Samuel Thomas von Soemmerring


Samuel Thomas Soemmerring, Porträt von Wendelin Moosbrugger (1813)

Samuel Thomas Soemmerring, seit 1808 Ritter von Soemmerring, auch Sömmerring (* 28. Januar 1755 in Thorn; † 2. März 1830 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Anatom, Anthropologe, Paläontologe und Erfinder. Soemmerring entdeckte den „gelben Fleck“ in der Netzhaut des menschlichen Auges. Seine Untersuchungen über das Gehirn und das Nervensystem, über die Sinnesorgane, über den Embryo und dessen Fehlbildungen, über den Bau der Lungen, über die Brüche etc. machten ihn zu einem der bedeutendsten deutschen Anatomen.

Werdegang

Samuel Thomas Soemmerring war das neunte Kind des Arztes Johann Thomas Soemmerring und der Pfarrerstochter Regine Geret. 1774 beendete er die Schulbildung in Thorn und begann als 19-Jähriger Medizin an der Universität Göttingen zu studieren. 1778 wurde er Doktor der Medizin. Er wurde 1779 Professor der Anatomie am Kasseler Collegium Carolinum, wo er unter anderem einen Elefanten präparierte, dessen Schädel sich Goethe im Jahr 1784 auslieh, um daran seine Studien zum Zwischenkieferknochen voranzutreiben.[1] Soemmering[2] war Mitglied der königlich britischen Gesellschaft der Wissenschaften in Kassel und Mitarbeiter der Göttingischen gelehrten Anzeigen, ab 1784 lehrte er an der Universität Mainz. Dort war er fünf Jahre Leiter der Medizinischen Fakultät und avancierte 1788 zum Hofrat und Leibarzt. Im selben Jahr wurde er in London Freimaurer. 1779 wurde er Mitglied der Loge Zum gekrönten Löwen in Kassel und 1780 mit dem Namen „Marmessos” Direktor des Kasseler Rosenkreuzerzirkels. Hier war er ein Freund von Georg Forster. Die Schrift Soemmerrings Über das Organ der Seele wurde mit einer Bemerkung Immanuel Kants publiziert[3].

Im Jahre 1795 (1800?) eröffnete er eine Praxis als praktischer Arzt in Frankfurt am Main. Als eine seiner vielen wichtigen Unternehmungen führte Soemmerring gegen viele Widerstände die Impfung gegen Pocken ein und wurde Gründungsmitglied der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Er erhielt Angebote der Universität Jena und St. Petersburg, nahm aber 1805 einen Ruf an die Bayerische Akademie der Wissenschaften in München an. König Max I. Joseph von Bayern verlieh ihm am 11. Mai 1808 in München den Verdienstorden der Bayerischen Krone – als Samuel Thomas Ritter von Soemmerring wurde er damit in den persönlichen Ritterstand erhoben. Im gleichen Jahr wurde er kurfürstlich pfalzbayrischer Hofrat und 1808 in den Adelsstand erhoben. Im Jahre 1810 wurde er Geheimrat.

Schon im Jahre 1778 hatte er in seiner Doktorarbeit die Einteilung der zwölf Hirnnerven beschrieben: seine Studie hat bis heute Gültigkeit. Er veröffentlichte viele Schriften im Felde Medizin, Anatomie und Neuroanatomie, ebenfalls in Anthropologie, Paläontologie, Astronomie, Physik und Philosophie und war ein Gegner Friedrich Wilhelm Joseph von Schellings. Unter anderem schrieb er über Urzeitkrokodile und Flugsaurier.

1792 heiratete Soemmerring Margarethe Elisabeth geb. Grunelius (1768–1802). Aus der Ehe gingen ein Sohn (Dietmar Wilhelm, 1793–1871) und eine Tochter (Susanne Katharina, 1796–1867) hervor.

Seine Thesen der Unterlegenheit schwarzer Menschen gegenüber europäischen Menschen leitete er aus der Obduktion von Leichen von Afrikanern ab. Sein Zeitgenosse Johann Friedrich Blumenbach kritisierte ihn dafür scharf.

Soemmerring konstruierte ferner ein Teleskop zur Himmelsbeobachtung und stellte 1809 in München vor den Mitgliedern der Königlichen Akademie der Wissenschaften einen elektrischen Telegrafen vor, bei dem Einzelbuchstaben durch galvanische Zersetzung von Wasser übermittelt werden sollten (ein Modell befindet sich heute in Frankfurt am Main im Museum für Kommunikation). Er arbeitete über die Veredelung des Weins, über Zeichnungen, die sich beim Ätzen des Meteoreisens auf demselben bilden, über die Sonnenflecken und vieles andere. 1811 entwickelte er den ersten Telegrafen in Bayern, der heute im Deutschen Museum in München ausgestellt ist, allerdings nie praktische Anwendung fand.

Auf Grund des Wetters verließ Soemmerring 1820 München und zog zurück nach Frankfurt am Main. Er war ein Träger des Guelphen-Ordens. Im Jahre 1830 verstarb er dort und wurde auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.

Nach Soemmerring sind der Mondkrater Sömmering, eine Straße im Frankfurter Nordend, eine Straße und ein Platz in der Mainzer Neustadt sowie der Samuel Thomas von Soemmerring-Preis des Physikalischen Vereins für astronomische Arbeiten benannt. Bis 1941 bestand ein Soemmering-Denkmal vor dem Frankfurter Zoo.

Werke

Samuel Thomas von Sömmerring, Porträt von Carl Wilhelm Bender
  • Über die körperliche Verschiedenheit des Mohren vom Europäer, Mainz 1784 (Digitalisat)(Neu herausgegeben und kommentiert von Sigrid Oehler-Klein, Fischer-Verlag Stuttgart, 1998)
  • Vom Hirn- und Rückenmark, Mainz 1788 (2. Aufl. 1792)
  • Vom Bau des menschlichen Körpers, 6 Bde., Frankfurt am Main 1791−1796 (2. Aufl. 1800; weitere Aufl. in 8 Bänden von Bischoff, Henle u. a., Leipzig 1839–1845)(Neu herausgegeben und kommentiert von Reinhard Hildebrand, bis 2012)
  • De corporis humani fabrica, 6 Bde., Frankfurt am Main 1794–1801
  • De morbis vasorum absorbentium corporis humani, Frankfurt am Main 1795
  • Abbildungen und Beschreibungen einiger Misgeburten [!] die sich ehemals auf dem Anatomischen Theater zu Cassel befanden, Mainz 1795 (Neu herausgegeben und kommentiert von Ulrike Enke, Schwabe-Verlag Basel, 2000.)
  • Über das Organ der Seele, Königsberg 1796 (mit einem Beitrag von Immanuel Kant). (Neu herausgegeben und kommentiert von Manfred Wenzel, Schwabe-Verlag Basel, 2000.)
  • Tabula sceleti feminini, Frankfurt am Main 1798
  • Icones embryonum humanorum, Frankfurt am Main 1799 (Neu herausgegeben und kommentiert von Ulrike Enke, Schwabe-Verlag Basel, 2000.)
  • Abbildungen des menschlichen Auges, Frankfurt am Main 1801 (Neu herausgegeben und kommentiert von Jost Benedum)
  • Abbildungen des menschlichen Hörorgans, Frankfurt am Main 1806
  • Abbildungen des menschlichen Organs des Geschmacks und der Stimme, Frankfurt am Main 1806
  • Abbildungen der menschlichen Organe des Geruchs, 1809

Soemmerrings Briefwechsel mit Georg Forster wurde von Hettner herausgegeben (Braunschweig 1878). Soemmerrings Briefwechsel mit Johann Wolfgang von Goethe wurde von Manfred Wenzel herausgegeben (Stuttgart 1988).

Literatur

  • Immanuel Kant. In: S. Th. Sömmerring über das Organ der Seele. Mit Kupfern. Königsberg, 1796. bey Friedrich Nicolovius, S. 81-86.
  • Samuel Thomas Soemmerring: Werke. Begründet von Gunter Mann, hg. von Jost Benedum und Werner Friedrich Kümmel. [Werkausgabe der Werke Samuel Thomas Soemmerrings in 20 Bänden]. Hg. von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Stuttgart, Jena et al.: Fischer (bis 1999); Basel: Schwabe (ab 2000 bis 2012).
  • Soemmerring-Forschungen: Beiträge zur Naturwissenschaften und Medizin der Neuzeit. Hg. von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Stuttgart: Fischer, Bd 1. 1985 bis Bd. 9. 1994 (danach Erscheinen eingestellt).
  • Manfred Wenzel: Die Soemmerring-Edition der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. In: Acta historica Leopoldina Nr. 20, 1992, S. 105-120.
  • Peter McLaughlin, Soemmerring und Kant. Über das Organ der Seele und den Streit der Fakultäten. In: Soemmerring-Forschungen, Band 1, 1985, S. 191-201 (auch als PDF-Datei)
  • Friedrich Tiedemann: Zu Samuel Thomas von Sömmerring's Jubelfeier. Groos, Heidelberg 1828 (Digitalisat)
  • Ulrike Enke: Zum 250. Geburtstag des Anatomen Samuel Thomas Soemmerring (1755–1830). In: Hessisches Ärzteblatt. 1/ 2005, S. 21–24, Volltext (PDF)
  • Rolf Siemon: 250. Geburtstag von Samuel Thomas Soemmerring, Akademie Aktuell Nr. 01/2005, S.26 ff.
  • Rolf Siemon: Samuel Thomas Soemmerring (1755−1830). Schriften des Westpreußischen Landesmuseum (71). Westpreußisches Landesmuseum 2004. ISBN 3-927111-48-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe Goethes Briefe im Juni 1784 an Soemmering und Frau von Stein. In: Goethes Briefe. Band I. 1764–1786. Verlag C. H. Beck: München 4. Aufl. 1988, S. 438–443
  2. "Soemmering" ist eine mögliche Variante des Namens, wie sie auch Goethe verwendete.
  3. Zur Publikation und zu Soemmerrings Kontakt mit Immanuel Kant, nebenbei auch über die negative Rezeption der Schrift, mit Reaktionen u.a. von Wilhelm von Humboldt und Friedrich Schiller, Friedrich Hölderlin (der zwei Kurzgedichte schickte) und Johann Wolfgang von Goethe der Aufsatz von Peter McLaughlin: Sömmerring und Kant. Über das Organ der Seele und den Streit der Fakultäten. Die Schrift wurde 1999 in der Reihe Samuel Thomas Soemmerring, Werke (Basel: Schwabe) als Band 9 neu herausgegeben und mit einem umfangreichen Vorwort sowie Stellenkommentar versehen von Manfred Wenzel

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