Als üppige Laubwälder die Arktis bedeckten



Bio-News vom 08.09.2023

Forschungsteam der Universität Tübingen untersucht das Pflanzenwachstum im nördlichen Polargebiet vor rund 50 Millionen Jahren – Paläoklima mit Parallelen zur aktuellen globalen Erwärmung

In den heute nur spärlich bewachsenen Polargebieten der Arktis gab es im Eozän vor rund 50 Millionen Jahren ausgedehnte, üppige Laubwälder bei einer Kombination aus Treibhausklima und einem gegenüber heute fast doppelt so hohen Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre. Allerdings herrschten in diesen Regionen hoher Breitengrade – wie heute – extreme Lichtverhältnisse: monatelanges Dauerdunkel im Winter und eine, wenn auch tiefstehende, nie untergehende Sonne im Sommer.


Blatt von einem Baum der Gattung Cercidiphyllum (C. crenatum) aus dem Pliozän aus der Fossilfundstelle Willershausen (Harz).

Publikation:


Wilfried Konrad, Anita Roth-Nebelsick, and Christopher Traiser
High productivity at high latitudes? Photosynthesis and leaf ecophysiology in Arctic forests of the Eocene

Paleoceanography and Paleoclimatology (2023)

DOI: 10.1029/2023PA004685



Vergleichbare Umweltbedingungen sind in dieser Kombination heute auf der Erde nicht zu finden. In ihrer neuen Studie untersuchten Dr. Dr. Wilfried Konrad und Dr. Christopher Traiser aus den Geowissenschaften der Universität Tübingen gemeinsam mit Dr. Anita Roth-Nebelsick vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart die Lebensbedingungen der Pflanzen. Sie wollten wissen, ob die Pflanzen ihren Lichtbedarf in dem extremen Wechsel der Tageslängen ausgleichen konnten und ob dabei die damals verbreitete Großblättrigkeit der Laubbäume eine Rolle spielte. Sie wendeten quantitative Modelle der Fotosyntheseleistung, welche die speziellen Lichtverhältnisse nachbilden können, auf fossile Verwandte des Lebkuchenbaumes (Cercidiphyllum japonicum) an.

Lebkuchenbaum oder Japanischer Kuchenbaum (Cercidiphyllum japonicum) im Kloster Bebenhausen bei Tübingen.

Hochentwickelte Modelle

Im Sonnenlicht setzen Pflanzen Wasser und Kohlendioxid aus der Luft durch Fotosynthese in organische Stoffe um, erzeugen Biomasse wie etwa Äste und Blätter und können so wachsen. Um mehr über die Produktivität der arktischen Wälder im Eozän zu erfahren, nutzte das Forschungsteam in der aktuellen Studie Daten von zwei arktischen Fundstätten: Die Pflanzenfossilien stammten vom Stenkul Fjord auf der kanadischen Ellesmere-Insel und von der zu Norwegen gehörenden Inselgruppe Spitzbergen. „Zum Vergleich zogen wir den nordwestlichen Odenwald bei Darmstadt heran. Der liegt zwar nicht auf einem hohen, sondern mittleren Breitengrad, doch herrschen in dem heutigen dortigen Laubwald ähnliche klimatische Bedingungen wie auf Spitzbergen im Eozän“, erklärt Konrad.

In die Berechnungen zur Produktivität der früheren arktischen Wälder bezogen die Forscherin und die Forscher zahlreiche Daten zur Quantifizierung der Verdunstung und der Fotosynthese ein. Sie untersuchten auch, welchen Einfluss die Blattgröße auf die Gas- und Stoffumsätze hatte. „Ob die Blätter der Bäume damals größer oder kleiner waren, spielte unseren Ergebnissen zufolge keine entscheidende Rolle“, sagt Konrad. Lufttemperatur und Lichteinfall hätten dagegen einen unerwartet starken Einfluss gezeigt: da die Ellesmere-Insel ein wenig weiter nördlich als Spitzbergen lag, gab es dort aufgrund himmelsmechanischer Eigenheiten der nördlichen Breiten sehr viel mehr Sonnenstun-den während der jährlichen Vegetationsperiode. Zusammen mit der um wenige Grad höheren Tem-peratur auf Ellesmere habe dies zu einer wesentlich höheren Fotosyntheseleistung als auf Spitzbergen geführt.

„Insgesamt kamen wir auf eine überraschend hohe Produktivität der Wälder“, sagt Konrad. „Wir gehen davon aus, dass die Klimabedingungen im Eozän die Fotosyntheseleistung der Bäume und dadurch eventuell auch die Produktivität an Biomasse verstärkten. Legt man die aktuellen pflanzenphysiologischen Daten zum Fotosyntheseapparat zugrunde, so dürfte die Fotosyntheseleistung um mindestens 30 bis 60 Prozent höher gelegen haben als an einem heutigen Standort gemäßigter mitt-lerer Breiten.“ Hauptfaktor der Verstärkung sei der erhöhte Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre gewesen. „Eine Steigerung der Fotosyntheseleistung solcher Wälder könnten daher auch die aktuell steigenden Kohlendioxidwerte mit sich bringen. Da aber die Bodeneigenschaften und die Lichtverhältnisse einen großen Einfluss auf die pflanzliche Produktivität haben, kann man die Aussagen nicht verallgemeinern“, sagt der Wissenschaftler.

Ökologische Zukunftsszenarien

Für die globale Klimaerwärmung seien auch keine vergleichbaren Habitate auf der Erde zu finden. „Die ökologischen Szenarien könnten sich in manchen Regionen sehr schnell ändern. Vorhersagen zur künftigen Entwicklung stellen eine große Herausforderung dar“, sagt er. „Doch gab es entsprechende Habitate in der Vergangenheit der Erde. Daher können Erkenntnisse zum Paläoklima zur Verbesserung der Modelle und ihrer Vorhersagen beitragen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Eberhard Karls Universität Tübingen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

Die News der letzten 7 Tage 5 Meldungen






warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte