Vergleich von Insel- und Festlandpflanzen in Form und Funktion



Bio-News vom 13.07.2023

Ozeanische Inseln sind beliebte Modellsysteme in der Ökologie, Biogeografie und Evolutionsforschung. Viele bahnbrechende Erkenntnisse entstammen dem Studium von Arten auf Inseln und deren Wechselspiel mit ihrer belebten und unbelebten Umwelt – auch Darwins Evolutionstheorie. Nun hat ein internationales Forschungsteam in einer großen Feldstudie die Pflanzenwelt der Kanarischen Insel Teneriffa untersucht. Die Ergebnisse sind anders als erwartet.

Die Flora der Insel weist eine bemerkenswerte Vielfalt an funktionellen Merkmalen auf. Die Pflanzen weichen aber in funktioneller Hinsicht wenig von Pflanzen des Festlands ab. Doch anders als die Flora des Festlands wird die Flora Teneriffas von langsam wachsenden, verholzten Sträuchern mit einer konservativen Lebensstrategie dominiert. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature erschienen.


Die Pflanzenwelt Teneriffas weist eine überraschend hohe funktionelle Vielfalt auf. Im Hintergrund: der Pico del Teide, mit 3715 Metern der höchste Berg Spaniens.

Publikation:


Barajas Barbosa, M.P., Craven, D., Weigelt, P. et al.
Assembly of functional diversity in an oceanic island flora

Nature (2023)

DOI: 10.1038/s41586-023-06305-z



Die Forschenden untersuchten, wie sich die Pflanzen Teneriffas in funktioneller Hinsicht von Pflanzen aus anderen Teilen der Welt unterscheiden. Sie führten mit den modernsten Methoden der funktionellen Ökologie umfangreiche Feldforschungen und Messungen an über 500 Standorten durch. Die Standorte lagen verstreut über die gesamte Insel in Höhenlagen vom Meeresspiegel bis zu Gebirgsregionen über 3300 Meter.

Inselpflanzen wie Wildprets Natternkopf (Echium wildpretii) zeigen faszinierende Anpassungen an ihre belebte und unbelebte Umwelt. Mittelgroße, langsam wachsende, verholzte Sträucher dominieren die Pflanzenwelt Teneriffas, zeigt die Studie.

Die Beteiligten erfassten etwa 80 Prozent der einheimischen Samenpflanzen Teneriffas und erhoben acht Pflanzenmerkmale: Pflanzengröße, spezifische Holzdichte, Blattdicke, absolute und spezifische Blattfläche, Blatttrockenmasse, Stickstoffkonzentration im Blattgewebe sowie Samengewicht. Sie verglichen ihre Daten mit den Daten zu mehr als 2000 Pflanzenarten, die auf dem Festland vorkommen.

„Unsere Studie zeigt erstmals und entgegen jeder Erwartung, dass Artengruppen, die sich auf den Kanarischen Inseln evolutiv entfaltet haben, nicht zur Erweiterung des Merkmalsraums beitragen – also nicht zu mehr funktioneller Vielfalt führen“, erläutert der Leiter der Studie, Prof. Dr. Holger Kreft, von der Abteilung Biodiversität, Makroökologie und Biogeographie der Universität Göttingen.

Bisherige Vergleiche zeigen, dass sich auf Inseln vorkommende Arten deutlich von ihren Verwandten auf dem Festland unterscheiden können. Ein bekanntes Beispiel liefert die Galapagos-Riesenschildkröte: Die Art kommt nur auf den Galapagos-Inseln vor und ist, infolge der Anpassung an ihre Umweltbedingungen, viel größer als Schildkröten des Festlands. Ähnliche Unterschiede erwartete das Forschungsteam zwischen Insel- und Festlandspflanzen, doch das traf nicht zu.

„Wir sehen vielmehr, dass die meisten Arten den klimatischen Zwängen des Inselklimas folgen. So entwickeln sich mittelgroße, verholzte Arten. Diese gehen eher konservativ mit den begrenzten Ressourcen auf der Insel um. Das heißt, sie wachsen langsam. Die hohe funktionelle Vielfalt geht vor allem auf die Arten zurück, die auf der Insel weit verbreitetet sind“, so Kreft.

„Zu Beginn unserer Forschung gingen wir davon aus, dass Inselpflanzen fundamentale Unterschiede zeigen und sich aufgrund der geografischen Isolation durch eine eher niedrige funktionelle Vielfalt auszeichnen“, erklärt die Erstautorin Dr. Paola Barajas Barbosa. Die Ergebnisse sind Teil ihrer Doktorarbeit, die sie an der Universität Göttingen anfertigte. Mittlerweile forscht sie am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Leipzig. „Umso mehr überraschte uns, dass die Flora von Teneriffa eine vergleichsweise hohe funktionelle Vielfalt aufweist.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Georg-August-Universität Göttingen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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