Dehydrochlormethyltestosteron


Strukturformel
Struktur von Dehydrochlormethyltestosteron
Allgemeines
Freiname Chlordehydromethyltestosteron
Andere Namen

4-Chlor-17β-hydroxy-17α-methylandrosta- 1,4-dien-3-on (IUPAC)

Summenformel C20H27ClO2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 2446-23-3
PubChem 98521
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

A14AA10

Wirkstoffklasse

Anabolikum

Eigenschaften
Molare Masse 334,88 g·mol−1
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Dehydrochlormethyltestosteron ist ein in den 1960er Jahren im Arzneimittelwerk VEB Jenapharm in der DDR entwickeltes und unter dem Markennamen Oral-Turinabol® vertriebenes Anabolikum. Es wurde in den 1970er und 1980er Jahren staatlich organisiert in großem Umfang im DDR-Leistungssport, insbesondere in den Kraftdisziplinen wie Kugelstoßen, Diskuswerfen sowie in Sprintdisziplinen und beim Schwimmen verabreicht, oft ohne Wissen der Athleten.

Das rezeptpflichtige Medikament war in zwei Formen verfügbar, rosafarbene Tabletten mit je einem Milligramm Wirkstoff und blaue Tabletten (unter Leistungssportlern als blaue Bohnen oder blaue Blitze bekannt) mit je fünf Milligramm Wirkstoff.

Wirkstoff und Wirkung

Dehydrochlormethyltestosteron ist ein künstliches männliches Sexualhormon mit einer starken anabolen und einer relativ geringen androgenen Wirkkomponente (anabole Wirkung: 53, androgene Wirkung: 6 laut Messungen mit dem Hershberger-Test).[2] Das Medikament war ursprünglich für die Unterstützung von Heilungsprozessen nach schweren Verletzungen und Operationen entwickelt worden, u. a. wurde es bei Knochenschwund verschrieben. Es bewirkt ein schnelles Wachstum der Muskeln, was vor allem bei jungen Sportlerinnen zu hohen Leistungssteigerungen führte.

Nebenwirkungen

Überdosierungen oder Einnahmen über längere Zeit können zu schweren Leberschädigungen, erheblichem Bluthochdruck, Muskelkrämpfen und erhöhter Aggressivität führen. Mögliche Nebenwirkungen bei Frauen sind eine tiefere Stimme, Bartwuchs, Akne, eine Steigerung der Libido, Unfruchtbarkeit und Menstruationsstörungen. Bei Männern können Potenzstörungen und Prostataerkrankungen auftreten. Besonders problematisch ist die Verabreichung von Dehydrochlormethyltestosteron an Kinder, da diese sich noch in der Wachstumsphase befinden und daher leicht Wachstumsstörungen auftreten können.

Einsatz

Packung Oral-Turinabol (DDR-Museum Berlin)

1968 entschieden DDR-Sportfunktionäre, Dehydrochlormethyltestosteron Sportlern zu verabreichen. Aufgrund der Erfolge gedopter Athleten bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko kam es wenig später zum breiten Einsatz. Ab 1974 verabreichte man Dehydrochlormethyltestosteron Mädchen und Frauen in den DDR-Sport-Leistungszentren.[3] Für die Verteilung des Medikamentes wurde 1974 unter Aufsicht des Sportmedizinischen Dienstes eine geheime Arbeitsgruppe gebildet. Oral-Turinabol® wurde teilweise bereits Sportlern ab einem Alter von 13 Jahren verabreicht.

Jenapharm stellte die Produktion 1994 wegen der leberschädigenden Wirkung ein. Oral-Turinabol® ist heute jedoch wieder auf dem Schwarzmarkt erhältlich, hergestellt unter anderem in illegalen Labors in China.[4]

Circa 100 (160) durch die Einnahme von Oral-Turinabol und anderer leistungssteigernder Substanzen geschädigte ehemalige DDR-Sportler erhoben 2004 Schadenersatzansprüche gegen das Unternehmen Jenapharm, welches heute zum Bayer-Konzern gehört.[5][6]

Literatur

  • Brigitte Berendonk: Doping-Dokumente - Von der Forschung zum Betrug. Springer-Verlag, Berlin 1991, ISBN 3-540-53742-2

Einzelnachweise

  1. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  2. Brigitte Berendonk: Doping-Dokumente – Von der Forschung zum Betrug. Springer-Verlag, Berlin 1991, ISBN 3-540-53742-2, S. 80
  3. Doping mit Oral-Turinabol taz, 19. Dezember 2001, S. 3
  4. DDR-Dopingmittel auf dem Schwarzmarkt Berliner Zeitung, 17. März 2003, S. 32
  5. Jenapharm weist Ansprüche von DDR-Sportlern zurück. arge.sportgericht.de, 15. Juli 2004
  6. DDR-Dopingopfer verklagen DOSB und Firma Jenapharm auf Schadensersatz Arbeitsgemeinschaft Sportrecht des Deutschen Anwaltvereins

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