023
Astrobiologie | Bionik, Biotechnologie und Biophysik
Leben auf fernen Monden
Flüssiges Wasser gehört zu den wichtigsten Bedingungen für die Entstehung von Leben, wie wir es auf der Erde kennen.
21.03.2023
Biodiversität | Ökologie
Die Fichte stirbt und andere Bäume leiden
Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2022 zeigen: Kronenverlichtungen für alle Baumarten weiterhin hoch.
21.03.2023
Genetik | Klimawandel | Physiologie | Zytologie
Modell Arabidopsis thaliana: Ein neuer Signalweg bei niedrigem Sauerstoffgehalt
Der Klimawandel führt zu einem vermehrten Auftreten von Wetterextremen: Im Fokus stehen bisher vor allem lange Dürre- und Hitzeperioden.
21.03.2023
Biodiversität | Taxonomie
Neue Arten der Riesenkrabbenspinnen beschrieben
Ein Forschungsteam aus Deutschland und aus China hat 99 neue Arten aus der Familie der Riesenkrabbenspinnen in Süd-, Ost- und Südostasien beschrieben.
20.03.2023
Biodiversität | Neobiota
Weitverbreitete Arten auf dem Vormarsch
Das menschliche Verhalten treibt den Wandel der Biodiversität und Veränderungen in der Zusammensetzung der Arten rapide voran.