Tenreks



Tenreks

Kleiner Igeltenrek (Echinops telfairi)

Systematik
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Afrotheria
Ordnung: Tenrekartige (Afrosoricida)
Familie: Tenreks
Wissenschaftlicher Name
Tenrecidae
Gray, 1821
Unterfamilien

Die Tenreks oder Tanreks (Tenrecidae) sind eine auf Madagaskar und im mittleren Afrika lebende Säugetierfamilie. Diese Gruppe ist gestaltlich heterogen und umfasst unter anderem igel-, spitzmaus- und otterähnliche Vertreter. Früher wurde sie in die Gruppe der Insektenfresser (Lipotyphla) eingeordnet, molekulargenetische Untersuchungen zeigen jedoch, dass sie zusammen mit den Goldmullen (Chrysochloridae) eine eigene Säugetiergruppe bilden, die Tenrekartigen (Afrosoricida).

Merkmale

Körperbau und Gliedmaßen

Die nicht allzu großen Säugetiere füllen verschiedene ökologische Nischen aus. Insbesondere auf Madagaskar stellen sie ein gutes Beispiel adaptiver Radiation dar: Die Vorfahren der auf Madagaskar lebenden Tenreks gelangten vor etwa sechzig bis siebzig Millionen Jahren in diese Region. Die Tenreks passten sich im Laufe ihrer Entwicklung an verschiedene ökologische Nischen an, die unbesetzt geblieben waren, da andere Säugetiere fehlten. Dieser Prozess reduzierte gleichzeitig die innerartliche Konkurrenz und führte zu mehr als dreißig unterschiedlichen Arten, die sich im Körperbau und Lebensweise stark unterscheiden.[1]

Tenreks erreichen je nach Art eine Kopfrumpflänge von 4 bis 40 Zentimeter und ein Gewicht von 5 Gramm bis 2,4 Kilogramm. Die Schwanzlänge ist variabel und reicht vom kurzen Stummel bis zu mehr als Körperlange. Die Färbung des Fell variiert von grau über braun bis schwarz, wobei die Unterseite meist heller gefärbt ist. Zwei Arten der Igeltenreks haben am Rücken und an den Flanken ein Stachelkleid, das verblüffend an die Igel erinnert. Ähnlich wie diese können sie sich im Bedrohungsfall zusammenrollen.

Die Füße enden meist in fünf Zehen, die Beine zeigen keinen auffallenden Längenunterschied und der Daumen und die Großzehe sind nicht opponierbar. Im inneren Bau der Gliedmaßen sind Schien- und Wadenbein manchmal am unteren Ende verwachsen. Das Obere Sprunggelenk wird in der Regel nur durch Schien- und Sprungbein gebildet. Eine Ausnahme sind die Otterspitzmäuse, die sich auch im Fehlen des Schlüsselbeins anatomisch von den anderen Arten unterscheiden.

Kopf und Zähne

Der Schädel der Tenreks ist langgestreckt und flach, die Schnauze ist lang und beweglich. Die Ohren sind meist vergleichsweise groß, die Augen hingegen klein. Das Gehirn zählt zu den am einfachsten gebauten aller Höheren Säugetiere, Neocortex und Striatum sind sehr klein, der Riechkolben hingegen vergrößert.

Die Zahnformel lautet I 2-3/2-3 C 1/1 P 3/3 M 2-3/2-3, insgesamt haben sie also 32 bis 40 Zähne. Der Bau und die Anordnung der Zähne sind unterschiedlich, bei einigen Arten gibt es ausgeprägte Diastemata (Zahnzwischenräume). Die Molaren der Otterspitzmäuse unterscheiden sich im Bau der Kaufläche deutlich von denen der übrigen Arten.

Innere Anatomie

Auffälliges Merkmal der Tenreks ist die Kloake, eine gemeinsame Austrittsöffnung für Geschlechts- und Ausscheidungsorgane. Die Hoden liegen bei vielen Arten in der Bauchhöhle, bei Kleintenreks und Reiswühlern sind sie in das Becken verlagert und lediglich bei den Otterspitzmäusen liegen sie in hodensackähnlichen Hauttaschen (Cremastersäcken). Ein Penisknochen (Baculum) ist mehr oder weniger stark ausgebildet. Die Gebärmutter ist bei Weibchen stets zweihörnig ausgebildet (Uterus bicornis).

Tenreks können ihre Körpertemperatur nicht im gleichen Ausmaß regeln wie die meisten anderen Höheren Säugetiere. Sie passt sich in stärkerem Ausmaß der Außentemperatur an und ist deshalb Schwankungen unterworfen. Von mehreren Arten sind kurze Phasen eines Torpors (Starrezustand) bekannt, vom Großen Tenrek auch ein winterschlafähnlicher Zustand.

Verbreitung und Lebensraum

Großer Tenrek (Tenrec ecaudatus)

Die meisten Arten sind auf Madagaskar und kleineren benachbarten Inseln endemisch, lediglich die Otterspitzmäuse kommen im westlichen und zentralen Afrika (von Guinea und der Demokratischen Republik Kongo bis Angola und Sambia) vor. Sie bewohnen eine Vielzahl von Lebensräumen, kommen aber eher in Wäldern vor. Manchmal finden sie sich auch in Buschländern und sogar Halbwüsten.

Lebensweise und Ernährung

Tenreks sind vorrangig Bodenbewohner, nur vereinzelte Arten wie manche Vertreter der Kleintenreks klettern manchmal auf Bäume. Einige Arten wie die Otterspitzmäuse und der Wassertenrek führen eine aquatische (im Wasser stattfindende) Lebensweise und die Reiswühler leben teilweise grabend unter der Erde. Tenreks sind generell eher nachtaktive Einzelgänger, tagsüber ziehen sie sich in selbstgegrabene Erdbaue oder andere Unterschlupfe zurück.

Die Nahrung der Tenreks besteht in erster Linie aus Insekten und anderen wirbellosen Tieren wie Regenwürmern, die aquatischen Arten nehmen auch Krebstiere zu sich. Manchmal erbeuten sie auch kleine Wirbeltiere oder fressen Aas, in kleinerem Ausmaß nehmen sie auch pflanzliches Material wie Früchte zu sich.

Fortpflanzung

Die Fortpflanzung verläuft bei den einzelnen Arten sehr unterschiedlich. Die Anzahl der Zitzenpaare der Weibchen variiert zwischen einem (bei Otterspitzmäusen) bis zu zwölf beim Großen Tenrek. Dementsprechend liegen auch die Wurfgrößen zwischen einem und bis zu 31 beim Großen Tenrek, der größte Wert aller Säugetiere. Die Tragzeit liegt meist zwischen 55 und 69 Tagen, zur Geburt errichten die Weibchen oft Nester aus Gräsern und anderem Material. Neugeborene Tenreks sind blind und hilflos, wachsen aber schnell.

Tenreks und Menschen

Wie viele andere waldbewohnende Tierarten Madagaskars und Zentralafrikas sind auch die Tenreks durch die fortschreitende Zerstörung ihres Lebensraums in ihrem Bestand gefährdet. Die IUCN listet sechs Arten als stark gefährdet (endangered) oder gefährdet (vulnerable), darunter die Zwerg-Otterspitzmaus, die nur ein kleines Gebiet in Westafrika bewohnt, den Wassertenrek und mehrere Arten der Kleintenreks. Die Igeltenreks hingegen haben sich als Kulturfolger an die Nähe des Menschen gewöhnt und sind nicht bedroht. Der Kleine Igeltenrek hat in jüngerer Zeit eine gewisse Verbreitung als Heimtier erlangt.

Systematik

Äußere Systematik

Lange Zeit wurden Tenreks zur Ordnung der Insektenfresser (Lipotyphla) gezählt, mit denen sie zahlreiche morphologische Gemeinsamkeiten aufweisen. Molekulargenetische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Tenreks zu einer gänzlich anderen Entwicklungslinie gehören, nämlich zu den Afrotheria, einer inhomogenen Gruppe von Säugetieren, die ihren Ursprung in Afrika hat. Auch die Goldmulle, maulwurfsähnliche Tiere aus Afrika, die früher ebenfalls zu den Insektenfressern gerechnet wurden, werden aufgrund dieser Untersuchungen hierher eingeordnet und stellen die nächsten Verwandten der Tenreks dar. Beide Gruppen gemeinsam bilden die Ordnung der Tenrekartigen (Afrosoricida).

Innere Systematik

Die Familie der Tenreks kann in vier Unterfamilien geteilt werden:

Entgegen früher manchmal vertretenen Meinung wurde durch molekulargenetische Untersuchungen gezeigt, dass die Tenreks monophyletisch sind, das heißt von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, und dass die Otterspitzmäuse die Schwestergruppe der übrigen, auf Madagaskar lebenden Tenreks sind. Innerhalb dieser Gruppe bilden die Igeltenreks demnach die Schwestergruppe der „weichfelligen“ Tenreks (Reis- und Erdtenreks).

Entwicklungsgeschichte

Die ältesten Fossilienfunde der Tenreks stammen aus dem Miozän aus Afrika, in Madagaskar ist die Gruppe durch Fossilien erst seit dem Pleistozän belegt. Die Gruppe ist aber unzweifelhaft älter: mit Hilfe der molekularen Uhr berechneten Christophe Douady et al., dass sich die Otterspitzmäuse vor rund 53 Millionen Jahren von den übrigen Tenreks trennten. Sie schätzen, dass die Radiation der madagassischen Vertreter vor rund 37 Millionen Jahren begann und somit die Vorfahren der auf Madagaskar lebenden Tiere die Insel zwischen diesen beiden Punkten erreicht haben müssten. Wie das geschah, ist unklar, vorgeschlagen wurde die Möglichkeit einer zeitweiligen Landbrücke oder das Überqueren der Straße von Mosambik auf Treibholz.

Die Situation wird durch den Fund von Parageogale aus dem frühen Miozän Afrikas erschwert, der als naher Verwandter des Erdtenrek in die Unterfamilie der Geogalinae eingeordnet wird. Sollte dies zutreffen, ist die biogeographische Entwicklungsgeschichte der Tenreks komplizierter als oben dargestellt und muss möglicherweise eine zweite Wanderungsbewegung (vom Festland nach Madagaskar oder umgekehrt) einschließen. Diese Frage kann zum derzeitigen Zeitpunkt aber nicht beantwortet werden.

Quellen

Belege

  1. David Quammen: Der Gesang des Dodo - Eine Reise durch die Evolution der Inselwelten. List Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-548-60040-9, S. 55 und S. 56

Literatur

  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9.
  • Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. 3. Ausgabe. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, ISBN 0-8018-8221-4.
  • Christophe Douady et al.: Molecular Evidence for the Monophyly of Tenrecidae (Mammalia) and the Timing of the Colonization of Madagascar by Malagasy Tenrecs. In: Molecular Phylogenetics and Evolution Vol. 22 (2002) S. 357–363 PDF

Weblinks

Commons: Tenreks – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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