Wasserscheide


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Die Hauptwasserscheiden der Erde: Die grauen Gebiete sind endorheisch, großer farbiger Text benennt einen der fünf Ozeane, kleiner farbiger Text die Mittelmeere.

Eine Wasserscheide – oder genauer: Wasserscheidelinie (im Unterschied zu einem Wasserscheidepunkt) – ist der Grenzverlauf zwischen zwei benachbarten Flusssystemen. Sie entspricht also der Grenze zwischen den Einzugsgebieten des abfließenden Niederschlagswassers von zwei Flüssen. Zu unterscheiden sind oberirdische und unterirdische Wasserscheiden.

Formen der Wasserscheiden

Europäische Flusseinzugsgebiete und Hauptwasserscheiden
Unterscheidung der ober- und unterirdischen Wasserscheide
Nordamerikanische kontinentale Wasserscheide

Wasserscheiden sind, neben den Gewässern selbst, die wichtigsten Untersuchungsobjekte der Limnologie, der Fließgewässerkunde. Die Details im Grundwasserstrom untersucht die Hydrogeologie.

Hierarchie und Struktur

Treffen sich drei Wasserscheidelinien so entsteht – ähnlich einem Dreiländereck – ein Punkt, der Wasserscheidepunkt genannt wird. Hier fließt das Wasser in drei verschiedene Flusssysteme. Die Trennlinienzüge der großen ozeanischen Einzugsgebiete, die verschiedenen Meere, oder der großen endorheischen hydrografischen Provinzen, sowie der Ströme (direkt in die großen stehenden Gewässer mündende Flüsse, Flussordnungszahl 1), aber auch nur einer gewissen Region, werden Hauptwasserscheide genannt, die zugehörigen Hauptwasserscheidepunkte bilden die wichtigsten hydrographischen Marken. Die beiden Hauptwasserscheidepunkte Europas beispielsweise liegen 200 km westlich und 300 km nordwestlich von Moskau. Kennzeichnend für endorheische Gebiete ist der in der Senke liegende Wasserscheidepunkt, der die Mitte des Beckens markiert.

Ober- und unterirdische Wasserscheide

Meist stellt sich eine Wasserscheide als topographischer Höhenzug dar, bei dem die Trennlinie der Einzugsgebiete primär in einer Kammlinie besteht. Diese Kammlinie kennzeichnet die oberirdische Wasserscheide (oder Kammwasserscheide). Hier deckt sich das Niederschlagsgebiet mit dem Einzugsgebiet. Ebenfalls zu den oberirdischen Wasserscheiden gehört die Talwasserscheide, wobei hier der Grenzverlauf der Wasserscheide auf der Talsohle liegt. Beispiele sind der Kartitscher Sattel im Gailtal in Osttirol, der die Wasserscheide zwischen Drau und Gail bildet, und die Wasserscheide im Toblacher Feld zwischen Innichen und Toblach in Südtirol, wo die Drau in das Schwarze Meer und die Rienz in die Adria entwässert.

Bei Talwasserscheiden entstanden in den Alpen oft Ansiedlungen. Beispiele sind Eben im Pongau, Kirchberg in Tirol oder Waidring.[1] Extrem flache Talwasserscheiden mit Höhen von weniger als zwei Metern gibt es im norddeutschen Tiefland innerhalb der Urstromtäler, beispielsweise zwischen Havel und Finow im Eberswalder Urstromtal. In Sumpfdeltas wie dem Okawango Delta, dem größten Versickerungsgebiet der Erde, oder in großen Seengebieten wie der Finnischen Seenplatte lässt sich die Wasserscheide nicht mehr sinnvoll definieren. Ein anderer Fall ist die Bifurkation (Flusslauftrennung), bei der die Wasserscheide im Flussbett, einem Sumpfgebiet oder im Untergrund liegt. Größte Wasserscheide dieses Typs ist die Bifurkation des Orinoco im Norden Südamerikas, dessen Hauptlauf in die Karibik entwässert, aber über den Brazo Casiquiare auch in den Amazonas und somit in den Südatlantik.

Es gibt jedoch auch Wasserscheiden, die im Gelände nicht erkennbar sind, da sie im Boden verborgen liegen und damit vom geologischen Aufbau des Untergrundes abhängen. In diesem Fall wird von unterirdischer Wasserscheide gesprochen. Dabei kann das tatsächliche Einzugsgebiet größer sein als das Niederschlagsgebiet, nämlich dann, wenn die unterirdische Wasserscheide aus einem benachbarten Niederschlagsgebiet herüberleitet. Dies ist speziell in Sedimentgestein der Fall, wenn die Schichten des Untergrundaufbaus so gelagert sind, dass eine Entwässerung unterirdisch entgegen der Falllinie des Hanges erfolgt. In geologisch homogenem Untergrund (z.B. bei magmatischem Gestein) decken sich unter- und oberirdische Wasserscheide. Die unterirdische Wasserscheide wird auch als Grundwasserscheide bezeichnet. Unterirdische und oberirdische Wasserscheiden können verschiedene Lagen haben. So liegt beispielsweise die Wasserscheide zwischen Weser und Leine am Hohen Hagen auf einer Höhe von 310 m.ü.NN in 40 Meter Tiefe, während die oberirdische Wasserscheide einige 100 Meter östlich auf 379 m.ü.NN liegt.

Ein weiterer Sonderfall sind die vereisten Wasserscheiden, bei denen (wie in der Arktis) der Wassertransport fast ausschließlich durch Gletscher erfolgt. Dort können Eisströme weit über die im tiefen Grund liegenden Geländescheiden hinweg wandern. Die Schmelzwasserscheiden werden durch die ständig ändernde Eisoberfläche und die Gletschermühlen bestimmt, die Wasserscheide erscheint erst wieder am Gletschertor.

Wanderung der Wasserscheiden

Wasserscheiden sind zum Teil auch in geologisch kürzeren Zeiträumen durch die erosive Wirkung des Wassers Änderungen unterworfen. So hat die Wutach (vor nur rund 70.000 Jahren noch die Feldbergdonau) durch rückschreitende Erosion bei hoher Reliefenergie westlich der heutigen Stadt Blumberg einen Durchbruch (Klus) nach Süden erodiert, wodurch ab dieser Stelle das weitere Flussbett, das Aitrachtal, bis zur 18 Kilometer entfernten (heutigen) Donau trocken fiel. Dieser Wutach-Knick (eine Flussanzapfung) hat die Wasserscheide im Bereich Rhein/Donau zugunsten des Rheins verschoben. Heute werden Wasserscheiden durch den Menschen gestört, sowohl durch Kanäle für den Wasserverkehr, wie auch bei Kraftwerksbauten. Typische Beispiele sind der Panamakanal (verbindet Atlantik und Pazifik) und Sueskanal (Mittelmeer/Indischer Ozean), oder das Kraftwerk Kaprun in den Alpen in Salzburg (die abgegriffene Pasterze am Großglockner entwässert nach Süden, das Kraftwerk auf die Alpennordseite).

Bestimmung und Bedeutung von Wasserscheiden

Die oberirdische Wasserscheide kann anhand großmaßstäbiger topographischer Karten oder Luftbildern bestimmt werden. Die Bestimmung der unterirdischen Wasserscheide gestaltet sich schwieriger. Sie kann anhand von Tracerversuchen (Farbstoffe, Salze, etc.) näherungsweise bestimmt werden.

Wasserscheide und Einzugsgebiet sind für alle hydrografischen Aspekte der Gewässerkunde von Belang. Für die Ökologie sind Wasserscheiden von großer Bedeutung, denn sie sind die Grenzen, anhand derer man den Eintrag an Stoffen in das Wasser abschätzen kann. Auch werden aufgrund der Grenzen eines Einzugsgebiets verschiedene ökologische Regionen festgelegt. Die Hydrogeologie und Geomorphologie bestimmt die ober- und unterirdische Wasserscheide zur Durchführung von Wasserhaushaltsuntersuchungen, die zum Beispiel für die Modellierung von Hochwasserereignissen herangezogen werden. Die großen Wasserscheiden der Gebirge sind auch im Allgemeinen wichtige Klimascheiden.

Politisch sind Wasserscheiden eher von untergeordneter Bedeutung, da geologisch begründete politische Grenzen sich in der Regel an schwer zu überwindenden geologischen Besonderheiten wie Flüssen, Bergrücken oder Seen orientieren. Ausnahmen bilden politische Grenzverläufe im Bereich mancher Gletschergebiete in Gebirgsregionen wie den Alpen, wie zum Beispiel der Grenzverlauf zwischen Italien und der Schweiz, der in größeren Zeitabständen immer wieder einmal korrigiert werden musste, zuletzt im März 2009.[2]

Beispiele für wichtige Wasserscheiden

Literatur

  • Reimer Herrmann: Einführung in die Hydrologie. 1. Auflage. Teubner Verlag, Stuttgart 1977, ISBN 3-519-03407-7.
  • Tim Davie: Fundamentals of Hydrology. 2. Auflage. Taylor & Francis, Londong & New York 2008, ISBN 0-415-39987-4.
  • Friedrich Wilhelm: Hydrogeographie: Grundlagen der Allgemeine Hydrogeographie. 3. Auflage. Westermann, Braunschweig 1997, ISBN 3-14-160279-4.

Weblinks

Wiktionary: Wasserscheide – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Wasserscheiden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bei allen weist der Ortsname auf die Passhöhe hin, Eben führt die Wasserscheide sogar explizit im Wappen.
  2. Gletscherschmelze – Italien und Schweiz ziehen Grenze neu. Spiegel online, 25. März 2009, abgerufen am 25. März 2009.