Rückrufaktion


Rückrufaktionen sind aktive Maßnahmen von Unternehmen (Herstellern sowie Händlern) zur Abwendung von Personen- oder Sachschäden durch fehlerhafte Produkte. Die rechtlichen Grundlagen für Rückrufe sind in Deutschland durch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) geregelt. Auch gibt es Verordnungen der Europäischen Union, denen die Bundesrepublik Deutschland nachkommen muss.

Produktrückrufe werden meist dann eingeleitet, wenn nach Einschätzung des Herstellers durch Mängel oder Fehlfunktionen des Produktes ein über das normale Maß hinaus deutlich erhöhtes Risiko besteht, dass der Konsument/Anwender oder Dinge in dessen Umfeld zu Schaden kommen können. In die Risikobewertung fließt auch der Vergleich zu erwartender Rückrufkosten mit möglichen Schadenersatzforderungen ein. Dabei besteht immer noch die Unsicherheit, dass manche Unternehmen lieber den ein oder anderen Schaden begleichen, als bundes-/europa-/weltweit einen irreparablen Imageschaden zu erleiden, zumal es Haftpflichtversicherungen für solche Fälle gibt.

Um fehlerhafte Produkte eingrenzen zu können, ist deren Rückverfolgbarkeit in der Produktion ein immer wichtiger werdendes Erfordernis. Hierzu wird die Dokumentation innerhalb des Fertigungsablaufes beim Hersteller sowie die Kennzeichnung auch einfacher Bauteile mit einem Datumscode oder einer Chargennummerierung zunehmend ausgebaut. Insbesondere aber bei Verbrauchsgütern und nichttechnischen Gebrauchsgütern ist es nach dem Verkauf durch den Handel in der Regel nicht mehr nachvollziehbar, wohin ein Produkt verkauft wurde.

Zum Rückruf von fehlerhaften/unsicheren Produkten sind Anzeigeaktionen in den Massenmedien, insbesondere jedoch in Tageszeitungen üblich. Dabei wird meist der Umtausch im Handel, aber auch das (tlw. kostenfreie) Einsenden der mangelhaften Ware angeboten. Problematisch ist, dass Veröffentlichungen in den Medien äußerst kurzzeitig wirken und meist weniger als 20 % der betroffenen Kunden erreichen. Inzwischen befassen sich auch einige Internetportale mit der Veröffentlichung von Produktrückrufen. Die Idee ist, dem Verbraucher eine feste Anlaufstelle im Internet zu bieten, wo wesentliche Daten zu einer Rückrufaktion auch dauerhaft verfügbar sind. Insbesondere bei Produkten ohne Mindesthaltbarkeitsdatum kann diesem Service eine besondere Bedeutung zukommen.

Zunehmend ist feststellbar, dass die Bemühungen der Produzenten auf Rückholung fehlerhafte Produkte unterlaufen werden. So gibt es Verkäufer, die rückgerufene Produkte in ihrem Bestand melden, gegenüber dem Hersteller deren Vernichtung erklären und eine Gutschrift erhalten. Anschließend tauchen diese Produkte in Internetauktionen auf und werden dort meistbietend verkauft. Solche unlauteren Methoden kann man bspw. bei eBay melden, jedoch auf Grund der Vielzahl dieser Vorkommnisse können diese Angebote oftmals nicht rechtzeitig entfernt werden.

Rückrufaktionen in der Lebensmittelbranche

In der Lebensmittelindustrie sind Rückrufaktionen auch eine Maßnahme zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit. Im EU-Recht ist die Verpflichtung verankert, die gesamte Produktions- und Lieferkette sicherzustellen und somit vollständig rückverfolgen zu können. Auch hier entsteht ein Problem, sobald das Produkt den Einzelhandel verlässt. Spektakulär sind überwiegend Rückrufe von Säuglingsnahrung sowie Produkten, die mit Salmonellen verseucht sind. Auch technische Probleme in der Fertigung sind oftmals Auslöser für einen Rückruf. Beispielsweise Glassplitter in Karottensalat, Metallabrieb in Marshmallows und Natronlauge in Getränken waren bedingt durch Fehler im Produktionsprozess. Seit Oktober 2011 gibt es das bundesweite Portal Lebensmittelwarnung.de. Es wurde ins Leben gerufen, um die Warnungen aus den einzelnen Bundesländern an einer Stelle zu bündeln[1].

Rückrufaktionen in der Automobilbranche

Im Bereich der Automobile erfolgen Rückrufaktionen nach den Regeln des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes. Eine Rückrufpflicht besteht demzufolge wenn von einem Mangel eine plötzliche, unvorhersehbare, unabwendbare und unmittelbare ernste Gefahr ausgeht. Daher betrifft ein Rückruf in der Regel sicherheitsrelevante Bauteile wie Lenkung, Bremsanlage, Fahrwerk, Motor sowie Airbags und Sicherheitsgurte.

Zur Benachrichtigung der Fahrzeugbesitzer ist meist die Unterstützung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) erforderlich, da dieser Behörde der Name und die Anschrift des aktuellen Halters bekannt sind. Das KBA veröffentlicht jährlich eine Statistik der Gesamtzahl durchgeführter Rückrufe. 2010 war mit 185 Rückrufaktionen ein Rekordjahr. Zum Vergleich: im Jahr 2000 mussten die Hersteller nur 72-mal Fahrzeuge zurückrufen.[2] Die Statistik des KBA ist normalerweise nicht nach Automarken aufgeschlüsselt. Doch nach einer entsprechenden Kleinen Anfrage im Bundestag antwortete das KBA 2009 mit einer detaillierteren Übersicht der Rückrufe.[3]

Zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Rückrufen beheben einige Fahrzeughersteller Mängel kostenfrei im Rahmen der regelmäßigen Fahrzeuginspektionen in Vertragswerkstätten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „stillen“ Rückrufen.

Eine Rückrufaktion kann, wie das Beispiel Toyota zeigt, das Vertrauen des Konsumenten in den Hersteller und dessen Fahrzeuge mindern und in Extremfällen zu Absatzeinbußen führen. Die Volkswagen AG verwendet daher für die ihre Marken betreffenden Rückrufaktionen den weniger negativ besetzten, euphemistischen Begriff Produktoptimierung.

Rückrufaktionen in der Branche „Informations- und Kommunikationstechnik“

Dell und Apple haben im August 2006 defekte Lithium-Ionen-Akkus von Sony zurückgerufen. Auch im Jahr 2007 erfolgten mehrere Rückrufe von Akkus. Betroffen war neben Toshiba auch der Handy-Hersteller Nokia. Durch letzteren wurden 46 Millionen Akkus vom Typ BL-5C zurückgerufen, die von einem japanischen Unternehmen zwischen November 2005 und Dezember 2006 produziert worden waren.

Rückrufe von Spielwaren

Im Jahr 2007 ergaben sich mehrere Rückrufe von Kinderspielzeug, die immenses Aufsehen erregten. Namhafte Spielwarenhersteller bzw. -importeure und -händler wie Mattel und Toys'R'Us hatten aufgrund fehlender Qualitätssicherungsmaßnahmen damit zu kämpfen, dass in der Volksrepublik China produzierte Artikel europäische oder bundesdeutsche Normen nicht erfüllten. So kam es zum Verkauf von Artikeln, die einen zu hohen Bleigehalt in der Farbe aufwiesen, was gerade bei Kleinkindern (wo davon auszugehen ist, dass die Gegenstände Kontakt mit dem Mund haben) zu schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Bleivergiftung) führen kann. China geriet als Billiglohnland in die Kritik, aber auch in Deutschland wurde wieder eine Diskussion entfacht, dass nicht genügend Qualitätsprüfungen erfolgen würden. Auch die Weichmacher und die Verschluckbarkeit von Kleinteilen sind und waren ein Problem der Branche.

Einzelnachweise

Weblinks

Die News der letzten Tage