Peripheres Sehen


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Peripheres Sehen ist eine Form visueller Wahrnehmung, bei der nicht die zentrale Stelle der Netzhaut (Fovea) zum Fixieren eines Objekts benutzt wird, sondern dessen Wahrnehmung durch daneben gelegene (extrafoveale) Areale erfolgt. De facto schaut demnach ein Betrachter an dem Objekt vorbei. Im Gegensatz zum fovealen Sehen, bei dem die Blicklinie des Auges exakt auf das gewünschte Objekt ausgerichtet ist, um die maximale zentrale Sehschärfe auszunutzen, liefert das periphere Sehen zwar nur grobe unscharfe und optisch verzerrte Seheindrücke außerhalb eines festen Fixationspunktes. Durch Zusammenschaltung von Sehzellen zu Gruppen, wird dafür jedoch eine Abtastfrequenz bis zu 100 pro Sekunde erreicht, anstatt nur 3 bis 4 wie beim fovealen Sehen.

Die durch peripheres Sehen wahrgenommenen Punkte entsprechen nicht dem peripheren Gesichtsfeld. Dieses wird ermittelt bei ruhiger Kopf- und Körperhaltung, sowie geradeaus gerichtetem Blick. Hingegen gestattet das periphere Sehen Augen- und Kopfbewegungen zur Hinwendung auf das gewünschte Objekt.

Das periphere Sehen ist sehr effizient für die Wahrnehmung von Bewegungen und wegen seiner vorwiegend für hell-dunkel empfindlichen Stäbchen der Netzhautperipherie auch bei äußerst geringer Helligkeit von Nutzen, z. B. beim Sehen in der Nacht. Es kann die Wahrnehmung von Farbnuancen nicht unterstützen, daher werden z. B. auffällige Verkehrssignale blinkend und/oder mit kontrastreichen Farben wie z. B. schwarz/gelb dargestellt.

Sein zeitliches Auflösungsvermögen ist in der extremen Peripherie am höchsten, was man leicht feststellen kann, wenn man das helle Bild eines älteren Röhren-Fernsehers ganz aus dem Augenwinkel betrachtet. Das Flackern ist dann sehr viel deutlicher wahrnehmbar als beim direkten Betrachten des Bildes. (Neuere Flachbildschirme eignen sich für diese Demonstration nicht, da ihre Bildwiederholrate das zeitliche Auflösungsvermögen auch in der Peripherie übersteigt.)

Das periphere Sehen liefert also einen ersten Gesamteindruck einer Situation, der – sofern er nicht sofort als gefährlich eingestuft wird – einer genaueren Analyse durch das foveale System unterzogen wird.

Obschon das periphere System mehr als 99,9 % des Gesichtsfelds abdeckt, stehen für seine Informationen nur rund 50 % des Sehnervs sowie etwa 50 % der Fläche des Sehzentrums (Visuelle Kortex) zur Verfügung. Die übrigen 50 % sind für das hochauflösende aber sehr langsame foveale System reserviert.

Die ovalen Bereiche A, B und C zeigen die Teile einer Schachsituation, die ein Schachmeister aus der Peripherie – also ohne sie direkt zu fixieren – richtig erkennt. Die Linien zeigen den Pfad der Augenfixationen während 5 Sekunden, in denen man versuchen musste, sich die Stellung der einzelnen Figuren einzuprägen. Bild aus [1] basierend auf Daten aus [2].

Anwendungsbereiche

Personen mit einem Zentralskotom, beispielsweise bei einer Makuladegeneration, nutzen häufig periphere Netzhautstellen, um Dinge, wenn auch nur sehr unscharf, zu betrachten, die sie mit zentraler Fixation nicht mehr erkennen könnten. In der Augenheilkunde wird dieses Phänomen exzentrische Einstellung genannt.

Peripheres Sehen wird in der Astronomie auch als indirektes Sehen bezeichnet und meint damit eine spezielle Beobachtungstechnik, um sehr lichtschwache Sterne und flächenhafte Objekte (Nebel) besser erkennen zu können. Dabei blickt man nicht direkt auf das Himmelsobjekt, sondern knapp daran vorbei.

Siehe auch

Quellen

  1. Hans-Werner Hunziker, (2006) Im Auge des Lesers: foveale und periphere Wahrnehmung – vom Buchstabieren zur Lesefreude, Transmedia Stäubli Verlag Zürich 2006 ISBN 978-3-7266-0068-6
  2. DE GROOT, A. : Perception and memory in chess; an experimental study of the heuristics of the professional eye. Mimeograph; Psychologisch Laboratorium Universität van Amsterdam, Seminarium September 1969

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