Haie: Zähne wie am Fließband



Bio-News vom 21.03.2018

Zähne sind ein wesentliches Merkmal kiefertragender Wirbeltiere. Deren Entwicklung hat maßgeblich zu ihrem evolutiven Erfolg beigetragen und die große Diversität heutiger Wirbeltiere mitbegründet. Wie eine neue Studie unter der Beteiligung von Jürgen Kriwet von der Universität Wien herausgefunden hat, stellen die Zähne von Haien, die eine zusammenhängende Schneidekante haben, eine spezielle evolutionäre Anpassung dar.

Der Zahnwechsel hat große Bedeutung bei Wirbeltieren: Er ist entweder permanent und wirkt bis an das Lebensende des Tieres, wie bei den meisten Fischen, oder zeitlich stark reduziert, wie bei Säugetieren, resultierend in einem einmaligen Wechsel eines Teils der Bezahnung. Bei Tieren wie den Zahnwalen oder bei Beuteltieren fehlt die Zahnerneuerung komplett. Der Ursprung und die Entstehung von Zähnen und ihre Erneuerung durch Zahnwechsel sind aber nach wie vor nur unzureichend erforscht, da die Interpretation der einzelnen Entwicklungsstadien von Zähnen bei Fossilien schwierig ist.

"Um die Entwicklung der Zahnerneuerung in einem evolutiven Kontext zu verstehen, ist es daher wichtig, Knorpelfische, zu denen die heutigen Haie und Rochen gehören, als Modellorganismen heranzuziehen", so Kriwet. Bei ihnen nehmen Forscherinnen und Forscher an, dass sie ursprüngliche Merkmalsausprägungen und Entwicklungsmechanismen bewahrt haben. So haben sie z.B. die Möglichkeit einer ständigen Zahnerneuerung von ihren frühesten Verwandten geerbt. Die Zähne heutiger Haie sind hintereinander auf den Kiefern angeordnet und ihr Ersatz erfolgt fließbandartig, so dass ältere, funktionelle Zähne am Kieferrand stehen, während neue Zähne tief innen an den Kiefern gebildet werden. Regelmäßig angeordnete funktionelle Zähne bilden ein effektives Schneidegebiss, in dem die Zähne oftmals eng miteinander in Verbindung stehen und so eine klingenartige Schneidekante formen. Eine solche Bezahnung, die aus nur einer einzelnen Serie funktioneller Zähne am Kieferrand besteht, stellt eine besondere Anpassung an eine schneidende Ernährungsweise dar.

Eine neue Studie, an der auch Jürgen Kriwet vom Institut für Paläontologie der Universität Wien beteiligt war, zeigt, dass das alternierende Muster der Zahnerneuerung ursprünglich für Knorpelfische gilt. "Wir vermuten, dass dies möglicherweise auch das ursprüngliche Muster der Zahnerneuerung für kiefertragende Wirbeltiere insgesamt war", meint Kriwet. Die spezielle Anordnung der Zähne in eine einzige, schneidende Zahnserie entlang der Kieferränder entstand im Lauf der Evolution von Haien durch Modifizierung eines ursprünglichen alternierenden Zahnersatzmusters. Dabei werden Zähne entsprechend eines spezifischen Bildungsmusters reguliert, um gleichzeitig und räumlich gleichmäßig ersetzt zu werden und so eine einzige, durchgängige Zahnserie zum Zubeißen zu bilden. Bei anderen Haien mit ähnlichen Schneidegebissen, wie dem Mako- oder dem Weißen Hai, wird dagegen die Ausbildung einer kontinuierlichen Reihe von funktionellen Zähnen entlang der Kieferränder nicht durch zeitliche Plastizität der Zahnbildung, sondern durch den Verlust einzelner Zahnreihen im Laufe ihrer Evolution erreicht.


Mikroskopische Aufnahme des hinteren Bereiches eines Unterkiefers des Kragenhaies. Rot gefärbt sind knöcherne, blau knorpelige Anteile. Die Zähne sind in einzelne Reihen angeordnet.

Publikation:


Moya Meredith Smith, Charlie Underwood, Brett Clark, Jürgen Kriwet, Zerina Johan
Development and evolution of tooth renewal in neoselachian sharks as a model for transformation in chondrichthyan dentitions
Journal of Anotomy

DOI: 10.1111/joa.12796



Moderne Haie zeichnen sich so gegenüber anderen Knorpelfischen durch eine hohe entwicklungsbiologische Plastizität aus, die es ihnen erlaubt hat, einzelne Zahnserien durch Umgestaltung der Zahnproduktion gleichzeitig zu erneuern. Der Besitz einer einzigen funktionellen Zahnreihe entlang der Kieferränder, die eine zusammenhängende Schneidekante bilden ist daher kein ursprüngliches Muster, sondern stellt eine spezielle Anpassung dar und muss als evolutionär modern betrachtet werden.

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