Euricius Cordus


Euricius Cordus, genannt Eberwein, eigentlich Heinrich Ritze (* 1486 in Simtshausen bei Wetter (Oberhessen), † 24. Dezember 1535 in Bremen) war ein deutscher Humanist, Dichter, Arzt und Botaniker. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „E.Cordus“.

Nach ihm ist die wichtigste Auszeichnung des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität, die Euricius-Cordus-Medaille, benannt.

Leben

Cordus wurde als jüngstes von 13 Kindern (daher Cordu = der Späte) des Bauern Urban Solden geboren.

Ersten Unterricht erhielt er in Wetter und Frankenberg (Eder), danach ging er auf die Lateinschule in Marburg. Er studierte ab 1505 an der Universität Erfurt und war danach Rektor in Kassel und Rentschreiber der Landgrafenwitwe Anna in Felsberg (Hessen). Um 1512 gründete er eine Familie aus der zahlreiche Kinder, darunter auch Valerius Cordus hervorgingen. Ab 1513 studierte Cordus wieder in Erfurt und wurde 1516 zum Magister promoviert. In Erfurt schloss er sich einem Freundeskreis mit Eobanus Hessus, Mutianus Rufus und Joachim Camerarius d. Ä. an.

Eyn Regiment, wie ma sich vor der Newen Plage/ Der Englisch schweiß genant/ bewaren/ Un so man damit ergriffen wirt/ darin halten sol/ Durch Euricium Cordum/ der Arzney Doctore und Professorem zu Marpurg.

Nach einer Zeit als Rektor an der Stiftsschule St. Marien in Erfurt studierte er ab 1519 Medizin. 1521 begegnete er in Worms Martin Luther und reiste danach nach Ferrara, wo er zum Dr. med. promoviert wurde. Ab 1523 war er in Braunschweig als Stadtarzt tätig. In einem Gedicht an Kaiser Karl V. bekannte er sich auch öffentlich zur Reformation. Das brachte ihm 1527 den Ruf Landgraf Philipps des Großmütigen ein, an der neu gegründeten, weltweit ersten protestantischen Universität in Marburg, den Lehrstuhl für Medizin zu übernehmen. Zweimal wurde er dort auch zum Rektor gewählt. Als Humanist war Cordus Anhänger Luthers und unterstützte die Bemühungen von Landgraf Philipp von Hessen, der einen Ausgleich zwischen lutherischen und zwinglianischen Theologen herbeizuführen versuchte. In seiner streitbaren Art machte Cordus sich jedoch derartig viele Feinde, dass er bereits nach sieben Jahren, zu Ostern 1534, Marburg wieder verließ. Er wurde Stadtarzt und Lehrer am Gymnasium illustre in Bremen, wo er – noch keine 50 Jahre alt – am 24. Dezember 1535 starb.

Satirische Epigramme

Cordus war ein bekannter neulateinischer Dichter und ist als Epigrammatiker im 16. Jahrhundert unerreicht. Gotthold Ephraim Lessing hat viele der über 1.200 Epigramme in seinen eigenen Sinngedichten benutzt. Die ersten Epigramme veröffentlichte er 1517 und 1520, zum Schluss waren sie auf 13 Bände angewachsen. Hierauf beruht sein Ruhm als bester satirischer Dichter des Humanismus, jedoch schuf er sich so auch viele Feinde: In Braunschweig hatte er sich vor allem aus Glaubensgründen mit den Gegnern der Reformation angelegt, in Marburg nahm er in bissigen Epigrammen die Schwächen seiner Kollegen aufs Korn. Die Auseinandersetzungen gingen so weit, dass er zuletzt von den Zusammenkünften der Professoren ausgeschlossen wurde und sein Haus verlor, von dem er geglaubt hatte, dass er es als Eigentum übertragen bekommen hätte.

Professor der Medizin

In seine Zeit als Medizinprofessor fällt der Ausbruch des Englischen Schweißes, einer rätselhaften Infektionskrankheit, die das Marburger Religionsgespräch beendete und von manchen Medizinhistorikern für Influenza gehalten wird. Cordus veröffentlichte darüber den ersten medizinischen Druck in der Geschichte der Universität Marburg: Regiment wider den Englischen Schweiß (1529). Außerdem stammt von ihm eine Anleitung zur Bereitung des unverfälschten Theriaks (1532),[1] einer Art Universalmedizin des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus zweifelhaften Zutaten. Nachfolger von Cordus wurde 1535 Johann Dryander (1500-1560), der jedoch an Cordus' Spezialität, der Botanik, wenig Interesse zeigte.

Der Botaniker

Des Arztes Euricius Cordus
aus Simtshausen
Gespräch über Pflanzen.

Höre, Arzt!
Willst du verschiedene Kräuter anders
kennenlernen, als du es bis heute gelehrt
wurdest, dieses neue Büchlein enthält
deren viele.
Soll das bewahrende Gefäß den ersten
Geruch behalten, so geht wenn nicht
sechs Viertelstunden, auch eine kurze
Stunde verloren.
Willst du das lieber mit Spielkarten als
mit meinem [Werk] verlieren, dann gib
du erst etwas Gelehrteres von dir.

Köln,
bei Johann Gymnicus im Jahr
1534.[2]

Botanik wurde zu dieser Zeit als Hilfswissenschaft der Medizin verstanden. 1534 veröffentlichte Cordus in Köln sein Botanologicon, was man etwa mit „Gespräch über Pflanzen“ übersetzen kann. Anders als viele Kräuterbücher seiner Zeit enthält es keine Abbildungen. Das Botanologicon ist in Form eines Dialogs unter fünf Personen gehalten. Die Handlung beginnt mit einem Frühstück im Haus von Cordus am Lahntor, wonach die Gäste den Hausgarten besuchen. Später unternehmen sie eine Exkursion zu einem Garten, den Cordus unterhalb des Glaskopfs angelegt hat, und kehren am Abend nach Hause zurück, nachdem sie den ganzen Tag über Fragen der Botanik diskutiert haben.

Cordus studierte nach italienischem Vorbild Pflanzen direkt in der Natur und nicht nur in den überlieferten Beschreibungen. Botanische Wanderungen scheinen auch zu seiner Unterrichtspraxis gehört zu haben, womit Cordus der erste deutsche Universitätsdozent gewesen wäre, der Exkursionen unternahm. An der Universität wurde er dafür verspottet: Er suche nach neuen Heilmethoden und respektiere nicht die Autorität der antiken Ärzte. Der Vorwurf ist berechtigt, obwohl Cordus ein Verehrer von Dioskurides war, denn gerade darin, dass er nicht ungeprüft die überlieferten Lehrmeinungen übernahm, erweist sich sein Rang als Botaniker. Immer wieder weist er im Botanologicon auf Widersprüche und Nachlässigkeiten seiner Vorgänger hin. Andere Meinungen diskutiert er offen und berücksichtigt auch die volkstümliche Heilpflanzenkunde. Es geht ihm dabei nicht darum, eine umfassende Darstellung der gesamten Pflanzenwelt zu liefern, sondern vielmehr die empirische Methode zu propagieren.

Diese Methode beschreibt Cordus als Ausflüge auf das Land, „wo ich an Ort und Stelle jene lebenden Pflanzen, über die ich zu Hause gelesen hatte, mit den meinem Gedächtnis eingeprägten Bildern vergleiche und betrachte und bald deren Bezeichnungen, bald auch deren Wirkkräfte von alten Weibern, die mir über den Weg laufen, erfrage; hierauf – nachdem alle mit ihrer Beschreibung verglichen sind – bestimme ich sie entweder mit reifem Urteil und so scharfsinnig wie möglich oder stelle meine Vermutungen an.“[3]

Nachdrucke des Botanilogicons sind für Frankfurt (1549) und Paris (1551) nachgewiesen. Eine Übersetzung findet sich in Dilg, S. 122-333. Seine kurze Bemerkung über einen Garten am Glaskopf ist verschiedentlich so gedeutet worden, als habe Cordus in Marburg den ersten Botanischen Garten in Deutschland eingerichtet. Über dessen genaue Lage und Geschichte ist aber weiter nichts bekannt, so dass für Marburg ein Botanischer Garten erst 1786 als belegt gelten darf.

Sein Sohn Valerius Cordus (* 18. Februar 1515 in Kassel; † 25. November 1544 in Rom) war Botaniker, Arzt, Pharmakologe und Naturforscher. Er hat die erste deutsche Pharmakopöe – also ein Arzneimittelverzeichnis mit Vorschriften über ihre Zubereitung, Beschaffenheit und Anwendung – geschrieben.

Ehrentaxon

Charles Plumier benannte ihm und seinem Sohn Valerius Cordus zu Ehren die Gattung Cordia[4] der Pflanzenfamilie der Raublattgewächse (Boraginaceae). Carl von Linné übernahm später diesen Namen[5][6].

Literatur

  • Adalbert Horawitz: Cordus, Euricius. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 4, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 476–479.
  • Carl Mirbt: Cordus, Euricius. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 4, Hinrichs, Leipzig 1898, S. 285–287.
  • August Schulz: Euricius Cordus als botanischer Forscher und Lehrer. (In: Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle a. d. S. Neue Folge. Nr. 7, Halle an der Saale 1919)
  • Hans Vogel: Euricius Cordus in seinen Epigrammen. Buchdruckerei h. Adler, Greifswald, 1932
  • Helmut Dolezal: Cordus, Euricius. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 358 (Digitalisat).
  • Armgard Müller: Das Bucolicon des Euricius Cordus und die Tradition der Gattung. Wissenschaftlicher Verlag, Trier 1997, ISBN 3-88476-247-8.
  • Bettina A. Bryan: Cordus, Euricius, In: Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2004, S. 271-272, ISBN 3-11-015714-4.
  • Friedrich Wilhelm Bautz: Euricius Cordus. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1. Bautz, Hamm 1975, Sp. 1559–1560.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nicandri Theriaca et Alexipharmaca. 1532, Übersetzung der beiden gleichnamigen Lehrgedichte des Nikander von Kolophon (2. Jhd. v. Chr.)
  2. übersetzt nach Peter Dilg: Das Botanologicon des Euricius Cordus. Ein Beitrag zur botanischen Literatur des Humanismus. Diss. Marburg 1969, S. 122
  3. zitiert nach: Schmitz: Die Naturwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg 1527-1977. N. G. Elwert, Marburg 1978, ISBN 3-7708-0653-0, S. 79f.
  4. Charles Plumier: Nova Plantarum Americanarum Genera. Leiden 1703, S. 13f.
  5. Carl von Linné: Critica Botanica. Leiden 1737, S. 92
  6. Carl von Linné: Genera Plantarum. Leiden 1742, S. 520

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