Prostaglandine


Die Herstellung von Prostaglandin H2 aus Arachidonsäure wird durch zwei Schritte katalysiert

Prostaglandine sind eine Gruppe von Gewebshormonen. Sie entstehen durch Cyclooxygenasen (COX-1 und COX-2) und nachfolgenden verschiedenen Prostaglandin-Synthasen aus der DGLA, der Arachidonsäure oder der Eicosapentaensäure. Das Hauptaugenmerk in der Pharmaforschung liegt auf den Prostaglandinen aus der Arachidonsäure (Serie-2), da diese für Schmerz, Blutgerinnung, Entzündungen und vieles andere verantwortlich sind. Man versucht durch Medikamente (beispielsweise Acetylsalicylsäure) die Ausprägung der Serie-2-Prostaglandine zu hemmen. Allerdings hemmen diese Medikamente auch deren natürliche Gegenspieler, die Serie-1- und die Serie-3-Prostaglandine.

Entdeckung

Der Name prostaglandin ist von englisch „prostate glandProstata-Drüse abgeleitet. 1935 wurden Prostaglandine zum ersten Mal von dem schwedischen Physiologen Ulf von Euler,[1] und davon unabhängig von M.W. Goldblatt,[2] im menschlichen Sperma isoliert und beschrieben. Man glaubte damals, dass sie ein Teil der Prostatasekretion waren, später wurde jedoch entdeckt, dass diese Stoffe an den unterschiedlichsten Körperstellen ausgeschüttet werden, so auch in der Samenblase. 1962 isolierten Sune Bergström und Bengt Samuelsson kristallisierbare Derivate, die ihrer Löslichkeit nach als PGE (Ether-löslich) bzw. PGF (Phosphat-löslich; schwedische Schreibweise) klassifiziert werden[3].

Unterformen

Hauptgruppen

Es gibt drei Hauptgruppen von Prostaglandinen[4]:

  • Serie-1-Prostaglandine (aus der DGLA): Sie haben Effekte wie eine starke Entzündungshemmung und Verringerung der Blutgerinnung.
  • Serie-2-Prostaglandine (aus der Arachidonsäure, kurz AA von Arachidonic Acid): Ihre Wirkung ist der der Serie-1-Prostaglandine genau entgegengesetzt. Sie verstärken oder verursachen erst Entzündungen, verengen die Blutgefäße, verstärken die Blutgerinnung und verstärken die Schmerzwahrnehmung. Sie lösen im Körper die notwendigen Maßnahmen aus, um auf Wunden oder andere Verletzungen zu reagieren.
  • Serie-3-Prostaglandine (aus der Eicosapentaensäure). Neben verschiedenen anderen Funktionen verringern sie die Entstehung der Serie-2-Prostaglandine und werden deshalb oft als entzündungshemmend beschrieben.

Beeinflussung der Prostaglandin-Formen

Verschiedene, speziell chronische Krankheitsbilder wie Rheuma, Asthma, Schmerzzustände, Allergien, Bluthochdruck werden durch die Effekte der Serie-2-Prostaglandine geradezu beschrieben. Es besteht daher ein starkes Interesse, die Ausprägung dieser entzündungsfördernden Form der Prostaglandine zu beschränken. Dies geschieht medikamentös durch Nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. ASS), die allerdings auch die natürlichen Gegenspieler aus Serie-1 und Serie-3 hemmen. Die Ausprägung der Prostaglandine als Serie-1, Serie-3 oder Serie-2 kann auch diätetisch beeinflusst werden[5][6] durch:

  1. direkte Aufnahme der Substrate, nämlich DGLA (z. B. Nachtkerzenöl), EPA (z. B. Fischöl) oder AA[7],
  2. Beeinflussung der Syntheserate von AA durch Linolensäure (Leinöl), Ölsäure[8] [9] (z. B.Olivenöl) oder andere Stoffe, die das AA-bildende Enzym Delta-5-desaturase binden.

Serie-2-Prostaglandine

Die Synthese der wichtigsten Prostaglandine aus Prostaglandin H2 mit TXA: Thromboxan (nach [10])

Dies sind die entzündungsfördernden Prostaglandine aus der Arachidonsäure.

Chemisches Grundgerüst der Serie-2-Prostaglandine ist die Prostansäure, eine Carbonsäure mit 20 C-Atomen. Man unterscheidet mehrere Gruppen von Prostaglandinen, welche sich durch den Oxidationsgrad der C-Atome 9 und 11 unterscheiden: Diketone, Diole, Ketole.

Unterschieden werden die verschiedenen Unterformen nach Struktur, Bildung, Vorkommen, Wirkung und Regulation:

Die genaueren Charakteristika von Bildung, Vorkommen, Wirkung und Regulation werden in den jeweiligen Unterkapiteln beschrieben.

Prostaglandinrezeptoren

Prostaglandinrezeptoren gehören zu der Gruppe der G-Protein-gekoppelten Membranrezeptoren. Sie werden durch den Buchstaben „P“ und das Präfix „D“, „E“, „F“, „I“ oder „T“ bezeichnet, um eine Präferenz für die Prostaglandine D, E, F, I oder Thromboxane zu kennzeichnen. Bis 2004 wurden 4 Subtypen des EP-Rezeptors identifiziert: EP1 bis EP4.

Darüber hinaus gibt es einige Prostaglandine (z. B. PGJ2), die Kernrezeptoren der PPAR-Klasse aktivieren können, welche IκB-Kinase hemmen und dadurch den NF-κB-Weg hemmen.

Wirkungen

Prostaglandine modulieren Second-Messenger-Systeme. Ihre Wirkung ist überaus divers, da sie zwischen den verschiedenen Prostaglandinen variiert und teilweise sogar für ein Prostaglandin durch unterschiedliche Rezeptoren unterschiedlich vermittelt wird. Daher werden die Wirkungen im Einzelnen bei den einzelnen Prostaglandinen dargestellt.

Vorkommen im Organismus

Prostaglandine kommen mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Funktion wohl überall im Organismus vor. Besonders reich sind sie im Sperma vertreten.

Biosynthese

Die Prostaglandinsynthese und der Fettstoffwechsel sind eng miteinander verbunden. Über den Fettstoffwechsel werden durch Dehydrierung und Kettenverlängerung insgesamt zehn Fettsäuren gebildet. Aus drei dieser neu gebildeten Fettsäuren mit 20 Kohlenstoffatomen werden durch die Prostaglandinsynthese drei unterschiedliche Prostaglandin-Serien gebildet, es sind dies die Serie-1, Serie-2 und Serie-3, die jeweils aus Dihomo-γ-Linolensäure, Arachidonsäure bzw. Eicosapentaensäure synthetisiert werden. Entscheidend ist dabei die Einführung eines Sauerstoffmoleküls und anschließende Ringbildung mit fünf Kohlenstoffatomen.

Kommt es zu einer Störung bei der Synthese der beiden essentiellen Fettsäuren Omega-6 und Omega-3, werden die zehn "eigenen" Fettsäuren und die Serie-1- und Serie-3-Prostaglandine nicht gebildet. Die Serie-2-Prostaglandine werden trotz dieser Störung gebildet, da der Ausgangsstoff Arachidonsäure in jedem tierischen Fett enthalten ist, und das Enzym Cyclooxygenase immer präsent ist.

1982 erhielten die zwei schwedischen Wissenschaftler Sune Bergström und Bengt Ingemar Samuelsson, sowie der Brite John Robert Vane gemeinsam den Nobelpreis für herausragende Entdeckungen der Prostaglandinsynthese.

Anwendungen in der Medizin

Prostaglandin-F-Analoga werden in der Augenheilkunde als Wirkstoffe oder als Teil von Wirkstoffkombinationen in Augentropfen zur Glaukomtherapie (Grüner Star) eingesetzt, als

  • Monosubstanz[11]
    • Bimatoprost (Lumigan)
    • Latanoprost (Xalatan)
    • Travoprost (Travatan)
    • Tafluprost (Taflotan)
  • in Kombination mit Timolol[11]
    • Bimatoprost (Ganfort)
    • Latanoprost (Xalacom)
    • Travoprost (DuoTrav)

In der Angiologie (Gefäßmedizin) werden Prostaglandine als vasoaktive Substanzen zur Verbesserung der Durchblutung bei problematischen arteriellen Gefäßverschlüssen oder Gefäßverengungen (z. B. Raynaud-Syndrom) eingesetzt. Hauptvertreter sind dabei das

  • Prostaglandin- E1-Analogon[11]
    • Alprostadil (Prostavasin)
  • Prostazyklin-Analogon[11]
    • Iloprost (Ilomedin und Ventavis)

In der Gastroenterologie wird das Prostaglandin-Analogon Misoprostol zur Prävention von Magenschleimhautschäden bei Langzeiteinnahme nichtsteroidaler Antiphlogistika eingesetzt, in Cytotec als Monosubstanz oder Arthotec in Kombination mit Diclofenac.[11]

In der Pränatalmedizin werden Prostaglandin-Analoga, wie das Dinoproston (Minoprost E2)[11], zur Auslösung von Wehen eingesetzt, um eine Geburt einzuleiten. Dies kann zum einen nötig sein, wenn der eigentliche Geburtstermin deutlich überschritten wurde, sodass es zu einer Gefährdung des ungeborenen Kindes kommen könnte. Zum anderen wird diese Substanzklasse zur Weheneinleitung eingesetzt, um bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch die Wirkung des Medikaments zu verstärken. Darüber hinaus werden sie benutzt, um in einem vergleichsweise späten Schwangerschaftsstadium (Spätabbruch) eine künstliche Fehl- bzw. Totgeburt einzuleiten, mit Sulproston (Nalador)[11]. Beim instrumentellen Schwangerschaftsabbruch, beispielsweise bei einem verhaltenen Abort (missed abortion) werden Prostaglandin-Analoga verabreicht, um den Zervixkanal der Gebärmutter zu erweichen, durch Gemeprost (Cergem)[11]. Dies ist notwendig, um eine Verletzung sowie spätere Schäden der Zervix in Bezug auf weitere Schwangerschaften (z. B. Zervixinsuffizienz) zu vermeiden.

Literatur

  • Peter Welzel: Prostaglandine. In: Chemie in unserer Zeit. Band 7, Nr. 2, 1973, ISSN 0009-2851, S. 43−48, doi:10.1002/ciuz.19730070203.
  • Berg/Tymoczko/Stryer: Biochemie, 5. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg 2003, ISBN 3827413036

Einzelnachweise

  1. Von Euler US: Über die spezifische blutdrucksenkende Substanz des menschlichen Prostata- und Samenblasensekrets. In: Wien Klin Wochenschr. 14. Jahrgang, Nr. 33, 1935, S. 1182–3 (springerlink.com [PDF]).
  2. Goldblatt MW: Properties of human seminal plasma. In: J Physiol. 84. Jahrgang, Nr. 2, Mai 1935, S. 208–18, PMID 16994667, PMC 1394818 (freier Volltext) – (jphysiol.org).
  3. Bergström and Samuelsson: Isolation of prostaglandin E1 from human seminal plasma. Prostaglandins and related factors. J Biol Chem. 1962(9);237:3005-6; PMID 13867832 PDF (freier Volltextzugriff)
  4. Beschreibung der 3 PG-Arten mit ihrer Entstehung aus den essentiellen Fettsäuren (stanford.edu engl.)
  5. Hu et al:Types of dietary fat and risk of coronary heart disease: a critical review J Am Coll Nutr. 2001 Feb;20(1):5-19. PMID 11293467
  6. Cheng Z et al Effect of dietary polyunsaturated fatty acids on uterine prostaglandin synthesis in the cow. J Endocrinol. 2001 Dec;171(3):463-73. PMID 11739012
  7. Tabelle der Lebensmittel mit AA
  8. Rosenthal et al:The effects of trans fatty acids on fatty acyl delta 5 desaturation by human skin fibroblasts. Lipids. 1984 Nov;19(11):869-74. PMID 6521610
  9. http://www.margarine-institut.de/presse2/index.php3?rubrik=1&id=115
  10. Simmons DL, Botting RM and Hla T: Cyclooxygenase Isoenzymes: The Biology of Prostaglandin Synthesis and Inhibition. Pharmacological Reviews 2004;56(3):387-437; PMID 15317910; PDF (freier Volltextzugriff)
  11. 11,0 11,1 11,2 11,3 11,4 11,5 11,6 11,7 ABDA-Datenbank (Stand 19. Juli 2008) der DIMDI

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