Martin Lohse


Martin J. Lohse (* 26. August 1956 in Mainz als Sohn des späteren ev.-luth. Bischofs Eduard Lohse) ist ein deutscher Humanmediziner mit dem Schwerpunkt Pharmakologie und Toxikologie und Herz-Kreislauf-Forschung. Von 2001 bis zur Auflösung 2008 war er Mitglied im Nationalen Ethikrat. Seit 2009 ist er Vizepräsident für Forschung der Universität Würzburg und Vizepräsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Leben

Martin Lohse studierte Humanmedizin und Philosophie in Göttingen, London und Paris und schloss das Studium 1981 mit dem medizinischen Staatsexamen ab. Ebenfalls 1981 promovierte er in Medizin mit dem Schwerpunkt Neurobiologie am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen in der Abteilung Neurobiologie. 1988 habilitierte er sich für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Heidelberg, 1990 erfolgte die Anerkennung als Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie durch die Bezirksärztekammer Nordbaden.

Von 1983 bis 1988 war Martin Lohse Wissenschaftlicher Assistent an den Pharmakologischen Instituten der Universitäten Bonn und Heidelberg, von 1988 bis 1989 Research Associate am Howard Hughes Medical Institute der Duke University Durham, USA. An der Duke University wurde er 1990 Assistant Medical Research Professor. Von 1990 bis 1993 war Martin Lohse Arbeitsgruppenleiter am Laboratorium für Molekulare Biologie der Universität München und am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. Seit 1993 ist er Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Würzburg. Das 2001 dort gegründete Rudolf-Virchow-Zentrum (DFG-Forschungszentrum für experimentelle Biomedizin) wird von ihm als Gründungssprecher geleitet. Er gehörte zu den Initiatoren des Studienganges Biomedizin im Jahr 2001 und zu den Gründern der Graduiertenschulen der Universität Würzburg, deren geschäftsführender Direktor er seit 2003 ist.

Martin Lohse gehört seit 1996 verschiedenen Gremien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an, so dem Senat und Hauptausschuss (2001-2007) und dem Bewilligungsausschuss Exzellenzinitiative der DFG und des Wissenschaftsrats. Er leitet eine Reihe von wissenschaftlichen Beiräten, insbesondere die wissenschaftlichen Beiräte der Robert Bosch Stiftung und der biomedizinischen Forschungszentren Institut des Maladies Métaboliques et Cardiovasculaires (I2MC) in Toulouse und des Institut de Génomique Fonctionnelle (IGF) in Montpellier.

Seit 1. Oktober 2009 ist Martin Lohse im Nebenamt für Forschung zuständiger Vizepräsident der Universität Würzburg; er wurde in diesem Amt 2012 bestätigt.

Werk

Martin Lohse erforscht Rezeptoren für Hormone und Neurotransmitter, spezifisch G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR), die wesentliche Angriffspunkte für Arzneimittel darstellen. Er entdeckte die beta-Arrestine, die für die Abschaltung von Rezeptoren verantwortlich sind, indem sie sich an Rezeptoren anlagern, die aktiviert und durch G-Protein-gekoppelte Rezeptorkinasen (GRK) phosphoryliert wurden.

Er fand heraus, dass bei chronischer Herzinsuffizienz GRKs im Herzen vermehrt vorkommen und die Beta-Adrenozeptoren abschalten; dies ist vermutlich ein Schutzmechanismus vor zu großer Stimulation durch Adrenalin und Noradrenalin. Der Nachweis der schädlichen Wirkung einer erhöhten Aktivität von Beta-Adrenozeptoren im Herzen stellt die Grundlage für die Behandlung durch Betablocker dar. Weiter fand seine Arbeitsgruppe heraus, dass bei einem Teil der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz Anzikörper gegen Beta1-Adrenozeptoren vorkommen, die die Prognose der Patienten deutlich verschlechtern. Ihre Blockade durch cyclische Peptide, die aus dem Rezeptor abgeleitet sind, wird derzeit klinisch als Therapie bei Herzinsuffizienz getestet. Weitere Arbeiten zur chronischen Herzinsuffizienz zeigten, dass dabei eine spezifische Aktivierung der ERK-Proteinkinasen (Extracellular-signal Regulated Kinase) durch Phosphorylierung der Isoformen 1 und 2 am Threonin-188 vorkommt.

Lohse entwickelte fluoreszierende Sensoren für Rezeptoren, G-Proteine und ihre Effektoren. Diese erlauben die mikroskopische Beobachtung, wo und wann in einer Zelle diese Signalwege angeschaltet werden. Solche Untersuchungen zeigten, wie schnell G-Protein-gekoppelte Rezeptoren aktiviert werden können; für die meisten Rezeptoren beträgt diese Zeit ca. 50 Millisekunden. Auch die nachfolgenden Schritte der Signalweiterleitung können mit diesen Methoden zeitlich und räumlich erfasst werden.

Lohse gehört zu den Gründern der Biotech-Firmen ProCorde, Corimmun und advanceCOR.

Ehrungen und Auszeichnungen

Für seine wissenschaftliche Arbeit erhielt Martin Lohse eine Reihe von Auszeichnungen und Ehrungen, so 1986 den Fritz-Külz-Preis, 1987 den Claudius-Galenus-Preis (heute Galenus-von-Pergamon-Preis), 1990 den Gerhard-Hess-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (benannt nach Gerhard Hess), 1991 den Forschungspreis des Bundesgesundheitsministeriums, 1996 den Preis der Vaillant-Stiftung, 1999 den Leibniz-Preis, 2000 den Ernst-Jung-Preis für Medizin, 2005 den PR-Report Award (für die Kinderlabore am Rudolf-Virchow-Zentrum) und 2006 den Bayerischen Verdienstorden. 2007 erhielt er den Research Achievement Award der ISHR für hervorragende Leistungen im Bereich der kardiovaskulären Forschung, 2009 den Ariens Award der niederländischen Gesellschaft für Pharmakologie und 2010 die Jacob-Henle-Medaille. 2012 ist er Svedberg-Lecturer der Universität Uppsala. 2012 wurde ihm eine Professorship der Vallee Foundation, Harvard Medical School, verliehen.

Martin Lohse ist seit 2004 Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, seit 1998 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und seit 2000 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Am 2. Oktober 2009 wurde Martin Lohse als Nachfolger des Nobelpreisträgers Harald zur Hausen zum Vizepräsidenten der Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften, gewählt.

Ausgewählte Publikationen

  • Lohse MJ, Benovic JL, Codina J, Caron MG, Lefkowitz RJ (1990): β-Arrestin: a protein that regulates β-adrenergic receptor function. Science 248, 1547-1550.
  • Bauer PH, Müller S, Puzicha M, Pippig S, Obermaier B, Helmreich EJM, Lohse MJ (1992): Phosducin is a protein kinase A-regulated G-protein regulator. Nature 358, 73-76.
  • Ungerer M, Böhm M, Elce JS, Erdmann E, Lohse MJ (1993): Altered expression of β-adrenergic receptor kinase and β1-adrenergic receptors in the failing human heart. Circulation 87, 454-463.
  • Engelhardt S, Hein L, Wiesmann F, Lohse MJ (1999): Progressive hypertrophy and heart failure in β1-adrenergic receptor transgenic mice. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 96, 7059-7064.
  • Philipp M, Brede ME, Hadamek K, Gessler M, Lohse MJ, Hein L (2002): Placental alpha2-adrenoceptors control vascular development at the interface between mother and embryo. Nature Gen. 31, 311-315.
  • Vilardaga JP, Bünemann M, Krasel C, Castro M, Lohse MJ (2003): Measurement of the millisecond activation switch of G-protein-coupled receptors in living cells. Nature Biotechnology 2, 171-176.
  • Hoffmann C, Gaietta G, Bünemann M, Adams S, Oberdorff-Maass S, Behr B, Vilardaga JP, Tsien RY, Ellisman MH, Lohse MJ (2005): A FlAsH-based FRET approach to determine G-protein coupled receptor activation in living cells. Nature Methods 21, 807-812.
  • Lorenz K, Schmitt JP, Schmitteckert EM, Lohse MJ (2009): A new type of ERK1/2-autophosphorylation causes cardiac hypertrophy. Nature Medicine 15, 75-83.
  • Hlavackova V, Zabel U, Frankova D, Bätz J, Hoffmann C, Prezeau L, Pin JP, Blahos J, Lohse MJ (2012): Sequential inter- and intrasubunit rearrangements during activation of dimeric metabotropic glutamate receptor 1. Science Signal. 5, ra59.
  • Lohse MJ, Bruno Müller-Oerlinghausen (2011): Hypnotika und Sedativa. In: Arzneiverordnungsreport 2011 (Schwabe U, Paffrath D, eds.), Springer Verlag, Heidelberg.
  • Lohse MJ, Lorenzen A., Müller-Oerlinghausen B (2011): Psychopharmaka. In: Arzneiverordnungsreport 2011 (Schwabe U, Paffrath D, eds.) Springer-Verlag, Heidelberg.

Weblinks

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