Käthe Seidel


Käthe Seidel (* 1907 in Frankenstein; † 1990 in Krefeld) war eine deutsche Lehrerin und Hydrobotanikerin; sie wurde sehr bekannt als die „Binsen-Käthe“.

Leben

1924 erreichte sie die mittlere Reife (Seminar- und Realschule in Frankenstein (Sachsen)) und machte eine Ausbildung zur Gärtnerin (Landwirtschaftliche Hochschule in Halle; Meisterprüfung 1934) und Gartenbau-Lehrerin (Lehrerbildungs-Hochschule in Leipzig). Während sie Biologie, Gartenbau und Werkerziehung unterrichtete, holte sie auch die Universitätsreife (Abitur) nach und studierte dann (ab 1939) Ur- und Kunstgeschichte sowie Naturwissenschaften an der Universität Greifswald.

Als Werkerzieherin hatte sie natürlich auch Bekanntschaft mit dem Binsenflechten gemacht und publizierte über diese alte Kulturtechnik zwischen 1922 und 1945 über 20 Artikel. Nach dem Krieg gründete sie die Schleswig-Holsteinischen Binsen-Lehr- und Versuchswerkstätten, setzte aber 1947 in Kiel auch ihr Botanikstudium (mit Mikrobiologie und Limnologie) fort und promovierte 1951 mit einer Arbeit über die Ökologie und Technologie der Flechtbinse (Teichbinse, Schoenoplectus lacustris).

Danach arbeitete sie weiter an der Krefelder Unterrhein-Fluss-Station der Hydrobiologischen Anstalt in Plön, deren langjähriger Leiter, August Thienemann, über sie sagt: „Die feste Anstellung Fräulein Dr. Seidels an der Hydrobiologischen Anstalt bedeutete für unsere wissenschaftliche Arbeit viel. Denn nur selten wird man eine Frau treffen, die eine so produktive Forschernatur ist, geladen mit Vitalität und Energie.“ [1] Ihre Liebe zur Flechtbinse gipfelte 1955 in dem Standardwerk „Käthe Seidel: Die Flechtbinse, Scirpus lacustris L. Ökologie, Morphologie und Entwicklung, ihre Stellung bei den Völkern und ihre wirtschaftliche Bedeutung.“ Die Binnengewässer, Bd. 21. 1955. XV, 216 S., 42 Abb., 18 Taf., 3 Beil.“

Gegen Ende 1968 wurde die Fluss-Station von der sie tragenden Max-Planck-Gesellschaft aufgegeben, aber Seidel konnte in ihr bis zur Pensionierung 1976 weiterarbeiten und kaufte danach die Station der MPG ab. Sie blieb im Rahmen ihrer „Stiftung limnologische Arbeitsgruppe Dr. Seidel e.V.“ hier noch weitere 14 Jahre tätig, und als sie 1990 starb, war sie immer noch mit ihrer Forschungs- und Propagations-Tätigkeit beschäftigt.[2]

1977 hatte sie die Umwelt-Medaille der BRD erhalten, 1982 das Verdienstkreuz.

Die Pflanzenkläranlage

Mit der Zeit hatte sie die Überzeugung gewonnen, dass die Flechtbinse (wie alle Wasserpflanzen, aber sie am besten von all diesen) auch geeignet sei, Abwässer zu klären und zu renaturieren. „Jeder wusste, dass höhere Pflanzen nur in unbelasteten Gewässern gedeihen. Die Limnologin Käthe Seidel wusste es besser“, schrieb man in Anlehnung an ein Bonmot in der Frankfurter Allgemeinen 1986. Sie propagierte diese Idee auch überall, wohin sie Forschungsreisen unternahm. In den 1950ern bereits hatte sie an über 20 Standorten Versuchs-Binsen-Kläranlagen errichtet. Sie stellte fest, dass die Flechtbinse mit sehr verschiedenen ökologischen Bedingungen zurechtkommt und diese auch günstig verändern kann, da sie Sauerstoff in den Wurzelraum bringt.

Damit löste Käthe Seidel aber auch große prinzipielle Kontroversen aus. Die „Reduktionisten“ unter den Botanikern behaupteten, eine grüne Pflanze bedürfe (mit wenigen Ausnahmen) als Nährstoffen nur anorganischer Salze aus dem Boden(-wasser), wie man mittels Hydroponik ja jederzeit beweisen könne. Seidel und ihre Anhänger hingegen vertraten die Ansicht, auf diese Weise seien allenfalls die Minimalerfordernisse des Pflanzenlebens erfüllt – besser gedeihen Pflanzen stets in einem „natürlichen“ Umfeld, mit auch organischen Stoffen, Mikroben und anderen Lebewesen rund um ihr Wurzelsystem.

Heute sind ihre Thesen nicht mehr umstritten, [3] es wird anerkannt, dass Seidels Pflanzenkläranlagen (mit Binsen und weiteren Makrophyten wie Iris, Phragmites, Arundö u.a.) durchaus brauchbar sind, wenn genügend Platz vorhanden ist und vor allem anorganische Giftstoffe (wie Schwermetalle) keine Rolle spielen (organische können abgebaut werden, z.B. Phenole) – also bei Bauernhöfen in der Einschicht, in Entwicklungsländern, bei geringer Bevölkerungsdichte (z.B. in Gebieten der USA). Prof. Reinhold Kickuth (Universität Göttingen) u.a. haben die "Theorie" der Pflanzenkläranlagen so verbessert,[4] dass sie nun weltweit zum Einsatz gelangen können (Wurzelraumverfahren).- Die Pflanzen nehmen gegebenenfalls auch Schwermetalle aus dem Abwasser auf, müssen dann aber als Sondermüll entsprechend behandelt werden. Ansonsten freilich können die Binsen (usw.) gemäht und in verschiedenster Weise genutzt werden.

Einzelnachweise

Publikationen (Auswahl)

  • (1935) Gartenbau im Landjahr. (Appelhans)
  • (1943) Binsenarbeiten: Die neuen Binsengegenstände, gemeinsam erarbeitet mit Gertrud Mosenthin. (Voggenreiter)
  • (1959) Wird die Flechtbinse zum zweiten Male Kolonisationspflanze? Ihre Aufgabe im 19. und im 20. Jahrhundert (Schleswig-Holstein).
  • (1963) Über Phenolspeicherung und Phenolabbau in Wasserpflanzen.- Naturwiss. 50: 452 f.
  • (1964) Abbau von Bacterium coli durch höhere Wasserpflanzen.- Naturwiss. 51: 395
  • (1966) Reinigung von Gewässern durch höhere Pflanzen.
  • (1969) Zur bakteriziden Wirkung höherer Pflanzen.
  • (1970) Mixotrophie bei Scirpus lacustris L.
  • (1971) Physiologische Leistung von Alisma plantago L. (Froschlöffel).- Naturwiss. 58: 151
  • (1971) Wirkung höherer Pflanzen auf pathogene Keime in Gewässern.- Naturwiss. 58: 150 f.
  • (1973) System for Purification of Polluted Water.- United States Patent Office, Nr. 3770623
  • (1973) Reinigung von Industrie-Abwässern durch Juncus maritimus Lamarck.- Naturwiss. 60: 158 f.
  • (1973) Zur Biologie und Wasser-Reinigungsvermögen von Iris pseudacorus L.- ibidem.
  • (1974) Schoenoplectus lacustris (L.) Palla zur Reinigung von Gichtwässern.- Naturwiss. 61: 81
  • (1976) Über die Selbstreinigung natürlicher Gewässer.- Naturwiss. 63: 286-291
  • (1976) Macrophytes and water purification.- In: J. Tourbier and R.W. Pierson, Jr.(Eds.): Biological control of water pollultion. University of Pennsylvania Press, Philadelphia (PA), p. 109-121.
  • (1978) Beiträge zur Gewässergesundung. 2., erw. Aufl. (Krefeld-Hülseberg)
  • (1988) Käthe Seidel und Helga Happel: Limnologie in Stichworten: Beiträge aus den Wasser-Kalendern 1980-1988 (Jahrbuch für das gesamte Wasserfach).

Literatur

Edith Happel: Gutes Wasser Lebensquell.- Frankfurt/Main (R.G. Fischer) 2001. [Biogr.] ISBN 3-8301-0186-4

Weblinks