Rätsel der gestreiften Gerste gelöst – Entdeckung des Variegation-regulierenden albostrians Gens



Bio-News vom 11.07.2019

Pflanzen mit grünen Blättern und Stielen sind ein natürlicher und alltäglicher Anblick. Wenn man jedoch bedenkt, dass diese Färbung durch kleine Chlorophyll-gefüllte Organelle namens Chloroplasten verursacht wird, welche in den Pflanzenzellen verteilt sind und dort dank ihrer grünen Pigmentierung Solarenergie in chemische Energie umwandeln, wird einem die Bedeutung dieser grünen Färbung erst bewusst. Aufgrund ihrer fundamentalen Rolle in der Pflanzenbiologie, werden Chloroplasten und ihre Fähigkeit, Pflanzen einzufärben schon lange intensiv erforscht.

Insbesondere genetisch beeinträchtigte Chloroplasten, welche keine oder nur noch teilweise Pigmente ausbilden, werden zur Identifizierung von Genen und zur Untersuchung der molekularen Mechanismen in Pflanzenzellen verwendet. Eine solche Pflanze, welche die Auswirkungen von mutierten Chloroplasten zeigt, ist die Albostrians-Gerste. Anstelle von grünen Blättern wachsen dieser Graspflanze grün-weiß gestreifte Blätter. Diesen Effekt nennt man Variegation.


Abbildung einer Albostrians-Gerste.

Publikation:


Li. et al.
Leaf Variegation and Impaired Chloroplast Development Caused by a Truncated CCT Domain gene in albostrians Barley
Plant Cell

DOI: 10.1105/tpc.19.00132



Obwohl Wissenschaftler die Albostrians-Mutation bereits zur Untersuchung von zellulären Wirkungsweisen verwendet haben, war das Gen, welches den Variegations-Effekt reguliert, bis vor Kurzem unbekannt. Eine Gruppe Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben hat nun zusammen mit Forschern der Humboldt Universität Berlin und der KWS LOCHOW GmbH das dem Albostrians-Phänotyp zugrundeliegende Gen, HvAST, entdeckt und treiben so neue Erkenntnisse im Bereich der Chloroplastenentwicklung voran.

Chloroplasten sind grüne, Chlorophyll-gefüllte Plastide, welche in Pflanzenzellen vorkommen. Diese Pflanzenorganellen spielen eine essenzielle Rolle für das Leben auf der Erde, da sie Photosynthese betreiben und somit die Entwicklung und das Wachstum von Pflanzen ermöglichen. Biogenese ist der Prozess, in dem Chloroplasten in Pflanzenzellen aus sogenannten Proplastiden heranreifen. Dieser Vorgang kann durch externe Faktoren, wie etwa die Temperatur, beeinflusst werden und baut stark auf die synergetische Expression von Proteinen auf, welche in der DNA des Zellkerns und der Plastiden kodiert sind. Da das Plastidengenom nur einen Bruchteil der Proteine, welche für die Chloroplasten-Biogenese benötigt werden, kodiert, liefert das Genom des Zellkerns den Großteil der Proteine. Daher führen Mutationen im Genom des Zellkerns leicht zum Bau beschädigter Chloroplasten.

Während funktionstüchtige Chloroplasten in der Natur von höchster Bedeutung sind, sind beeinträchtigte Chloroplasten von großem Wert in der Forschung. Mutanten, welche zu Fehlentwicklungen in der Färbung von Pflanzen führen, finden als genetische Werkzeuge Verwendung. So werden mit ihnen Gene identifiziert, die eine Rolle in der Chloroplasten-Biogenese spielen, und molekulare Vorgänge in Pflanzen untersucht. Insbesondere Mutationen, die zu Variegation, dem Auftreten von verschiedenfarbigen (weiß, gelb, grün) Bereichen in Pflanzen führen, sind von großem Interesse für Pflanzenforscher. Dieser Phänotyp wird durch die Anwesenheit von sowohl funktionellen als auch beeinträchtigten Chloroplasten in verschiedenen Bereichen des gleichen Pflanzengewebes verursacht. Wissenschaftler verwenden diese Eigenschaft zum Beispiel bei der Untersuchung von Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Zellorganellen oder bei der Erforschung der molekularen Mechanismen hinter der Variegation, dem Auftreten verschiedenfarbiger Zonen bei Pflanzen.

Albostrians-Gerste, mit ihren grün-weißen Streifen, ist eine bekannte Modell-Pflanze für die Erforschung der Variegation. So wurde Albostrians-Gerste in vorangegangenen Forschungsarbeiten zur Erweiterung des Feldes der Chloroplastenbiologie verwendet. Jedoch scheiterte die Aufklärung des Mechanismus, welcher zu dem albostrians-spezifischen Phänotyp der Variegation führt, bisher daran, dass das zugrundeliegende Gen unbekannt war. Wissenschaftler von verschiedenen Forschungsgruppen des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben haben nun in Kooperation mit Forschern der Humboldt Universität Berlin und der KWS LOCHOW GmbH das verantwortliche Gen identifiziert.

Das ALBOSTRIANS Gen wurde durch Positionsklonierung als das CCT-Domänen-Gen HvAST identifiziert. Die Wissenschaftler überprüften die Funktionalität des Genes doppelt, erst durch TILLING zur Identifizierung chemisch hervorgerufener Mutationen und durch die RNA-geleitete Cas9 Endonuklease vermittelte präzise Editierung des Gens. Zudem fanden sie, dass HvAST ein Homolog zum Gen AtCIA2 ist, welches einen CCT-Motiv Transkriptionsfaktor in der Pflanze Arabidopsis thaliana kodiert. Während AtCIA2 jedoch eine Rolle in der Expression von Genen aus dem Zellkern und somit eine Schlüsselrolle in der Chloroplasten-Biogenese spielt, fanden die Forscher überraschenderweise, dass das CCT-Domäne-beinhaltende Protein HvAST in Gerste in den Plastiden lokalisiert ist. Eine Lokalisierung von HvAST am Zellkern konnte bisher nicht experimentell nachgewiesen werden. Nichtsdestotrotz vermuten die Wissenschaftler, dass HvAST vermutlich eine wichtige Funktion bei der Ribosomenformation in Plastiden während der frühen embryonalen Entwicklungsphase, und somit auch für die Chloroplasten-Entwicklung hat.

„Seit den frühen 1950er Jahren untersuchen Forscher nun schon die Variationen von Pigmentierung, da dieses Phänomen Einblicke in wichtige Genfunktionen und Genregulierung gewährt, und somit in die Grundlagen der Genetik von Lebewesen. Mit dieser Studie haben wir erfolgreich eines der Schlüsselgene dieses Prozesses identifiziert“, so Prof. Dr. Nils Stein vom IPK in Gatersleben, der korrespondierende Autor des Wissenschaftlerteams. Dr. Viktor Korzun, leitender Wissenschaftler bei der KWS SAAT SE, welcher auch an der Studie beteiligt war, fährt fort: „Dieser neue Einblick in die Rolle des CCT-Domäne beinhaltenden Proteins und vor allem die Identifizierung des Gens, welches dem Albostrians-Phänotyp zugrunde liegt, kann nun durch die detaillierte Erforschung der Wirkungsweise der Gerstenmutante weiterverfolgt werden und wird sicherlich neue Forschungsprojekte im Bereich der Blatt-Variegation und Chloroplasten-Entwicklung vorantreiben.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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