Georges-Louis Leclerc de Buffon


Porträt von François-Hubert Drouais (1727–1775)

Georges-Louis Marie Leclerc, Comte de Buffon (* 7. September 1707 in Montbard; † 16. April 1788 in Paris) war ein französischer Naturforscher im Zeitalter der Aufklärung. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Buffon“.

Leben

Buffon war das erste Kind von Benjamin-François Leclerc (1683–1775), dem Vorsitzenden der Salzkammer von Montbard, und dessen erster Frau Anne-Christine Marlin (1681–1731).[1] Kurz nach der Geburt ihres Sohnes erbte Anne-Christine Marlin von einem Vorfahren ein großes Vermögen. Als ihr Onkel Georges-Louis Blaisot, Steuereinnehmer des Herzogs von Savoyen, 1714 starb, erbte sie nach dem Tod der Witwe ebenfalls eine beträchtliche Summe. Dies ermöglichte ihrem Gatten 1717 den Kauf der Seigneurie von Buffon, gelegen in der Nähe von Montbard. Später kaufte er das Amt eines Gerichtsrates am Parlement von Bourgogne und verlegte den Familienwohnsitz nach Dijon. Nach dem Tod seiner Mutter heiratete sein Vater am 30. Dezember 1732 Antoinette Nadault (1709–1770).[2]

Der junge Buffon besuchte bis 1723 das Jesuitenkollegium von Dijon (Collège des Godrans) und absolvierte auf Wunsch des Vaters anschließend ein Studium der Rechtswissenschaft bis 1726. Ab 1728 studierte er in Angers Mathematik, Medizin und Botanik. Nach einem Duell musste er noch im selben Jahr fliehen.[3] Er kehrte nach Dijon zurück und befreundete sich dort mit dem jungen englischen Herzog von Kingston. Mit diesem unternahm er im November 1730 eine Bildungsreise durch Frankreich, die Schweiz und Italien, auf der er zu naturhistorischen Forschungen angeregt wurde. Später widmete er sich während eines Aufenthaltes in London dem Studium der Mathematik, Physik und Botanik. Dort wurde er durch Schriften Isaac Newtons beeinflusst, die er nach seiner Rückkehr nach Frankreich ins Französische übersetzte.[4] Als Privatgelehrter in Paris, etwa ab 1730, beschäftigte sich Buffon zunächst vorrangig mit Physik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (Buffonsches Nadelproblem), wandte sich dann aber ganz der Naturgeschichte zu. 1739 wurde er von König Ludwig XV. zum Direktor des Königlichen Botanischen Gartens, heute Jardin des Plantes, in Paris ernannt und später in den Grafenstand erhoben. Nach seiner Rückkehr – seine Mutter war 1732 verstorben, sein Vater wiederverheiratet – stellte er mit großem Unmut fest, dass sein Vater das Erbe auf die Besitzungen in Montbard für sich allein in Anspruch nahm. Obgleich die gerichtliche Auseinandersetzung für Leclerc de Buffon erfolgreich ausging, war das Verhältnis zu seinem Vater zeitlebens zerrüttet, beide sprachen kein Wort mehr mit einander.

Nachdem er dank seiner klugen und wortgewandten Abhandlungen bereits 1733 Mitglied der Académie des sciences geworden war, wurde er 1753 Mitglied der Académie française. Mit seiner Antrittsrede Discours sur le style profilierte er sich auch als Literaturtheoretiker und begründete eine eigene Stiltheorie, die den Geist des Ancien Régime treffend charakterisierte. Berühmt geworden ist der Satz Le style est l'homme même („Der Stil ist der Mensch selbst“). Dieser Satz wurde von anderen Autoren im lateinischen paraphrasiert als Stilo primus, doctrina ultimus („Zuerst kommt der Stil, dann die Lehre“ bzw. ironisch nach Jean Paul „Wohllaut statt Wahrheit“), womit sein wissenschaftlicher Habitus dem von Linné entgegengesetzt werden sollte. Die Antrittsrede gilt als eine der besten, die in der Académie jemals gehalten wurde und erschien in mehr als 60 Ausgaben[5].

Am 21. September 1752 heiratete Buffon Marie-Françoise de Saint-Belin-Malain (1732–1769). Mit ihr hatte er die Tochter Marie-Henriette (1758–1759) und den Sohn Georges Louis Marie (1764–1794).[6]

Buffons monumentale „Naturgeschichte“

Buffons Hauptwerk ist die „Allgemeine und spezielle Geschichte der Natur“ (Histoire naturelle générale et particulière), die er in Zusammenarbeit mit Louis Jean-Marie Daubenton (1716–1799) verfasste und die ursprünglich fünfzig Bände umfassen sollte. Ab 1749 bis zu seinem Tod 1788 erschienen 36 Bände. Unter Federführung des Comte de Lacépède wurden weitere acht Bände veröffentlicht. In Frankreich verschaffte das in vielen Sprachen übersetzte Werk seinem Urheber große wissenschaftliche Anerkennung und Popularität. Eine deutsche Ausgabe („Allgemeine Historie der Natur“) versehen mit einem Vorwort Albrecht von Hallers, erschien ab 1752 bei Grund und Holle in Hamburg, ab 1766 auch bei Holle in Leipzig. Eine Berliner Ausgabe besorgte Joachim Pauli ab 1771. Die Histoire naturelle war von Buffon als fortlaufende Edition jeweils einzelner Artikel und Bände herausgegeben worden, deren Zusammenstellung in den deutschen Ausgaben in der Systematik differiert. Die Hamburg/Leipziger Ausgabe hat eine andere Gliederung als die Berliner.

Das Nasehorn. Kupferstich aus Buffon, Allgemeine Historie der Natur. Holle: Leipzig 1767; Sechsten Theils erster Band, Tafel VII, S. 110 f. Die Abbildung stellt das im 18. Jahrhundert in Europa berühmt gewordene Nashorn Clara dar.
Das Flusspferd (mit anatomischen Instrumenten). Kupferstich aus Buffon: Allgemeine Historie der Natur. Holle: Leipzig 1767; Sechsten Theils zweiter Band, Tafel III, S. 30 f.

Entgegen der von seinem Zeitgenossen Carl von Linné (1707–1778) vertretenden Auffassung, dass die ganze Natur in eine Taxonomie erfasst werden kann, vertrat Buffon die Ansicht, dass die Natur zu unterschiedlich und zu reich sei, um sich einem so strengen Rahmen anzupassen.[7] Das naturwissenschaftliche Wirken Buffons basierte auf den Methoden von Beobachtung und Experiment. Er versuchte, die Entstehung der Lebewesen durch Urzeugung aus kleinsten Teilchen und ihre Entwicklung als Folge klimatischer Änderungen zu erklären, und setzte dem hierarchischen System Linnés die Idee einer evolutionären Stufenleiter entgegen. Seine Theorie stützte Buffon durch vergleichend-anatomische Studien. So erklärte er nutzlose Körperteile durch die Rückbildung ehemals nützlicher Teile eines Vorfahren. Buffon vertrat die Ansicht, dass alle Mitglieder einer Familie von Arten vom gleichen Vorfahren abstammen, von dem ausgehend sich einige vervollkommnet, andere jedoch zurückgebildet haben. Buffon sah zum Beispiel in einem Affen einen unvollständigen oder rückgebildeten Menschen.

Bedeutung

Das Meerschweinchen und dessen Gerippe. Kupferstich aus Buffon, Allgemeine Historie der Natur. Grund und Holle: Hamburg und Leipzig, 1765; Vierten Theils zweiter Band, Tafel I, S. 4 f.

Buffons Stufenleiteridee hatte einen sehr großen Einfluss auf die Naturwissenschaft seiner Zeit und wirkte bis ins 19. Jahrhundert hinein. (Die Stufenleiteridee ist eine sehr viel weiter zurückreichende – neuplatonische – Idee, die besonders durch Leibniz im 18. Jahrhundert sehr populär wurde, vgl. dazu: Arthur O. Lovejoy: Die Große Kette der Wesen.) Von großer Bedeutung ist dabei auch, dass Buffon für die stufenweise Entwicklung der Lebewesen lange Zeiträume annahm. Er teilte die Entwicklung der Erde in sieben Epochen ein. Ausgehend von der These, dass die Erde durch Zusammenstoß eines Kometen mit der Sonne entstanden sei und das erste Leben sich im Meer entwickelt habe, nahm Buffon als Alter der Erde 75.000 Jahre an. Damit wagte er es, wenn auch nicht als erster, die von den Theologen aufgrund biblischer Angaben errechnete Grenze von 6000 Jahren zu überschreiten. Buffon versuchte, dem durch seine Thesen hervorgerufenen Widerstand durch Abänderung besonders umstrittener Ansichten zu entgehen.

Seine Theorien sowie seine Methodik der Naturforschung erläuterte er ausführlich in den ersten drei Bänden seiner Histoire naturelle. Den Hauptteil des Werkes bilden Beschreibungen der einzelnen Tier- und Pflanzenarten. Hierbei wurde erstmalig auch die Skelettanatomie der Tiere dargestellt, was die Grundlagen der vergleichenden Anatomie schuf.

Buffon ist in die französische Literaturgeschichte eingegangen. Sein Discours du style und Auszüge aus der Histoire naturelle waren lange Zeit in den Lesebüchern für Gymnasien zu finden.

Ehrungen

Carl von Linné benannte ihm zu Ehren die Gattung Bufonia der Pflanzenfamilie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae).[8][9]

Auch der Mondkrater Buffon wurde nach ihm benannt.

Schriften (Auswahl)

Französische Originalausgaben

  • Histoire naturelle, générale et particulière. Imprimerie Royale, später Plassan, Paris 1749–1804, 44 Bände im Quart-Format
    • Histoire naturelle, générale et particulière, avec la description du Cabinet du Roy. 15 Bände, Imprimerie Royale, Paris 1749–1767 (von Buffon und Daubenton)
    • Histoire naturelle des oiseaux. 9 Bände, Imprimerie Royale, Paris 1770–1783 (von Buffon, Guéneau de Montbeillard und Abbé Bexon)
    • Supplément à l’Histoire naturelle. 7 Bände, Imprimerie Royale, Paris 1774–1789 (von Buffon)
    • Histoire naturelle des minéraux (et traité de l’aimant). 5 Bände, Imprimerie Royale, Paris 1783–1788 (von Buffon)
    • Histoire des quadrupèdes ovipares et des serpents. 2 Bände, Hôtel de Thou, Paris 1788–1789 (von Lacépède)
    • Histoire naturelle des poissons. 5 Bände, Plassan, Paris 1798–1803 (von Lacépède)
    • Histoire naturelle des cétacés. 1 Band, Plassan, Paris 1804 (von Lacépède)

Deutsche Übersetzungen

  • Allgemeine Historie der Natur nach allen ihren besonderen Theilen abgehandelt; nebst einer Beschreibung der Naturalienkammer Sr. Majestät des Königes von Frankreich. Mit einer Vorrede Herrn Doctor Albrecht von Haller […] Grund und Holle, Hamburg/Leipzig 1750–1774.
  • Herrn von Buffons allgemeine Naturgeschichte. Eine freye mit einigen Zusätzen vermehrte Übersetzung nach der neuesten französ. Außgabe von 1769, von F. H. W. Martini. 7 Bände, Joachim Pauli Buchhändler, Berlin 1771–1774.
  • Büffon’s sämmtliche Werke, sammt den Ergänzungen, nach der Klassifikation von G. Cuvier. Übersetzt von Heinrich J. Schaltenbrand, 9 Bände, Expedition von Büffons Naturgeschichte, Köln 1836–1840.

Moderne Ausgaben

  • Allgemeine Naturgeschichte. Modernisierter Nachdruck der siebenbändigen Berliner Ausgabe in einem Band. Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-86150-879-3.

Literatur

  • Henri Nadault de Buffon: Buffon, sa famille, ses callaborateurs et ses familiers. Mémoires par M. Humbert-Bazile, son secrétaire, mis en ordre, annotés et augmentés de documents inédits. J. Renouard, Paris 1863 (online).
  • Frank N. Egerton: A History of the Ecological Sciences, Part 24: Buffon and Environmental Influences on Animals. In: Bulletin of the Ecological Society of America. Band 88, Nummer 2, S. 146–159 (doi:10.1890/0012-9623(2007)88[146:AHOTES]2.0.CO;2).
  • Wolf Lepenies: Autoren und Wissenschaftler im 18. Jahrhundert. Linné, Buffon, Winckelmann, Georg Forster, Erasmus Darwin. München 1988, ISBN 3-446-15160-5.
  • Jacques Roger: Buffon. Un philosophe au Jardin du Roi, Paris 1989, ISBN 2-213-02265-8.

Einzelnachweise

  1. Henri Nadault de Buffon: Buffon, sa famille, ses callaborateurs et ses familiers. Mémoires par M. Humbert-Bazile, son secrétaire, mis en ordre, annotés et augmentés de documents inédits. J. Renouard, Paris 1863, S. 3 (online).
  2. Henri Nadault de Buffon: Buffon, sa famille, ses callaborateurs et ses familiers. Mémoires par M. Humbert-Bazile, son secrétaire, mis en ordre, annotés et augmentés de documents inédits. J. Renouard, Paris 1863, S. 4 (online).
  3. Jacques Roger 1989, S. 27. Mehrere Versionen sind überliefert. Ältere Biographien widersprechen sich sowohl hinsichtlich des Kontrahenten, als auch hinsichtlich der Schwere der Verletzung. In der einen Version war es ein kroatischer Offizier, in einer anderen ein Engländer. Keine dieser Versionen lässt sich laut Roger quellenmäßig erhärten.
  4. Der Londonaufenthalt des Englandbewunderers Buffon ist laut Roger, S. 48, nicht gesichert: […] son anglomanie était si notoire que la tradition rapporte, qu'il aurait séjourné un an en Angleterre. En fait, s'il eut bien le projet d'un tel voyage, il semble ne l'avoir jamais réalisé („Seine Englandbegeisterung war so gut bekannt, dass die Tradition berichtet, er habe sich ein Jahr in England aufgehalten. Wenn er tatsächlich ein derartiges Reiseprojekt hatte, so scheint er es nie verwirklicht zu haben.“)
  5. http://www.welt.de/welt_print/article1164473/Zum_Schreiben_zog_er_sich_Manschetten_an.html
  6. Henri Nadault de Buffon: Buffon, sa famille, ses callaborateurs et ses familiers. Mémoires par M. Humbert-Bazile, son secrétaire, mis en ordre, annotés et augmentés de documents inédits. J. Renouard, Paris 1863, S. 179, S. 191 (online).
  7. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. 14. Aufl., Frankfurt a.M. 1997, S. 166, ISBN 3-518-27696-4
  8. Carl von Linné: Hortus Upsaliensis. Stockholm 1748. (noch in der eigentlich korrekten Schreibweise Buffonia)
  9. Carl von Linné: Species Plantarum. Stockholm 1753, Band 1, S. 123

Weblinks

Commons: Georges-Louis Leclerc, comte de Buffon – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Georges-Louis Leclerc de Buffon – Quellen und Volltexte (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value))

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