Zwergtaucher



Zwergtaucher

Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis) im Prachtkleid

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Lappentaucherartige (Podicipediformes)
Familie: Lappentaucher (Podicipedidae)
Gattung: Zwergtaucher (Tachybaptus)
Art: Zwergtaucher
Wissenschaftlicher Name
Tachybaptus ruficollis
(Pallas, 1764)
Zwergtaucher im Schlichtkleid

Der Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis) ist eine Art aus der Familie der Lappentaucher. In Europa ist diese, in Eurasien und Afrika verbreitete Art, der kleinste Vertreter dieser Familie. Zwergtaucher sind in Europa durchaus häufig. Sie werden jedoch wegen ihres unauffälligen Gefieders und ihrer insbesondere während der Brutzeit sehr versteckten Lebensweise meist übersehen.

Es werden insgesamt neun Unterarten unterschieden.

Erscheinungsbild

Erscheinungsbild adulter Zwergtaucher

Zwergtaucher erreichen eine Körperlänge von 25 bis 29 Zentimeter. Die Flügelspannweite beträgt 40 bis 45 Zentimeter. Die Zwergtaucher können 130–235 g schwer werden.[1] Die Gestalt des Zwergtauchers ist sehr variabel. In ruhiger Schwimmstellung werden die Federn vor allem an der Hinterseite etwas aufgestellt, so dass der Körper rundlich ist. Der Hals ist dann kaum sichtbar. Beunruhigte Zwergtaucher strecken den Hals dagegen lang. Der Rücken liegt dann flach auf dem Wasser auf und kann sogar unter der Wasseroberfläche ganz verschwinden.[2] Ein Geschlechtsdimorphismus ist nur geringfügig ausgeprägt. Ähnlich wie beim nah verwandten Australischen Zwergtaucher sind die Männchen durchschnittlich etwas größer als die Weibchen und haben etwas kräftigere Schnäbel.

Im Prachtkleid ist die Körperoberseite schwarzbraun. Der Oberhals sowie der Oberkopf sind schwarz. Der Oberkopf hat häufig einen leichten grünlichen Schimmer. Die Kehle, die Wangen, die Halsseiten sowie der Unterhals sind rotbraun. Sie weisen außerdem leuchtend grünlich gelbe Schnabelwinkel auf. Die Gefiederfarbe an den Flanken sowie auf der Körperunterseite variiert je nach Unterart. Einzelne Unterarten haben gelblich-braune Flanken und einen silbrig weißen Bauch. Bei anderen sind diese Körperpartien gleichfalls schwarz gefiedert. Die Augenfarbe variiert ebenfalls. Bei den asiatischen Unterarten sind sie gelb. Bei den europäischen und afrikanischen Unterarten dagegen rotbraun bis leuchtend rot.

Im Ruhekleid sind Zwergtaucher sehr unauffällig gefärbt. Die Körperoberseite ist bei den in Europa vorkommenden Unterarten dunkelbraun. Das Gesicht ist weißlich. Unterhals und Brust sind hellbraun. Die Körperunterseite ist weiß. Asiatische Unterarten weisen die rotbraune Färbung an den Kopfseiten auch im Ruhekleid auf. Die Populationen in Indonesien, Neuguinea und den daran angrenzenden Inselchen sowie in Malaysia wechseln nicht ins Ruhekleid, sondern tragen ihr Prachtkleid ganzjährig.

Beim Fliegen lässt der Zwergtaucher den ausgestreckten Hals weit unter die Körperachse durchhängen, die Beine werden nachgezogen. Ähnlich wie bei den übrigen Lappentauchern wirkt der meist geradlinige Flug des Zwergtauchers eher kraftlos.

Erscheinungsbild der Nestlinge

Dunenjunges

Frisch geschlüpfte Nestlinge sind an Nacken und Hinterhals schwärzlich braun. Die Stirn ist weißlich grau. Die Nestlinge haben über dem Auge einen schmalen beige bis orangefarbenen Streif. Das Kinn ist weißlich und weist eine braune Sprenkelung auf. Die Streifenzeichnung im Gesicht ist bei dunenjungen Zwergtauchern nicht ganz so intensiv wie etwa beim Haubentaucher oder beim Rothalstaucher. Die Jungen haben jedoch weißliche Streifen hinter dem Auge, auf den Ohrdecken sowie am Kinn. Der Hinterhals und der Rücken sind schwarz und weisen eine schmale rötlich beigebraune Streifung auf. Die Mitte der Körperunterseite ist weiß. Die Flanken sind schwarz. Der Lidring ist gräulich blau, die Iris ist dunkelbraun. Bei frisch geschlüpften Zwergtauchern ist der Schnabel zunächst gelblichrosa, ohne irgendwelche Abzeichen aufzuweisen. Bei den heranwachsenden Zwergtauchern erscheint sehr nahe am Schnabelansatz eine schwarze Binde.[3]

Stimme

Während der Fortpflanzungszeit verrät der Zwergtaucher seine Anwesenheit häufig durch seine auffallenden langen Triller. Beide Geschlechter haben die gleichen Rufe. Häufig rufen beide Partner sogar im Duett. Lautmalerisch wird der Ruf als bi-i-i-i-i-i... umschrieben. Die einzelnen Individuen unterscheiden sich dabei deutlich in der Tonhöhe, in der Lautstärke und der Dauer der einzelnen Phrase.

Der Ruf aggressiv erregter Zwergtaucher ist schriller und fällt am Ende der Phrase in seiner Tonhöhe deutlich ab. Der Alarmruf ist ein scharfes, metallisches pit.[4]

Verbreitung und Lebensraum

Tachybaptus ruficollis-map-distribution-de.svg

Das Verbreitungsgebiet reicht von West- und Mitteleuropa über Westasien und Indien bis nach China und Japan sowie über Südostasien nach Neuguinea. Es umfasst außerdem große Teile Afrikas sowie Madagaskar. Das Verbreitungsgebiet umfasst nach Schätzungen der IUCN insgesamt 36,7 Millionen Quadratkilometer.[5] In diesem riesigen Gebiet ist er allerdings nirgendwo übermäßig häufig.

In Europa befinden sich besonders große Populationen in Portugal, Großbritannien, Irland, Ungarn, Polen und Rumänien. Das europäische Brutgebiet erstreckt sich jedoch bis zum 63. nördlichen Breitengrad an der atlantischen Küste Norwegen. Sie brüten außerdem im Süden von Finnland und in Estland.[6] Der europäische Bestand gilt als stabil, allerdings kommt es nach strengen Wintern gelegentlich zu Bestandseinbrüchen. Die Bestandserfassung gilt jedoch als schwierig, da Zwergtaucher insbesondere während der Brutzeit ein sehr verstecktes Leben führen. Für die Jahre 1990 und 1991 wurde der Bestand in Deutschland auf 6.400 bis 8.000 Individuen geschätzt. Polen wies in diesem Zeitraum 7.500 bis 10.000 Individuen und Ungarn 9.000 bis 10.000 Zwergtaucher auf.[7]

In Abhängigkeit von den Wintertemperaturen ihres Brutareals sind Zwergtaucher Standvögel, Teilzieher oder Zugvögel. Brutvögel von Nordeuropa und Zentralrussland bis Polen und Norddeutschland sind überwiegend Zugvögel. Ausgesprochene Zugvögel sind auch in Mitteleuropa selten.[8] Europäische Brutvögel ziehen während der Winterzeit auf vegetationsärmere Gewässer und Flussläufe. Wenn Gewässer während des Winters zufrieren, ziehen die Populationen Mitteleuropas südwärts. Vor allem auf den Seen der Schweiz bilden sich dann große Ansammlungen. Am Genfersee sind dann gelegentlich bis zu 6.000 Zwergtaucher versammelt. In Afrika kommt es zu Wanderungen, die von den jahreszeitlichen Regenfällen abhängen.

Der Zwergtaucher siedelt zur Brutzeit bevorzugt an kleineren Stillgewässern oder langsam fließenden Bächen oder Flüssen. Besonders wichtig ist wegen der Störungssensibilität eine ausgeprägte Verlandungszone sowie eine gut ausgebildete Unterwasser- und Schwimmblattvegetation und eine große Dichte an Wasserwirbellosen. Sie meiden in der Regel Gewässer, in denen große Raubfische vorkommen.

Paarung, Brut und Aufzucht

Brütender Zwergtaucher

Die Balz fällt besonders durch andauerndes Trillern beider Partner sowie durch schnelles Entgegenschwimmen und Tauchen auf.

Die Brutzeit ist in Mitteleuropa von April bis Juli. Wie alle Lappentaucher nistet auch der Zwergtaucher am Wasserrand. Das Nest ist ein im flachen Wasser aufgeschichteter Haufen aus Pflanzenteilen. In tieferem Wasser ist das Nest gelegentlich ein an Uferpflanzen verankertes schwimmendes Nest. Am Bau des Nestes sind beide Elternvögel beteiligt. Das Gelege besteht in der Regel aus vier bis sechs Eiern. In seltenen Fällen kommen Gelege vor, die 10 Eier umfassen.[9] Die Eier sind unmittelbar nach der Eiablage weiß gefärbt, färben sich später jedoch bräunlich um. Wenn die Eltern während der Brutzeit das Nest verlassen, decken sie die Eier mit Nestmaterial ab.

Die gestreiften Jungen werden gelegentlich auf dem Rücken der Eltern getragen.

Nahrung

Zwergtaucher sind exzellente Schwimmer und Taucher und verfolgen besonders im Winter auch Fische. Ansonsten leben sie überwiegend von Insekten.

Gefährdung und Schutz

Tachybaptus ruficollis ruficollis.jpg

Zu Populationseinbrüchen kommt es bei den Zwergtauchern vor allem auf Grund kalter Winter. Auch Wasserstandsschwankungen führen zu einem verringerten Bruterfolg.[10] Brutplatzkonkurrenz mit Arten wie dem Rothals- und Haubentaucher sowie die Nahrungskonkurrenz mit bestimmten Fischarten spielen eine Rolle. [11]Daneben kam es ab den 1970er Jahren zu auffälligen Bestandsrückgängen. Deutliche Rückgänge gab es beispielsweise am südlichen Oberrhein, den Innstauseen, in der Oberpfalz und in Thüringen sowie im österreichischen Waldviertel, Teilen der Niederlande und Tschechien. Dieser Rückgang hält zum Teil regional noch an, doch seit den 1980er Jahren gibt es regional auch eine starke Zunahme.[12]

Insbesondere die Vernichtung der natürlichen Lebensräume und die Trockenlegung von Sümpfen und Auenlandschaften sowie die Bereinigung von Verlandungszonen haben den Zwergtaucher in weiten Teilen seiner Verbreitungsgebiete selten werden lassen. Daneben spielt die Verschlechterung der Habitate durch Intensivierung der Fischwirtschaft, Eutrophierung und Verschmutzung der Gewässer, Schilfsterben und Zusammenbruch der Weißfischbestände sowie Störungen durch Freizeitaktivitäten wie Angeln, Wassersport und Badebetrieb eine Rolle.[13] Auch die Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmitteln wie Pestizide setzen der Art zusätzlich zu, da die Gifte über die Nahrung aufgenommen werden. In der Nähe von Siedlungsräumen stellen Überlandstromleitungen und hohe Antennen eine Gefahr dar. Streckenweise bedroht auch der Tourismus das ungestörte Brüten der Vögel. Der Zwergtaucher ist nicht durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt. In der Roten Liste der IUCN wird die Art als "gering gefährdet" geführt.

Zwergtaucher

Der Zwergtaucher gilt als eine der Arten, die vom Klimawandel besonders betroffen sein wird. Ein Forschungsteam, das im Auftrag der britischen Umweltbehörde und der Royal Society for the Protection of Birds die zukünftige Verbreitungsentwicklung von europäischen Brutvögeln auf Basis von Klimamodellen untersuchte, geht davon aus, dass sich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts das Verbreitungsgebiet des Zwergtauchers deutlich verändern wird. Das Verbreitungsgebiet wird sich nach dieser Prognose um etwa ein Drittel verkleinern und gleichzeitig nach Norden verschieben. Zu den möglicherweise künftigen Verbreitungsgebieten zählen die mittlere Region Schwedens sowie ein großer Teil Finnlands; das Verbreitungsgebiet wird nach diesen Prognosen auch Island und die Küste Norwegens umfassen. Dagegen geht ein großer Teil des Verbreitungsgebietes auf der Iberischen Halbinsel und an der nördlichen Mittelmeerküste verloren.[14]

Belege

Literatur

  • Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel und Wolfgang Fiedler (Hrsg): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel, Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-647-2
  • Einhard Bezzel: Vögel. BLV Verlagsgesellschaft, München 1996, ISBN 3-405-14736-0
  • Jon Fjeldså: The Grebes. Oxford University Press, 2004, ISBN 0-19-850064-5
  • Collin Harrison und Peter Castell: Jungvögel, Eier und Nester der Vögel Europas, 2. überarbeitete Auflage, Aula-Verlag, Wiebelsheim 2004, ISBN 3-89104-685-5

Weblinks

Commons: Tachybaptus ruficollis – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Fjeldså, S. 153
  2. Bezzel, S. 70
  3. Harrison, S. 35
  4. Fjeldså, S. 154
  5. BirdLife Factsheet, aufgerufen am 8. Juli 2009
  6. Fjeldsä, S. 154
  7. Fjeldsä, S. 154
  8. Bauer et al., S. 183
  9. Harrison, S. 35
  10. Bauer et al., S. 184
  11. Bauer et al., S. 184
  12. Bauer et al., s. 183
  13. Bauer et al., S. 184
  14. Brian Huntley, Rhys E. Green, Yvonne C. Collingham, Stephen G. Willis: A Climatic Atlas of European Breeding Birds, Durham University, The RSPB and Lynx Editions, Barcelona 2007, ISBN 978-84-96553-14-9, S. 36

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