Adapoidea ist eine Überfamile von ausgestorbenen Primaten (innerhalb der Teilordnung Strepsirrhini). Sie waren hauptsächlich auf der Nordhalbkugel verbreitet, denn nur drei Arten sind aus dem Süden Afrikas bekannt.

Es ist unklar, ob die Adapoidea eine paraphyletische oder eine monophyletische Gruppe bilden. Im Allgemeinen rechnet man sie zu den Feuchtnasenaffen (Strepsirrhini), was sie zu den Vorfahren der Lemuren machen würde, aber nicht zu den Vorfahren der Trockennasenaffen, zu denen alle höheren Primaten gehören (Ross und Kay, 2004). Taxonomisch sind die Adapoidea seit geraumer Zeit von den Adapiformes abgetrennt (Rose et al., 2009). Es gibt nur eine Familie innerhalb der Adapoidea: die lemuren-ähnliche Familie Notharctidae. Sie weist im Gegensatz zu einigen Mitgliedern der Familie Adapidae, wie etwa den Gattungen Adapis oder Leptadapis, mit ihren annähernd gleich langen Vorder- und Hinterbeinen, einige Sprungspezialisierungen auf.

Historisch gesehen, wurden die meisten Adapoidea aus der Alten Welt zur Unterfamilie Adapinae gerechnet, während die Notharctinae vor allem die Formen der Neuen Welt umfassten. Doch mit der Erkenntnis, dass die Unterschiede in der postkranialen Anatomie sowie der Zähne mindestens zwei verschiedene Subtypen der europäischen Adapiden repräsentieren, von denen einer enger mit den Notharctiden verwandt war, setzte sich über die letzten Jahrzehnte eine mehr phylogenetische Einordnung durch (z.B. Thalmann et al., 1989).

Rund zwei Drittel der 30 bis 35 Gattungen und 80 bis 85 Arten der Adapiformes und Adapoidea gehören zur Familie Notharctidae. Obwohl, oder vielleicht weil die Evolution der Adapiformes so viel Interesse auf sich gezogen hat, gibt es noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten über die richtige Zuordnung mehrerer Gattungen, vor allem derjenigen aus der Alten Welt (Godinot, 1998).

Die Mitglieder der Adapoidea gehören zu den am besten erforschen fossilen Primaten. Von ihnen sind Tausende Kiefer, Dutzende Schädel und einige fast vollständige Skelette erhalten. In vielen Aspekten ihrer Anatomie sind sie heutigen Feuchtnasenaffen (Strepsirrhini) bemerkenswert ähnlich.

Franzen et al. (2009) stellen die neu beschriebene Gattung Darwinius in eine "Adapoidea-Gruppe früher Primaten, aus der Zeit vor der Trennung der Ordnungen Haplorhini und Strepsirrhini", so dass diesen Autoren zufolge die Adapoidea nicht wie bisher angenommen zur Linie der Feuchtnasenaffen gehören, aber als Verbindung zwischen Feuchtnasenaffen und Trockennasenaffen angesehen werden können. Andere Analysen der Art Darwinius massilae, z.B. von Erik Seiffert et al. (2009) lehnen diese "missing link"-Theorie jedoch ab.


Systematik


Literatur

K. D. Rose, R. S. Rana, A. Sahni, K. Kumar, P. Missiaen, L. Singh, and T. Smith. 2009. Early Eocene primates from Gujarat, India. Journal of Human Evolution 56(4):366-404

C. Ross und R. F. Kay. 2004. Anthropoid origins: new visions, Springer, 2004, p. 100

M. Godinot. 1998. A summary of adapiform systematics and phylogeny. Folia Primatologica, 69:218-249

U. Thalmann, H. Haubold und R. D. Martin. 1989. Pronycticebus neglectus - An almost complete Adapid primate specimen from the Geiseltal (GDR). Palaeovertebrata 19:115-130

J. L. Franzen, P. D. Gingerich, J. Habersetzer, J. H. Hurum, W. Koenigswald and B. H. Smith. 2009. Complete primate skeleton from the Middle Eocene of Messel in Germany: Morphology and Paleobiology. PloSone 4(5):1-27

E. R. Seiffert, J. M. G. Perry, E. L. Simons and D. M. Boyer. 2009. Convergent evolution of anthropoid-like adaptations in Eocene adapiform primates. Nature 461:1118-1121

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