Der Schwarzköpfige Nachtaffe oder Musmuqui (Aotus nigriceps) ist ein kleiner, nachtaktiver Primat der Neotropis aus der Gruppe der Neuweltaffen (Platyrrhini).


Lebensraum

Sein Verbreitungsgebiet liegt südlich des Amazonas im westlichen Amazonasbecken und umfasst den Norden Boliviens, den Osten Perus und den Westen Brasiliens. Ihr Lebensraum sind tropische Wälder im Flachland und bergigem Gelände, wo sie die oberen Etagen des Waldes mit dichtem Baldachin (vor allem Bäume der Gattung Miconia [1]) bevorzugen.


Aussehen

Schwarzköpfige Nachtaffen (Aotus nigriceps) weisen eine Pflegekralle am vierten Zeh beider Füße auf. Mitglieder der Gattung Aotus sind die einzigen nachtaktiven Primaten Südamerikas. Die Beine der Schwarzköpfigen Nachtaffen (Aotus nigriceps) sind länger als die Arme, was für kraftvolle und sichere Sprüngen im Blätterdach sehr hilfreich ist, ansonsten bewegen sie sich vierbeinig entlang der Äste [2]. Als Anpassung an die nachtaktive Lebensweise haben sich bei den Mitgliedern der Familie Aotidae (Nachtaffen) große Augen entwickelt, es fehlt ihnen jedoch das Tapetum lucidum, was eigentlich typisch ist für andere nachtaktive Tierarten, etwa den Feuchtnasenaffen (Strepsirhini). Männchen und Weibchen sind etwa gleich schwer und erreichen ein durchschnittliches Körpergewicht von rund 1 kg [3]. Schwarzköpfige Nachtaffen werden zur Gruppe der Rotkehl-Nachtaffen gezählt in Abrenzung zu den Graukehl-Nachtaffen. In einigen Populationen ist das Fell am Hals komplett orange, in anderen Populationen nur die Seiten des Halses und das Kinn [4]. Ihre kleinen Ohren sind vollständig mit Fell bedeckt.


Nahrung

Schwarzköpfige Nachtaffen (Aotus nigriceps) sind in erster Linie Früchtefresser, ernähren sich aber auch von Blättern und Insekten, die sie während der Morgen- und Abenddämmerung und in hellen Mondnächten fangen. Dabei bewegen sie sich vierbeinig entlang der Äste und greifen die Insekten mit einer Hand aus der Luft [5]. Am besten scheinen ihnen große Insekten wie Heuschrecken, Motten, Käfer und Spinnen zu schmecken [7]. Bei ihrer Suche nach pflanzlicher Nahrung konzentrieren sie sich oft auf kleine, reife Früchte [6]. Schwarzköpfige Nachtaffen (Aotus nigriceps) verbringen ihr gesamtes Leben in den Bäumen [6].


Pflanze aus der Gattung Miconia
Pflanze der Gattung Miconia mit den großen Blättern. Hier fühlen sich Aotus nigriceps besonders wohl.

Fortpflanzung

Die Familiengruppen der Schwarzköpfigen Nachtaffen (Aotus nigriceps) umfassen 2 - 8 Affen und bestehen aus einem Elternpaar und deren Nachkommen. Es herrscht ein monogames Paarungsystem vor und die Fortpflanzungszeit in freier Wildbahn ist zwischen August und Februar, obwohl sich die verschiedenen Arten der Gattung Aotus in Gefangenschaft das ganze Jahr über fortpflanzen [6]. Paarungen finden unabhängig vom weiblichen Sexualzyklus statt und weder Männchen noch Weibchen scheinen reproduktive Signale zu geben. Weibchen bringen jährlich ein einzelnes junges zur Welt. Zwillinge sind mit 1 Geburt von 169 Geburten sehr selten. Männchen und Weibchen verlassen ihre Geburtsgruppen im Alter zwischen 26 Monaten und 5 Jahren, wobei der Durchschnitt bei 3 Jahren liegt. Geburten finden in einem Zeitintervall von 166 bis 419 Tagen statt. Die Neugeborenen wiegen zwischen 90 und 150 g und werden im Alter von 18 bis 19 Wochen entwöhnt. Junge, männlich Aotus nigriceps erreichen die Geschlechtsreife nach 2 Jahren, die Weibchen erst nach 3 bis 4 Jahren [8][9][10][11][7].

Die Männchen der Schwarzköpfigen Nachtaffen (Aotus nigriceps) übernehmen einen Großteil der Aufgaben bei der Aufzucht des Nachwuchses. Die Weibchen säugen zwar die Jungen alle 3 Stunden, vertreiben sie aber dann mit kleinen Bissen in die Füße und den Schwanz. Das gleiche Verhalten ist bei Männchen zu beobachten, wenn die Jungen entwöhnt sind und sich selbst versorgen können. Manchmal übernehmen junge Aotus nigriceps die Territorien ihrer Eltern [9][10].


Systematik


Territorialität

Schwarzköpfige Nachtaffen (Aotus nigriceps) verhalten sich äußerst territorial und verteidigen ihre Reviere mit lauten Rufen und geschlechstspezifischer Aggression, d.h. dass die Männchen in der Regel andere Männchen angreifen und die Weibchen andere Weibchen. Konfrontationen an den Reviergrenzen können zwischen 5 bis 30 Minuten dauern und sind beendet, wenn sich eine Gruppe zurückzieht. Aggression ist auch das Mittel, um Paare zu trennen, dabei dringt ein Männchen oder Weibchen in ein Territorium ein und versucht im Kampf entweder das dominierende Mänchen oder Weibchen zu vertreiben. Bei Erfolg nehmen sie den Platz des Rivalen und dessen Territorium ein. Dabei ist etwas interessantes beobachtet worden: Männliche Eindringlinge nehmen sich auch des Nachwuchses des vorherigen Paares an [8][10][7].


Schutz

Wegen ihrer weiten Verbreitung sieht die Weltnaturschutzunion (IUCN) keine größeren Gefahren, die Einfuß auf die Populationsgröße haben könnten. Allerdings warnt sie vor weiteren Zerstörungen des Lebensraums, da einige Populationen in den brasilianischen Bundesstaaten Acre und Rondônoia bereits dezimiert sind. Die Art wird derzeit als nicht gefährdet (least concern) eingestuft [12].


Literatur

[1] Nowak, 1999; [2] Fleagle, 1988; [3] Ford und Davis, 1992; [4] Hershkovitz, 1983; [5] Wright, 1989; [6] Kinzey, 1997; [7] Wright, 1985; [8] Aquino und Encarnacion, 1994; [9] Dixson, 1994; [10] Fernandez-Duque, 2005; [11] Fernandez-Duque, 2006; [12] Cornejo, F. & Palacios, E. 2008. Aotus nigriceps. In: IUCN 2010. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2010.1. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 23 March 2010.

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