Staatsforst Göhrde


Der Staatsforst Göhrde (kurz: die Göhrde) ist das größte zusammenhängende Mischwaldgebiet Norddeutschlands und liegt im Landkreis Lüchow-Dannenberg und Landkreis Lüneburg.

Beschreibung

Der Staatsforst nahe der Ortslage Röthen

Die Göhrde umfasst das gesamte gemeindefreie Gebiet Göhrde, Teile der Gemeinde Göhrde (beides Landkreis Lüchow-Dannenberg) sowie Teile der Gemeinden Nahrendorf und Boitze (Landkreis Lüneburg). Der Forst ist ein Teilbereich des Naturparks Elbhöhen-Wendland und erstreckt sich auf einem durchschnittlich 80 Meter über NN (etwa 50 bis 110 m NN) befindlichen Hochplateau im Nordwesten des Drawehn.

Der Staatsforst Göhrde ist rund 75 km² groß und in Kernbereichen mit sehr altem Baumbestand bewachsen. Viele dieser Baumriesen (vor allem Stieleichen) sind als Naturdenkmäler ausgewiesen und geschützt. Hauptbaumarten des Waldes auf meist sandbödigem, welligem Relief sind Waldkiefern sowie Rotbuchen, Fichten und Eichen. Die langstieligen Eichen sind für den Waldbau bedeutsam und gehören zu den gewinnbringendsten in Deutschland. Das liegt an feinen Jahresringen, die durch das sonnenwarme und niederschlagsarme Klima entstehen. Im Breeser Grund im Süden der Göhrde hat sich ein 37 ha großer Hutewald mit alten Solitäreichen und Heidelandschaft erhalten.

Im Wald leben Damwild, Rotwild und europäische Mufflons.

Als besonders schutzwürdige Kernzonen sind als FFH-Gebiete der „Breeser Grund“ sowie die „Buchenwälder in der Göhrde“ südöstlich des Ortes Göhrde an die EU gemeldet worden.

Geschichte

Archäologische Funde lassen auf eine Besiedelung der Göhrde bereits im Neolithikum schließen. Zu den Bodendenkmälern gehören vor allem zwei jungsteinzeitliche Großsteingräber bei Grünhagen (Leitstade I und II), die noch vor dem Jahre 2500 v. Chr. entstanden und der Opferstein von Plumbohm. Urnenfelder aus der Bronzezeit deuten darauf hin, dass die frühen Siedlungen rund um die heutige Göhrde lagen.

Zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert lag die Göhrde im Grenzgebiet zwischen Sachsen und Wenden, die aus dem Osten über die Elbe vorgedrungen waren. Der Name Göhrde leitet sich wahrscheinlich aus dem slawischen Wort gora=Berg ab.

Ab dem 12. Jahrhundert wurde mit den ersten Grafschaften eine Verwaltungsgliederung im Wendland eingeführt. In dieser Zeit bildeten sich auch Siedlungen in der Göhrde selbst. Das ehemalige Dorf Krötz (damals: Croitz) wird erstmals in einer Urkunde von 1289 erwähnt, einem Vertrag zwischen Herzog Otto von Braunschweig und Lüneburg und dem Uelzener Abt Johann über die Überlassung von Salz der Lüneburger Saline. Diese Dörfer jedoch, vornehmlich die Orte Lütz, Krötz und Vieschau, wurden in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Auftrag der regierenden Fürsten zerstört und ihre Bewohner vertrieben, denn die Göhrde war ein bevorzugtes Jagdgebiet der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg. Im Jahre 1456 wird die Göhrde herzoglicher Bannforst und damit für alle gesperrt, die nicht zum Hof gehörten. Das Dannenberger "Amptbuch" von 1559 schreibt über ein weiteres Göhrde-Dorf mit dem Namen Vickow (auch Viekau oder Wiekau): Vickow "ist jetzt Wüste undt seind die Leute im Ampte Hitzacker vor setzett". Die Viekau-Kuhle im Jagen 210 bezieht sich auf diese Ansiedlung.

In dieser Zeit wurden die Eichen- und Buchenwälder des Göhrderandes von den ringsum siedelnden Bauern zur Viehmast ihrer Kühe und Schweine genutzt, freilich nur auf vorgeschriebenen Wegen und im Rahmen strenger "Mastordnungen", die als Gegenleistung Abgaben an den adligen Grundbesitzer regelten. Daher rühren Bezeichnungen wie "Boecker Kuhtrift", "Eichdorfer Rindertrift" oder "Schweinsgrund". Jedoch die Lüneburger Fürsten nutzten die Göhrde ebenfalls zur Viehmast, was auch Gegenstand von Verträgen zwischen ihnen war.

Die Holzrechte verblieben bei den Lüneburger Herzögen und gestatteten nur wenige Ausnahmen für den Holzeinschlag. Ein Holzvogt überwachte als fürstlicher Beamter die Nutzung des Forstes und wurde ebenfalls durch bäuerliche Abgaben unterhalten. Sein Haus gehörte zum Jagdanwesen, dessen Haupthaus, das "Lusthaus", um die Mitte des 16. Jahrhunderts als Jagdhütte errichtet worden war. Diese Jagdhütte war ein zweigeschossiges Holzhaus, in dessen Erdgeschoss die herzogliche Schlafkammer, eine Stube, eine Kammer für den Koch, ein Vorraum und eine Küche mit offener Feuerstelle lag. Im oberen Stockwerk befanden sich zwei kleine Räume für Jagdtrophäen. Weitere Nebengebäude außer dem Haus des Holzvogtes waren ein Stallgebäude mit Knechtsstube und ein Netzhaus mit Hirsch-, Hasen- und Rehnetzen, denn damals wurde das Jagdgebiet einfach mit Netzen umgeben, damit das Wild nicht entfliehen konnte. Die Jagdhütte war die Vorläuferin des späteren Jagdschlosses in der Göhrde.

Georg Ludwig, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, als Georg I. ab 1714 König von Großbritannien und Irland, beauftragte ab 1706 den Bau eines dreistöckigen Jagdschlosses in der Göhrde. Verantwortlicher Baudirektor war der Marquese und kurfürstliche Kammerherr Giacomo Quirini. 1709 war der damals stilvollste und größte Barockbau im Lüneburger Raum nach Plänen des Hofarchitekten Louis Remy de la Fosse abgeschlossen, der mit zahlreichen Nebengebäuden aufwarten konnte: ein Traiteur-Haus für den Hofkoch, eine Unzahl von Ställen, darunter der Marstall für mehr als 500 Pferde, der Stall des Kurprinzen, der Neue Stall, der Celler Stall, der Hannoversche Stall, der bischöflich-Osnabrücker Stall, der Parforce-Stall, außerdem ein Jagdhof mit Hundezwinger und Piqueurs-Keller für die Jäger, ein Wohnhaus für den Oberjägermeister und ein Schlosstheater für die Komödiantentruppe. Hinzu kamen ein Schlachthaus, ein Viehhof, ein Waschhaus, eine Schmiede, ein Wagenschuppen, ein Lagerhaus, ein Backhaus und eine Eisgrube für die Lagerung von Stangeneis.

Ab 1766 war zwar die Göhrde noch königlicher Jagdbesitz, wurde jedoch nicht mehr bejagt, als Georg III. anordnete, die Jagd in der Göhrde zu verpachten, sich aber kein Pächter fand. Auch das Schloss blieb ungenutzt und war dem Verfall preisgegeben. 1772 benutzt die verbannte dänische Königin Mathilde das Schloss als Zwischenaufenthalt vor ihrem Einzug ins Celler Schloss. Etwa 50 Jahre später ließ Georg IV. das Schloss abbrechen. Der Abbruch begann am 7. Januar 1827, und das noch brauchbare Material wurde versteigert, was etwa 10 Prozent der einstigen Bausumme deckte. Einzig der große Marstall und ein Kavaliershaus wurden instandgesetzt, um dann und wann Jagdzwecken zu dienen. In der Ortschaft Göhrde im Kerngebiet des Staatsforstes stehen noch Gebäude des ehemaligen Jagdschlosses Göhrde. In den erhaltenen Gebäuden ist das Bildungszentrum Göhrde untergebracht.

1866 annektierte Preußen das Königreich Hannover und machte es zur preußischen Provinz Hannover. Fürst Pleß war neuer Oberstjägermeister in der Göhrde. Am 3. Dezember 1871 kam der preußische König Wilhelm I. - nunmehr deutscher Kaiser - erstmals in die Göhrde und beschloss, hier alljährliche Hofjagden abzuhalten, woran auch Kaiser Wilhelm II. festhielt. Wilhelm II. war es auch, der Mufflons in der Göhrde aussetzen ließ, die bereits 1910 zum jagdbaren Wild erklärt werden konnten.

Am nördlichen Rand des Forstes im Dorf Breese am Seißelberge befindet sich der nach dem Staatsforst benannte Bahnhof Göhrde der Wendlandbahn. Da über diesen Bahnhof die Kaiser Deutschlands zur Jagd in den Forst fuhren, trägt er auch die umgangssprachliche Bezeichnung Kaiserbahnhof.

Zum Ende des deutschen Kaiserreiches 1918 endete auch die kaiserliche Jagd, und 1934 wurde die Göhrde Staatsjagdrevier und schließlich Staatsforst.

Der Staatsforst Göhrde wurde im Sommer 1989 bundesweit durch zwei nur wenige Wochen auseinander liegende Doppelmorde, die Göhrde-Morde, schlagartig bekannt.

Der Staatsforst Göhrde ist seit den 1980er Jahren auch immer wieder Ort von Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei um Atommülltransporte in das Atommülllager Gorleben.

2011 wurde mehrfach über Wolfsichtungen berichtet. Es wird vermutet, dass ein Wolf aus dem Osten Deutschlands stammt.[1]

Literatur

  • Ernst Andreas Friedrich: Naturdenkmale Niedersachsens. Hannover, 1980. ISBN 3-7842-0227-6
  • Nicolaus Neumann: Die Göhrde - Ein Wald und seine Geschichte. Lüchow, o. J.

Einzelnachweise

Koordinaten: 53° 6′ 43″ N, 10° 49′ 52″ O

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