Diclofenac


Strukturformel
Strukturformel von Diclofenac
Allgemeines
Freiname Diclofenac
Andere Namen

2-[2-[(2,6-Dichlorphenyl)amino]phenyl]essigsäure (IUPAC)

Summenformel
  • C14H11Cl2NO2
  • C14H10Cl2NNaO2 (Diclofenac-Natriumsalz)
  • C14H10Cl2KNO2 (Diclofenac-Kaliumsalz)
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 15307-86-5
  • 15307-79-6 (Diclofenac-Natriumsalz)
  • 15307-81-0 (Diclofenac-Kaliumsalz)
PubChem 3033
DrugBank APRD00527
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Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse

Nichtsteroidales Antirheumatikum

Wirkmechanismus

Cyclooxygenase-Inhibitor

Eigenschaften
Molare Masse
  • 296,15 g·mol−1
  • 318,1 g·mol−1 (Diclofenac-Natriumsalz)
  • 334,2 g·mol−1 (Diclofenac-Kaliumsalz)
Schmelzpunkt

ca. 280 °C (Diclofenac-Natriumsalz/Zersetzung)[1]

pKS-Wert

4,15[2]

Löslichkeit

wenig löslich in Wasser (2,37 mg·l−1 bei 25 °C)[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301
P: 301+310 [3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Diclofenac (Name abgeleitet von der englischen chemischen Bezeichnung 2-[2-(2,6-Dichlorphenylamino)phenyl]acetic acid) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Nichtopioid-Analgetika, der bei leichten bis mittleren Schmerzen und Entzündungen eingesetzt wird, beispielsweise bei Rheuma, Prellungen, Zerrungen und Arthrose. Seine Wirkung beruht auf einer nichtselektiven Hemmung der Cyclooxygenasen (COX), die im Körper für die Bildung von Entzündungsmediatoren, den Prostaglandinen, verantwortlich sind. Chemisch gehört es zu den Phenylessigsäuren. In pharmazeutischen Präparaten wird es jedoch nicht als "freie" Säure, sondern in Form verschiedener Salze verwendet, z. B. als Natriumsalz oder Salz mit Diethylamin.

Synthese

Alfred Sallmann und Rudolph Pfister synthetisierten in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Schweizer Firma J. R. Geigy A. G. (heute in der Firma Novartis aufgegangen) verschiedene substituierte 2-(Phenylamino)-phenylessigsäuren, darunter auch 2-[2-[(2,6-Dichlorphenyl)amino]phenyl]essigsäure. Die Verbindungen wurden als Wirkstoffe gegen Rheumatismus und Arthritis durch Patente geschützt.[4]

Pharmakologie

Diclofenac besitzt fiebersenkende (antipyretische), schmerzstillende (analgetische), entzündungshemmende (antiphlogistische) und antirheumatische Wirksamkeit. Verantwortlich für diese Wirksamkeit ist eine Inhibition der Cyclooxygenasen (COX-1 und COX-2), sodass diese keine entzündungsfördernden Prostaglandine mehr herstellen können. Möglicherweise ist Diclofenac direkt am Lipoxygenase-Stoffwechsel beteiligt und unterdrückt die Bildung von Leukotrienen. Die analgetische Wirkung von Diclofenac wird durch Piperin, einen Inhaltsstoff von Pfeffer, erhöht. Grund hierfür ist womöglich eine erhöhte Bioverfügbarkeit.[5]

Nebenwirkungen

Typische Nebenwirkungen sind Magen- und Darmbeschwerden, die durch eine Hemmung der unter anderem in der Magenschleimhaut vorkommenden COX-1 hervorgerufen werden. Weiterhin können Störungen bei der Blutbildung und Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten, etwa Überempfindlichkeit der Haut gegen Sonnenlicht. Zusätzlich kann es zu starken Erhöhungen von Leberwerten (zum Beispiel der Transaminasen) kommen. Da Schwindel und Müdigkeit auftreten können, ist bei der Bedienung von Maschinen und Teilnahme im Straßenverkehr Vorsicht geboten. Als topisches Therapeutikum zur Behandlung von Sehnenentzündungen (Tennisarm) kann es zu allergischen Reaktionen durch Rötung der Haut unter Schmerzbildung kommen. In Einzelfällen wird die Funktion der Nieren beeinträchtigt. Selten führt es zu Haarausfall und Nesselsucht.[6] Zudem wird Diclofenac eine herzinfarktfördernde Wirkung bestätigt.[7] In den Vereinigten Staaten muss laut einer Verfügung der US-amerikanischen Food and Drug Administration in der Fachinformation ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass auch Diclofenac-Cremes systemische Nebenwirkungen hervorrufen können.[8]

Wechselwirkungen

Die Anwendung anderer nichtsteroidaler Antirheumatika, wie Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen, oder zusammen mit Glucocorticoiden erhöht das Risiko von Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt. Wechselwirkungen gibt es auch mit Lithium, Phenytoin und Herzglykosiden, deren Serumspiegel durch Diclofenac erhöht werden. Da es sich bei diesen um Substanzen mit einer geringen therapeutischen Breite handelt, kann es zu Überdosierungen kommen. Diclofenac kann die Wirkung von entwässernden und blutdrucksenkenden Arzneimitteln abschwächen.[7]

Bisher konnten in klinischen Untersuchungen keine Wechselwirkungen zwischen blutgerinnungshemmenden Substanzen wie zum Beispiel Phenprocoumon und Diclofenac gefunden werden[7], dennoch wird empfohlen, bei gleichzeitiger Anwendung den Gerinnungsstatus engmaschig zu kontrollieren.

Gegenanzeigen

Wegen der Gefahr von Überreaktionen verbietet sich die Anwendung von Diclofenac bei Patienten mit Asthma. Diclofenac wirkt bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) akut schubauslösend. Außerdem sollte Diclofenac nicht vor größeren operativen Eingriffen eingenommen werden, da es hier die Blutungsgefahr vergrößert. Auch bei einer vorliegenden Schwangerschaft darf Diclofenac nicht eingesetzt werden.

Bei Personen mit Histaminintoleranz: Da die allergenspezifische Histaminfreisetzung bei Allergikern gesteigert wird.[9]

Für die Anwendung von Diclofenac bei Kindern und Jugendlichen gibt es keine ausreichenden Studien, deshalb wird die Anwendung für Patienten unter einem Alter von 15 Jahren nicht empfohlen. Diclofenac wird auch als „Schmerzgel“ (bei Schmerzen, Entzündungen und Rheuma) vertrieben.

Die Anwendung bei Hunden und Katzen kann massive Magen-Darm-Schädigungen mit teilweise tödlichem Ausgang hervorrufen. Die durch Verabreichung dieses Medikamentes hervorgerufene Schädigung ist einer der häufigsten (human-)iatrogenen Notfälle bei Hunden.

Es liegen Hinweise vor, dass Diclofenac das Risiko eines lebensbedrohlichen Herzinfarkts um den Faktor 1,55 erhöhen kann.[10] Da die vorliegenden Daten jedoch keine abschließende Bewertung des kardiovaskulären Risikos durch die Einnahme von Diclofenac zulassen, sehen die zuständigen Stellen derzeit keinen Anlass, die Gebrauchsinformationen zu ändern.[11]

Auch die Metastudie von Patricia McGettigan und David Henry zeigt ein deutlich erhöhtes Risiko für Herzinfarkt bei der Einnahme von Diclofenac.[12] Dafür wurden elektronische Datenbanken ausgewertet, die Fälle von 1985 bis Januar 2006 umfassten. Für die Metastudie wurden daraus 23 Studien über zusammen rund 540.000 Patienten und mehr als 1.100.000 Kontrollpersonen ausgewählt. Aus diesen Studien ließ sich eine durchschnittliche relative Risikoerhöhung für Herzinfarkt um das 1,4-Fache im Zusammenhang mit der Einnahme ableiten.

Anwendung

Die häufigste Anwendung von Diclofenac erfolgt bei Schmerzen oder Entzündungen, die in Verbindung mit Verletzungen oder Erkrankungen des Bewegungsapparates entstehen. Gerade in diesem Bereich lassen sich Schmerzen durch Verletzungen bzw. Entzündungen oft nicht klar voneinander abgrenzen. Mögliche Einsatzgebiete für Diclofenac sind akute Gelenkentzündungen einschließlich Gichtanfällen, chronisch verlaufende Entzündungen der Gelenke oder schmerzhafte Schwellungen oder Entzündungen nach Verletzungen oder Operationen. Zusätzlich wird Diclofenac bei entzündlichen Formen des Rheumatismus und bei Weichteilrheumatismus verwendet. Als Gel (Handelsname Solaraze) wird Diclofenac zur Behandlung der aktinischen Keratose verwendet.

Verschreibungspflicht

Zubereitungen von Diclofenac, die auf der Haut angewendet werden, sind je nach Anwendungszweck entweder verschreibungspflichtig oder apothekenpflichtig. Sie unterscheiden sich nicht in der Diclofenac-Konzentration, sind aber in der Gebrauchsinformation für unterschiedliche Indikationen gekennzeichnet. Diclofenac-Zäpfchen bedürfen immer einer ärztlichen Verordnung, peroral einnehmbare Arzneiformen sind verschreibungspflichtig, wenn die einzeldosierte Arzneiform mehr als 25 mg Diclofenac enthält. Arzneimittel, die Einzeldosen von 12,5 mg Diclofenac zur oralen Anwendung enthalten, sind seit wenigen Jahren von der Verschreibungspflicht ausgenommen, seit April 2007 auch Arzneimittel mit 25 mg je abteilbarer Form.[13]

Die EU-Rückstandshöchstmengen-Verordnung für Lebensmittel tierischen Ursprungs erlaubt die Anwendung von Diclofenac bei Rindern und Schweinen, wobei für die gewonnenen Lebensmittel Rückstandshöchstmengen festgesetzt sind. Gegenüber den für Hunde zugelassenen NSAID treten bei Gabe von Diclofenac vermehrt gastrointestinale Nebenwirkungen auf.[14]

Umweltwirkung

Bei den in Abwasser und Klärschlamm regelmäßig gefundenen Rückständen von Arzneimitteln handelt es sich nach Angaben der Bundesregierung neben Carbamazepin vor allem um Diclofenac. Die wenigen bisher vorliegenden Untersuchungen an Pflanzen haben gezeigt, dass auch Pflanzen prinzipiell Arzneistoffe aus dem Boden aufnehmen können.

Im Fall von Diclofenac verlassen 70 Prozent den menschlichen Körper unverändert. Etwa 90 Tonnen des Wirkstoffes werden im Jahr in Deutschland verbraucht, wodurch etwa 63 Tonnen Diclofenac über den Urin in den Wasserkreislauf gespült werden. Da die Kläranlagen darauf nicht ausgelegt sind, gelangen Medikamente und ihre Rückstände fast ungehindert über die Oberflächengewässer auch wieder ins Trinkwasser.[15]

Die Behandlung von Rindern mit Diclofenac hat unter anderem in Indien in den 1990er Jahren unerwartet zu einem drastischen Rückgang der Geier-Populationen geführt und Schutzmaßnahmen erforderlich gemacht. Die Vögel nahmen den Wirkstoff über die Haustierkadaver auf. Die betroffenen Geier zeigten erst gicht-ähnliche Symptome, bis sie dann an Nierenversagen starben. Die Anwendung in der Tiermedizin in Indien ist seit März 2005 verboten.[16]

Handelspräparate

Monopräparate

Das ursprüngliche Präparat der Firma Geigy trug und trägt den Namen "Voltaren". Ferner sind im Handel: Agilomed (A), Algefit (A), Allvoran (D), Arthrex (D), Dedolor (A), Deflamat (A), Deflamm (A), Diclac (D), Diclo (D), Difene (A), Difen-Stulln (D, CH), Dolostrip (A), Dolpasse (A), Ecofenac (CH), Effekton (D), Effigel (CH), Fenisole (CH), Flam-X (CH), Flector (D, CH), Fortenac (CH), Inflamac (CH), Jutafenac (D), Monoflam (D), Olfen (CH), Pennsaid (A), Primofenac (CH), Relowa (CH), Rewodina (D), Sandoz Schmerzgel (D), Solaraze (D, A), Tonopan (CH), Tratul (A), Vifenac (CH), Voltaren (D, A, CH), Voltfast (CH), zahlreiche Generika (D, A, CH)

Kombinationspräparate

Arthotec (D, A, CH), Combaren (D), Voltaren Plus (D), Dolo-Neurobion (A), Flectoparin (CH), Neodolpasse (A), Neurofenac (A), Olfen (CH), Tobrafen (CH), Voltamicin (CH), zahlreiche Generika (D, A, CH)

Weblinks

Commons: Diclofenac – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Datenblatt DICLOFENAC SODIUM CRS (PDF) beim EDQM
  2. 2,0 2,1 2,2 Eintrag zu Diclofenac in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM).
  3. 3,0 3,1 Datenblatt Diclofenac sodium salt bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  4. Process for manufactoring substituted phenylacetic acids, Niederländische Patentanmeldung Nr. 6604752, 10. Oktober 1966; Schweizer Patentanmeldung vom 8. April 1965. Zitiert nach Chemical Abstracts 67: 81925p.
  5. S. Pooja, R.P. Agrawal, P. Nyati, V. Savita, P. Phadnis: Analgesic Activity Of Piper Nigrum Extract Per Se And Its Interaction With Diclofenac Sodium And Pentazocine In Albino Mice. The Internet Journal of Pharmacology. 2007, 5(1). doi:10.5580/2878.
  6. Novartis: Gebrauchsinformation: Information für den Anwender (Dolo Extra 25mg, PDF).
  7. 7,0 7,1 7,2 Fachinformation Diclofenac.
  8. http://www.fda.gov/Safety/MedWatch/SafetyInformation/SafetyAlertsforHumanMedicalProducts/ucm193047.htm.
  9. Reinhart Jarisch: Histamin-Intoleranz, Histamin und Seekrankheit. Thieme 2004, ISBN 3-13-105382-8
  10. Hippisley-Cox J, Pringle M, Cater R, Coupland C, Meal A: Coronary heart disease prevention and age inequalities: the first year of the National Service Framework for CHD.Br J Gen Pract. 2005 May; 55(514): 369–375, PMID 15904556.
  11. ABDA – Arzneimittelkommission Neubewertung der kardiovaskulären Risiken von nichtsteroidalen Antiphlogistika.
  12. Patricia McGettigan, David Henry: Cardiovascular Risk and Inhibition of Cyclooxygenase. In: JAMA. 2006; 296 doi:10.1001/jama.296.13.jrv60011.
  13. ABDA – Arzneimittelkommission Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht, PZ 25/06.
  14. Julia Nakagawa et al.: Nebenwirkungen durch nicht zugelassene nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAID) bei 21 Hunden. In: Kleintierpraxis 55 (2010), S. 364–370.
  15. Meißner, Marc, Arzneimittel in der Umwelt: Natur als Medikamentendeponie, Dtsch Arztebl 2008; 105(24): A-1324.
  16. Naturschutzbund Deutschland: Katastrophales Geiersterben in Indien.

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