Stuhlgang


Leibstuhl

Als Stuhlgang bzw. medizinisch Defäkation (von lateinisch faex ‚Hefe, Bodensatz‘) bezeichnet man das Ausscheiden von Kot aus dem menschlichen Verdauungstrakt bzw. Darm. Die Bezeichnung Stuhlgang rührt vom Gang zum Leibstuhl her, der im 18. Jahrhundert entwickelt wurde und aus einem Stuhl mit eingebautem Nachttopf zur Aufnahme der Fäkalien bestand.

Im Darm wird Kot durch Muskelkraft durchmischt und weitertransportiert (nicht-propulsive bzw. propulsive Peristaltik). Der Stuhlgang wird schließlich im Enddarm (Mastdarm) vorübergehend gesammelt, bis Dehnungsrezeptoren in der Darmwand dann im Gehirn das Bedürfnis zur Ausscheidung stimulieren. Diese kann von den meisten Menschen bewusst gesteuert werden; verantwortlich dafür ist der Schließmuskelring des Anus. Diese Fähigkeit heißt Kontinenz. Bei Menschen, die ihren Stuhlgang nicht bewusst kontrollieren können, spricht man von Stuhlinkontinenz. Störungen des Stuhlgangs nennt man Dyschezie.

Häufigkeit und Ausprägung

Die meisten Menschen haben täglich Stuhlgang, aber dennoch kann die Häufigkeit beim gesunden Menschen von 3 Mal täglich bis 3 Mal wöchentlich variieren.[1] Erst bei deutlichen Abweichungen von den individuellen Gewohnheiten spricht man von Durchfall oder Verstopfung. Die Konsistenz schwankt zwischen hart und weich erheblich von Mensch zu Mensch und auch je nach körperlicher und seelischer Verfassung, hängt vor allem aber von der aufgenommenen Nahrung ab. Sie kann nach der Bristol-Stuhlformen-Skala bewertet werden. Europäer haben in der Regel tägliche Stuhlgewichte von 100−200 g, Vegetarier infolge des höheren Ballaststoffanteils in der Nahrung bis 350 g. Die Menge des bei einem einzigen Stuhlgang ausgeschiedenen Materials kann im Einzelfall auch bis zu 1 kg betragen. Bakterien machen dabei etwa 10–20 % der Stuhlmasse aus. Aufgrund der Peristaltik und der Speicherfähigkeit des Darmes kommt bei den meisten Menschen etwa eine Minute nach der Erstentleerung, die den Hauptanteil stellt, noch weiterer Kot in etwas weicherer Form hinzu. Medizinisch gilt ein großes Stuhlvolumen als günstig (der Stuhl sollte zumindest anfangs auf dem Wasser schwimmen). Die braune Farbe wird hauptsächlich durch das Tetrapyrrol Sterkobilin hervorgerufen, welches auch die Farbe des Urins bestimmt. Die Farbe des Stuhles wird jedoch auch durch die aufgenommene Nahrung und/oder Krankheiten des Magen-Darm-Traktes beeinflusst.

Körperhaltung

Tiefspültoilette

Die Körperhaltung beim Stuhlgang unterscheidet sich nach Art und Einrichtung und nach Kulturkreis. In Mitteleuropa werden dafür meistens Sitztoiletten verwendet. In Südeuropa oder Asien (Artikel: Toiletten- und Sanitärkultur in Japan) finden sich noch häufig Steh- bzw. Hocktoiletten, welche von manchen Menschen als hygienischer erachtet werden, letztlich und hauptsächlich aber billiger sind. Sitztoiletten breiten sich aus folgenden Gründen rund um den Globus aus: Nicht nur ältere Leute tun sich aufgrund ihrer Bewegungseinschränkungen und Sturzgefährdung damit wesentlich leichter; auch im Falle einer Durchfallerkrankung, aber auch bei verschiedenen Blasenentleerungsstörungen ist es von Vorteil, sich nicht erst tief bücken zu müssen.

Durchführung

Der Kot wird durch Anspannen der Bauchmuskulatur und Entspannen der Schließmuskel bei der Stuhlentleerung aus dem Enddarm bewegt. Starkes Pressen kann die Bildung eines Hämorrhoidenleidens fördern. Sollte der Kot sich nur sehr schwer ausscheiden lassen, spricht man von einer Verstopfung (Obstipation, Konstipation). Im Allgemeinen wird zur Durchführung des Stuhlganges eine Toilette aufgesucht.

Intimreinigung

Auch die Art der Reinigung nach dem Stuhlgang hängt stark vom Kulturkreis ab und wird meist mit Hilfe von eigens dafür gefertigtem Toilettenpapier oder mit Hand, Wasser und Seife durchgeführt. Dazu kann auch ein Bidet benutzt werden.

Scham und Öffentlichkeit

Antike römische Gemeinschaftslatrine in Ostia antica

Im Gegensatz zum Harnlassen, das zumindest in den meisten öffentlichen Herrentoiletten Deutschlands noch in einem offenen Raum stattfindet (siehe auch: Urinal, Pinkelrinne), wird der Stuhlgang heutzutage in der Regel in abschließbaren Kabinen verrichtet. Überlieferungen aus der Antike oder dem Mittelalter zeigen, dass es damals beim Verrichten der Notdurft noch keine Geheimnisse und Schamgefühle gab.[2] Diese entstanden erst später und entwickelten sich zeitlich zunächst in den größeren Städten, wahrscheinlich auch aufgrund der durch Kot übertragbaren Krankheiten. Aber auch die Nacktheit des Unterleibs und das Zurschaustellen der Geschlechtsorgane hemmt viele Menschen, ihren Stuhlgang in Gegenwart anderer Menschen auszuführen. Auf dem Land hingegen war das Gemeinschaftsgefühl häufig noch stärker ausgeprägt. Innerhalb der Familie gab es noch bis ins 19. Jahrhundert Gemeinschaftssitze. In den skandinavischen Wochenendhäusern einfacher Prägung findet man auch heute noch externe mehrsitzige Plumpsklos. In China sind, nicht nur auf dem Land, Toiletten ohne Trennwände, in denen man sich auch noch gegenübersitzt, häufig anzutreffen, ohne dass dies das Schamgefühl anrührte.

In einem noch größeren Umfang als das Anspucken und das Harnlassen stellt der Stuhlgang auf eine Person oder auch auf einen speziellen Gegenstand eine Demütigung des Opfers dar, die wiederum im Mittelpunkt einiger Sexualpraktiken des BDSM-Spektrums steht; anders die Koprophilie, bei der der Koprophile sexuelle Stimulierung durch den Umgang mit dem Stuhl erfährt.

Vegetativer Hintergrund

Wenn das Rektum durch zunehmende Füllung gedehnt wird, werden anorektale Afferenzen aktiv und es entsteht ein vermehrter Stuhldrang. Der zur glatten Muskulatur gehörende innere Schließmuskel entspannt sich, während der Tonus des quergestreiften äußeren Schließmuskels steigt.

Bei Erfolgen der Defäkation muss der äußere Schließmuskel bewusst entspannt werden. Die Defäkation tritt ein, wenn auch der innere Schließmuskel erschlafft und gleichzeitig die Kontraktion von Sigmoid und Mastdarm ausgelöst wird. Das geschieht durch rektale Afferenzen über einen spinalen parasympathischen Reflex, den Defäkationsreflex.

Wortschatz

Umgangssprachlich, aber vulgär, wird Stuhlgang auch als kacken (von lat. {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) ‚scheißen‘) oder scheißen (von indogermanisch skei- ‚spalten, trennen, absondern‘) bezeichnet.

Literatur

  • Mila Schrader: Plumpsklo, Abort, Stilles Örtchen, 2003, ISBN 3-931824-25-X.
  • Rainer Klinke (Hrsg.): Physiologie. Thieme, 5. komplett überarbeitete Auflage. Stuttgart und New York 2005, ISBN 3-13-796005-3.
  • Franz Knoedler: De egestionibus. Texte und Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Koproskopie, Würzburg 1979 (Würzburger medizinhistorische Forschungen, 18).
  • John Gregory Bourke: Der Unrat in Sitte, Brauch, Glauben und Gewohnheitsrecht der Völker. Unveränd. Nachdr. der dt. Erstausg., Ethnologischer Verl., Leipzig 1913. - Eichborn, Frankfurt am Main 1996. - 600 S. Originaltitel: Scatalogic rites of all nations. ISBN 3-8218-0503-X.

Anmerkungen

  1. H. Krammer, C. Kolac, U. Köhler und Stephan C. Bischoff: Tabuthema Obstipation: Welche Rolle spielen Lebensgewohnheiten, Ernährung, Prä- und Probiotika sowie Laxantien. Aktuel Ernaehr Med. 2009; 34:38-49, DOI 10.1055/s-2008-1067563
  2. Für Darstellungen des öffentlich praktizierten Stuhlgangs, insbesondere zur Demütigung von Feinden, aus der Zeit der Französischen Revolution, vgl. Martin Höppl (2010): Druckgraphik der Französischen Revolution. Kunstgeschichte, Kulturanthropologie und Kollektivpsyche. In: Helikon. A Multidisciplinary Online Journal, 1. 144–183.

Weblinks

Commons: Stuhlgang – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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