Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) sind tagaktive, baumlebende Primaten aus der Gruppe der Altweltaffen (Catarrhini). Ihr Lebensraum beschränkt sich auf die vietnamesischen Provinzen Quang Nam, Quang Ngai, Binh Dinh, Kon Tum und Gia Lai. Die Gesamtpopulation wird auf lediglich 550 bis 700 Individuen geschätzt, daher gelten die schönen Primaten als vom Aussterben bedroht [4].


Lebensraum

Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) leben in immergrünen und halb-immergrünen, primären und stark degradierten Wäldern. Wie die anderen Kleideraffen (Pygathrix) leben Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) weitgehend auf Bäumen [8].

Der Grauschenkel-Kleideraffe (Pygathrix cinerea) wurde im Jahr 1997 ursprünglich als Unterart des Rotschenkel-Kleideraffen (Pygathrix nemaeus) beschrieben [7], später wurde er aufgrund morphologischer Unterschiede in den Artstatus erhoben. Darüber hinaus haben genetische Untersuchungen gezeigt, dass auch hier signifikante Unterschiede bestehen [9]. Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) hybridisieren manchmal mit Rotschenkel-Kleideraffen (P. nemaeus) [4][5].


Aussehen

Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) sehen Rotschenkel-Kleideraffen (P. nemaeus) sehr ähnlich. Sie sind hellgrau mit einer blassen Unterseite. Ihre Füße und Hände sind schwarz und ihre Schienbeine sind dunkelgrau. Das Gesicht ist oben bräunlich-orange mit einem weißen Kinn. Der Hals ist weiß und hat auf der Unterseite einen orange-braunen Kragen. Die Männchen sind etwas größer als die Weibchen und erreichen ein Gewicht von durchschnittlich 10,9 kg. Weibchen wiegen durchschnittlich 8,2 kg [2].


Ernährung

Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) sind in erster Linie Blätterfresser, ernähren sich aber auch von anderen Pflanzenteilen wie Samen, Früchte und Blüten. Sie bevorzugen junge Blätter und Früchte, die noch nicht vollständig ausgereifte sind [8].


Gruppenleben

Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) sind tagaktiv und vor allem Baumbewohner. Sie bewegen sich durch die Bäume durch Springen und Hangeln. In der Vergangenheit konnte man sie in Gruppen von bis zu fünfzig Individuen beobachten, heute bewegt sich die Gruppengröße zwischen 4 und 15 Individuen. Die Männchen dominieren die Weibchen - in Gefangenschaft wurden Dominanzhierarchien beobachtet [2].


Fortpflanzung

Goldstumpfnase (Rhinopithecus roxellana) mit Baby
Grauschenkel-Kleideraffe im Cuc Phuong Primate Rehabilitation Center, Vietnam.

Paarungszeit ist normalerweise zwischen August und Dezember. Kurz vor der Paarung geben sowohl die Männchen als auch die Weibchen sexuelle Signale, die an das andere Geschlecht gerichtet sind. Beide lassen ihre Unterkiefer nach vorne fallen, bewegen die Augenbrauen hoch und runter und schütteln dann den Kopf. Das Weibchen macht bei der Einleitung der Kopulation stets den ersten Schritt [1].

Junge Weibchen werden mit etwa 4 Jahren geschlechtsreif. Nach einer Tragzeit von 165 bis 190 Tagen bringt das Weibchen ein einzelnes Junges zur Welt, das zwischen 500 und 720 g wiegt. Geburten finden normalerweise zwischen Januar und August statt, wenn Früchte reichlich vorhanden sind [1].


Kommunikation

Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) kommunizieren über Berührungen, visuelle Signale und Laute. Knurrende Laute werden verwendet, um Aggressionen zu zeigen und gelten als Drohgebärde gegenüber anderen Affen. Ein leises, vogelähnliches Zwitschern wird oft als Reaktion auf eine Drohgebärde oder vor der sozialen Fellpflege verwendet. Es gilt als ein unterwürfiges Signal [4].

Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) üben sich täglich in sozialer Fellpflege um Parasiten zu entfernen, aber auch um Bindungen zu anderen Gruppenmitgliedern zu festigen. Gegenseitige Fellpflege findet in der Regel kurz vor der Nachtruhe statt. Oft zanken sich die Mitglieder der Gruppe aber auch, ein aggressives Verhalten, bei dem sie sich ziehen, schlagen und gegenseitig packen [4].

Zur visuellen Kommunikation gehört die Gesichtsmimik und verschiedene Körperhaltungen. Beim "Spielgesicht" ist der Mund geöffnet und teilweise die Zähne sichtbar. Eine Grimasse mit entblößten Zähnen wird verwendet, um zur Fellpflege oder zum Spielen aufzufordern. Ein starrender Blick mit hochgezogenen Augenbrauen zeigt entweder Neugierde an oder gilt als Drohgebärde, auf die oft mit einer unterwürfigen Geste reagiert wird. Gesichtsausdrücke werden auch während der Paarungszeit eingesetzt, das Männchen schneidet dabei Grimassen, um das Weibchen darauf aufmerksam zu machen, dass er bereit ist zu kopulieren. [4]


Bedrohungen

Die Regionen im zentralen Hochland von Vietnam, in denen die Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) zu Hause sind, verlieren jährlich fast 10.000 Hektar Wald durch Abholzung und Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen. Dies schafft zunehmend fragmentierte Lebensräume und eine zersplitterte Populationsstruktur. Darüber hinaus werden Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) zum Verkauf als Haustiere, wegen ihres Fleisches und zur Verwendung für die "traditionelle Medizin" gejagt (z. B. zur Herstellung von "Monkey Balsam") [4]. Ihre Verhaltensreaktion bei Gefahr - sie verstecken sich regungslos in den Baumkronen, anstatt zu flüchten - macht sie besonders anfällig für die Jagd [8]. In beeiträchtigten und degradierten Lebensräumen müssen sie öfter auf den Boden kommen, wo sie leichter Opfer von Fallenstellern werden [6].

Die Weltnaturschutzunion stuft Grauschenkel-Kleideraffen (Pygathrix cinerea) als vom Aussterben bedroht ein (Critically endangered), da die Population in ihrem Verbreitungsgebiet um über 80% aufgrund mehrerer Bedrohungen zurückgegangen sind. Für die Zukunft schätzt man, dass sich dieser Abwärtstrend in den nächsten 30-36 Jahren (ca. drei Generationen) im gleichen Tempo oder sogar schneller fortsetzen wird [6] .


Systematik


Literatur

[1] Ademmer et al., 2002; [2] Covert et al., 2008; [3] Gron, 2009; [4] Long, 2004; [5] Long, 2007; [6] Ngoc Thanh, V., Lippold, L., Nadler, T. & Timmins, R.J. 2008. Pygathrix cinerea. In: IUCN 2010. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2010.2. <www.iucnredlist.org>. Downloaded on 15 July 2010; [7] Nadler, 1997; [8] Nadler et al. 2003; [9] Roos und Nadler, 2001

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