Erythromycin


Strukturformel
Erythromycin A
Erythromycin A
Allgemeines
Freiname Erythromycin
Andere Namen
  • IUPAC: 6-(4-Dimethylamino-3-hydroxy-6-methyl- oxan-2-yl)oxy-14-ethyl-7,12,13-trihydroxy- 4-(5-hydroxy-4-methoxy-4,6-dimethyl- oxan-2-yl)-oxy-3,5,7,9,11,13-hexamethyl- 1-oxacyclotetradecan-2,10-dion
  • Latein: Erythromycinum
Summenformel C37H67NO13
Kurzbeschreibung

weißer bis gelber, kristalliner, geruchloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 114-07-8
PubChem 12560
DrugBank DB00199
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Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse

Makrolid-Antibiotikum

Wirkmechanismus

Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese

Eigenschaften
Molare Masse 733,93 g·mol−1
Dichte

1,209 g/cm3 [2]

Schmelzpunkt
  • 138 °C (Hydrat)[1]
  • 190–193 °C (wasserfrei)[3]
  • 135 – 140 °C[4]
pKS-Wert

8,6–8,8[3]

Löslichkeit
  • sehr gering (nimmt mit zunehmender Temperatur ab)[3]
  • 2,0 g/l bei 20 °C[4]
Brechungsindex

1,535 [2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [4]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 317​‐​334
P: 261​‐​285 [4]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Erythromycin ist ein Stoffgemisch aus strukturell sehr ähnlichen Verbindungen, die von Bakterien der Gattung Streptomyces, hauptsächlich von Streptomyces erythreus, gebildet werden. Wegen seiner antibiotischen Wirkung wird Erythromycin als Arzneistoff verwendet.

Die Hauptkomponente ist das Erythromycin A, daneben kommen bis zu 5 % Erythromycin B und in geringerer Menge Erythromycin C vor.[5] Chemisch zählt Erythromycin zu den Glycosiden, pharmakologisch gehört es zu den Makrolidantibiotika. Verwendet wird Erythromycin zur Behandlung von Infektionen mit grampositiven Keimen (Streptokokken, Staphylokokken), anaeroben Keimen (Propionibakterien, Corynebakterien) und Mykoplasmen.

Geschichte

1949 schickte der philippinische Wissenschaftler Abelardo Aguilar Bodenproben aus der Provinz Iloilo an seinen Arbeitgeber, das Pharmaunternehmen Lilly. Dort isolierte eine Arbeitsgruppe unter James M. McGuire Erythromycin als Stoffwechselprodukt von Streptomyces erythreus (heute Saccharopolyspora erythraea). Seit 1952 als Ilosone® vermarktet erhielt Lilly 1953 das U.S. Patent 2,653,899 für diese Verbindung. Die Totalsynthese des Erythromycins gelang Robert B. Woodward und Mitarbeitern 1981.[6][7][8]

Wirkungsmechanismus

Erythromycin hemmt den durch den Elongationsfaktor EF-G katalysierten Vorgang der Translokation bei der Translation. EF-G hat dabei die Funktion einer GTPase, bewirkt also den Zerfall von GTP in GDP+Pi. Die dabei frei werdende Energie wird genutzt, um die freien tRNA-Moleküle aus dem Ribosom zu lösen und so dessen Fortbewegung zu ermöglichen. Ein Fehlen des Elongationsfaktors verhindert die Proteinbiosynthese.

Erythromycin wirkt gegen grampositive Keime, gegen wenige gramnegative Keime (Bordetella, Legionellen, Chlamydien) sowie gegen Mykoplasmen und einige Rickettsien. Es ist ein Schmalspektrumantibiotikum.

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete

Das Wirkungsspektrum von Erythromycin ist mit dem Wirkungsspektrum von einigen Penicillinen vergleichbar, wodurch sich ähnliche Anwendungsgebiete ergeben. Daher kann Erythromycin eingesetzt werden, wenn Allergien gegen β-Lactam-Antibiotika bestehen oder wenn Resistenzen deren Anwendung verhindern.

Eine orale Therapie ist angezeigt bei durch Erythromycin-empfindliche Krankheitserreger verursachten Infektionskrankheiten des Hals-, Nasen- und Ohrbereichs (Mittelohrentzündung, Nasennebenhöhlenentzündung), der tiefen Atemwege (Bronchitis, Lungenentzündung), der Bindehaut, bei Wundrose (Erysipel), Diphtherie, schweren Formen der Akne vulgaris und bestimmten Formen der Harnröhrenentzündung. Wenn (besser wirksame) andere Antibiotika nicht gegeben werden können, z. B. bei Penicillinallergie, ist Erythromycin auch angezeigt zur Behandlung von Entzündungen des Rachenraums (Pharyngitis) oder der Rachenmandeln (Tonsillitis), des Scharlach oder der Syphilis.

Ist die orale Gabe nicht möglich, kann Erythromycin parenteral verabreicht werden.

Topisch kommt Erythromycin insbesondere in der Therapie entzündlicher Akneformen zum Einsatz.

Erythromycin kann auch bei Motilitäts- und Entleerungsstörungen des Magens eingesetzt werden, wenn die first-line Medikamente Metoclopramid und Domperidon keine Besserung erzielen. Die Anwendung von Erythromycin als Prokinetikum geschieht allerdings unter den Voraussetzungen des Off-Label-Use. Erythromycin bindet bereits in subantibiotischen Dosen an den Motilinrezeptor und bewirkt so eine Förderung der gastrointestinalen Peristaltik, eine Relaxation der Pylorusmuskulatur und koordiniert die motorischen Aktivitäten des Magens und Duodenums.[9]

Wechselwirkungen und Nebenwirkungen

Erythromycin ist ein Hemmstoff des Cytochroms P450 3A4.[10] Somit ist die Biotransformation von Arzneistoffen, bei denen dieses Enzym beteiligt ist, z. B. Ciclosporin, Diazepam, Lidocain, Warfarin u. v. a., beeinträchtigt, was zur Wirkstoffakkumulation und zur Verstärkung von Haupt- und Nebenwirkungen führt.[11]

Erythromycin ist gut verträglich, die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind leichte Magen-Darm-Störungen. Sehr selten treten anaphylaktische Reaktionen, Tinnitus oder meist vorübergehende Hörverluste bzw. Taubheit auf.

Chemische und pharmazeutische Informationen

Gemeinsam ist den Erythromycinen ein 14-gliedriger Lactonring ohne Doppelbindungen (Erythronolid-Struktur). Dieser ist an jedem zweiten C-Atom methylverzweigt und ist glykosidisch am C-6 mit dem Aminozucker Desosamin verknüpft und am C-4 mit einem Neutralzucker (Erythromycin A und B: Cladinose, Erythromycin C und D: Mycarose).

Erythromycin A ist in Wasser schwer löslich und bildet farblose bis schwach gelbliche Kristalle.

Die Erythromycine sind trocken stabil, zersetzen sich jedoch in Lösung schon bei Raumtemperatur allmählich. Beim Erhitzen über 60 °C sowie in saurer oder alkalischer Lösung geschieht der Abbau rapide.[3]

Struktur der Erythromycine
Erythromycin Allgemeine Struktur R1 R2
A Erythromycin A B C.svg –OH –CH3
B –H –CH3
C –OH –H

Pharmakokinetik

Erythromycin, mikronisiert

Erythomycin wird überwiegend biliär mit einer Halbwertzeit von 1,5-2,5 Stunden ausgeschieden. Daher ist Verabreichung im etwa 6-stündlichen Rhythmus angezeigt.[12]

Salze und Ester

Erythromycinbase ist nicht säurestabil, so dass für die perorale Behandlung entweder magensaftresistente Arzneiformen zur Anwendung kommen oder aber säurefeste Derivate des Erythromycins in der Arzneimittelherstellung verwendet werden müssen: so werden die Ester der Hydroxygruppe am C-2’ des Desoxamins, Erythromycinstearat und Erythromycinethylsuccinat und Erythromycinestolat, das Dodecylsulfatsalz des Erythromycinpropionats, in Tabletten, Kapseln und Suspensionen eingesetzt. Die Ester sind Prodrugs, da die freie 2'-OH-Gruppe des Aminozuckers für die Bindung wichtig ist.

Wasserlösliche Salze wie Erythromycinlactobionat werden für die Herstellung parenteraler Arzneiformen verwendet.

Erythromycin als freie Base wird in äußerlich anzuwendenden Zubereitungen verwendet, etwa in alkoholischen Lösungen, Gel-, Creme- oder Salbengrundlage (z. B. zur topischen Therapie der Akne).

Andere Derivate

Erythromycin ist die Leitsubstanz der Makrolidantibiotika. Durch Partialsynthese gewinnt man aus Erythromycin das 7-O-Methyl-Erithromycin (Clarithromycin) und Erythromycin-9-{(E)-O- [(2-methoxyethoxy)methyl]oxim} (Roxithromycin).

Das ringsubstituierte Azithromycin unterscheidet sich vom Erythromycin A durch die Erweiterung der Erythronolid-Struktur um ein C-Atom zwischen C-9 und C-10, die Carbonylfunktion am C-10 durch eine Methylaminogruppe ersetzt ist (Azalid).

Clarithromycin, Roxithromycin und Azithromycin werden ebenfalls als Arzneistoffe verwendet.

Handelsnamen

Monopräparate

AknedermEry (D), Aknefug-EL (D), Aknemycin Lösung/ Salbe (D), Aknilox (CH), Erios (CH), Eryaknen (D, A, CH), Eryfluid (A), Erythrocin (A), Inderm (D), Infectomycin (D), Meromycin (A), Paediathrocin (D), Sanasepton (D), Stiemycine (D), zahlreiche Generika (D, A, CH)

Kombinationspräparate

Aknemycin Emulsion/ Plus/ Salbe (D, A, CH), Ecolicin (D), Isotrexin (D, A), Zineryt (D)

Tiermedizin

Erythrocin vet., Erythrocin, Erythromycinthiocyanat, Erytrotil

Weblinks

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Datenblatt Erythromycin bei Merck
  2. 2,0 2,1 Erythromycin bei ChemSpider
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 F. von Bruchhausen, S. Ebel, A. W. Frahm, E. Hackenthal: Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. Bd. 8 Stoffe E–O 5. Auflage, S. 70, Birkhäuser, 1991, ISBN 978-3-540-52688-9.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 Datenblatt Erythromycin, mikronisiert bei Caelo, abgerufen am 8. Juli 2011.
  5. Theodor Dingermann (Hrsg.), Rudolf Hänsel (Hrsg.) und Ilse Zündorf (Hrsg.): Pharmazeutische Biologie: Molekulare Grundlagen und klinische Anwendungen. Springer Verlag Berlin; 1. Auflage 2002; ISBN 3-540-42844-5; S. 316–317.
  6. Woodward, R.B. et al. (1981): Asymmetric Total Synthesis of Erythromycin. 1. Synthesis of an Erythronolide A Seco Acid Derivative via Asymmetric Induction. In: Journal of the American Chemical Society. 103:3210.
  7. Woodward R.B. et al. (1981): Asymmetric Total Synthesis of Erythromycin. 2. Synthesis of an Erythronolide A Lactone System. In: Journal of the American Chemical Society. 103:3213.
  8. Woodward R.B. et al. (1981): Asymmetric Total Synthesis of Erythromycin. 3. Total Synthesis of Erythromycin. In: Journal of the American Chemical Society. 103:3215.
  9. Mutschler, Arzneimittelwirkungen, 9. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2008 ISBN 978-3-8047-1952-1
  10. Ray, WA. et al. (2004): Oral Erythromycin and the Risk of Sudden Death from Cardiac Causes. In: N. Engl. J. Med. 351(11); 1089–1096. PMID 15356306 PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  11. Robertson, GR. et al. (2003): Transgenic mouse models of human CYP3A4 gene regulation. In: Mol Pharmacol. 64(1); 42–50. PMID 12815159 PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  12. H. Lüllmann, K. Mohr, L. Hein: Pharmakologie und Toxikologie, 16. Aufl. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2006.