Broteinheit


Die Broteinheit (BE) ist eine alte Berechnungseinheit für den Gehalt bestimmter Kohlenhydrate in Speisen, die meist im Rahmen einer Ernährung bei Diabetes mellitus Anwendung fand. Sie bezeichnete eine Menge von 10 bis 12 Gramm Kohlenhydrate. Synonym wird auch der Begriff Kohlenhydrateinheit (KE, oder KHE) verwendet.

Mit Beschluss des Bundesrates vom 24. September 2010 und entsprechend der Empfehlungen der Fachgesellschaften (z. B. der DGE)[1] und des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) wurde der Begriff „Broteinheit“ durch Artikel 1 der Sechzehnten Änderung der Diätverordnung aus allen gesetzlichen Regelungen entfernt.[2] Zwar ist die BE/KE in der Diät-Verordnung nun abgeschafft. BE und KE können jedoch weiterhin als didaktisches „Schätzmittel“ in der Patientenschulung und -beratung eingesetzt werden.[3]

Das Nebeneinander der Einheiten führt jedoch immer wieder zu Unsicherheiten. Folgende Definitionen zur Bemessung von Kohlenhydraten liegen vor:

  • Broteinheit (BE): Die deutsche Diätverordnung definierte bis 2010 eine Broteinheit als die Menge eines Nahrungsmittels, die 12 Gramm an verdaulichen und damit blutzuckerwirksamen Kohlenhydraten in unterschiedlicher Zucker- und Stärkeform enthält. 12 Gramm Kohlenhydrate entsprechen einem Energiewert von 200 kJ. Diese Definitionen wurden 2010 ersatzlos gestrichen.
  • In der Schweiz wird eine Broteinheit mit 10 Gramm Kohlenhydraten bemessen.
  • Kohlenhydrateinheit (KE): zur leichteren Berechnung wird zunehmend die Bezeichnung Kohlenhydrateinheit verwendet, die 10 Gramm Kohlenhydraten entspricht.

Kohlenhydrat-Austauschtabellen zeigen, wie viel Gramm eines kohlenhydrathaltigen Lebensmittels einer Broteinheit oder Kohlenhydrateinheit entsprechen. Diese Einschätzung ist für die Bestimmung der Dosis bei Insulintherapie erforderlich.


Kohlenhydrate kommen überwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Aber auch die Kohlenhydratmengen in tierischen Nahrungsmitteln müssen berechnet werden, z. B. Joghurt, Dickmilch, Kefir und Buttermilch. Käse und Quark erfordern keine BE-Berechnung, da der Milchzucker wenig wirksam auf den Blutzucker langsam abgebaut wird.

Nicht berechnet werden die meisten Gemüse und Salat, da sie einen hohen Wassergehalt aufweisen und die hier enthaltenen Kohlenhydrate überwiegend unverdaulich oder langsam verdaulich sind und somit auf den Blutzucker keine bedeutsamen Auswirkungen haben.

Neben der BE-Berechnung muss auch die über das Fett aufgenommene Kalorienmenge berücksichtigt werden. Sie wirkt sich zwar nicht unmittelbar auf den Blutzucker aus, führt aber bei zu hoher Zufuhr zum Übergewicht und damit zur Insulinresistenz. Eine ausgewogene Mischkost setzt sich aus 50–60 % Kohlenhydraten, 10–15 % Eiweiß und 20–30 % Fett zusammen.

Eine übliche Diabetes-Reduktionsdiät beim übergewichtigen Typ-2-Diabetiker enthält beispielsweise 13 BE verteilt auf 5 Mahlzeiten.

  • 3 BE morgens
  • 2 BE Zwischenmahlzeit
  • 3 BE mittags
  • 2 BE Zwischenmahlzeit
  • 3 BE abends

Der normalgewichtige Typ-1-Diabetiker braucht deutlich mehr BE, um eine ausreichende Kohlenhydratversorgung sicherzustellen (z. B. 18–22 BE/Tag)

Bei niedrigen Blutzuckerwerten ist das Essen von kohlenhydratreichen Lebensmitteln sinnvoll, die der Körper schnell zu Blutzucker umwandeln kann ("schnelle BE").

Beispiele

Die nachfolgenden Beispiele verstehen sich als Schätzwerte. Sie weichen je nachdem, auf welche Kohlehydrataustauschtabelle man sich bezieht, ab. So wird teilweise für Erdbeeren eine Menge von 200 g für eine BE genannt; dementsprechend für Äpfel 110 g. Fertigprodukte müssen jeweils nach den durchschnittlichen Nährwertangaben des Herstellers auf der Packung pro Portion berechnet werden.

  • Ein durchschnittliches, paniertes Schnitzel hat 3 BE
  • 5 Fischstäbchen haben ca. 2 BE
  • 0,1 l Bier haben 0,3 BE (0,33 l Bier entsprechen ziemlich genau einer BE)
  • 4 bis 5 gebackene Tintenfischringe entsprechen 1 BE.
  • Pizza
    • eine übliche Tiefkühlpizza (350 g) enthält ca. 8 BE
    • Pizza beim Italiener bis 10 BE
  • Ein Stück Kuchen kann 3 bis 5 BE enthalten
  • Ein Döner-Kebap hat 5 bis 6 BE
  • Pfirsich (1 mittelgroße Frucht) enthält etwa 1 BE
  • Spätzle: 250 g Mehl (= 12,5 BE) / 2 Eier / 1 TL Salz / 0,125 l Wasser / zum Schmälzen 1 EL Butter, 1 EL Semmelbrösel (= 1 BE)
  • Roggenschrotbrot (Roggenvollkorn) 30 g (1 dünne Scheibe) = 1 BE
  • Mischbrot, 25 g (1 dünne Scheibe) = 1 BE
  • Weißbrot, Pumpernickel, Steinmetzbrot, Simonsbrot 24 g = 1 BE
  • 1 Brötchen (Semmel) = ca. 2 BE
  • Zwieback, 16 g = 1 BE
  • Knäckebrot, 16 g (2 Scheiben) = 1 BE
  • Trinkmilch/Magermilch, ca. 0,25 l (240 g) = 1 BE
  • Buttermilch, Sauermilch, 300 g = 1 BE
  • Joghurt, 240 g = 1 BE
  • Äpfel, Aprikosen, Pflaumen ohne Stein, Kirschen sauer mit Stein, 100 g = 1 BE
  • Birnen, Heidelbeeren, Kirschen, süß, Zwetschgen mit Stein, 90 g = 1 BE
  • Bananen, ohne Schale, 60 g = 1 BE
  • Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, roh, 200 g = 1 BE
  • Orangen-Direktsaft, ca. 100 ml bzw. 100 g = 0,8 BE

Kritik am BE-Konzept

  • BE (bzw. KHE) gibt es nur in Deutschland (gesetzlich 1963 bis 2010), Österreich und der Schweiz.
  • Im Gegensatz zu Angaben in Nahrungsmitteltabellen findet man auf modernen Packungsaufdrucken fast nie Angaben in BE, sondern in g KH pro 100 g, also in Prozent. Wer BE haben will, muss also umrechnen.
  • Der vielleicht größte Nachteil der Einheiten "BE" und "KE" besteht darin, dass man sich nichts darunter vorstellen kann. Diese Definitionen sind völlig willkürlich. Sie entsprechen nicht etwa einer typischen Menge eines typischen Nahrungsmittels, beispielsweise einer Scheibe Brot o.ä. Man kann insbesondere nicht intuitiv prüfen, ob das, was man für eine bestimmte Nahrungsmenge an Kohlenhydraten errechnet hat, plausibel ist.
  • Das korrekte Abschätzen der BE-Gehalte von Nahrungsmitteln kann einige Erfahrung erfordern, die aber mit Hilfe von Waagen und BE-Tabellen schnell gewonnen werden kann.
  • Kohlenhydratangaben in BE, beispielsweise in Nahrungsmitteltabellen, sind oft unnötig gerundet, beispielsweise auf 0.5 BE. Ein Rundungsfehler von einigen Zehntel BE kann allerdings bei einer Nahrungsmenge von mehreren hundert Gramm bereits beträchtliche Auswirkungen auf den Insulinbedarf bei Diabetikern haben, ohne dass in dem Moment klarwürde, worin die Ursache des Fehlers liegt. Das kann unerklärliche Schwankungen des Blutzuckers nach sich ziehen, wobei diese noch überraschend in beiden Richtungen auftreten können, je nach Nahrungsmittel.
  • Gelegentlich trifft man auf Nahrungsmitteltabellen, die keine klare Definition einer BE angeben, sondern stattdessen ausdrücklich die unklare Aussage "1 BE entspricht 10 bis 12 g KH" vertreten. Auch dies führt bei Diabetikern zu erheblichen Rechenfehlern.
  • Der Fettgehalt und die Art der Kohlenhydrate in der Nahrung stellen in der Diätologie nicht unbedeutende Größen dar (wegen zeitverzögerter oder beschleunigter Resorption der Kohlenhydrate), die im BE-Konzept nicht erfasst werden, sondern vom Patienten als zusätzliche Faktoren behandelt werden müssen. Deshalb muss der glykämische Index der Lebensmittel zusätzlich beachtet werden.

Vor allem aus diesem Grund werden andere Systeme propagiert, darunter auch Systeme, die auf der Zählung von Fettkalorien oder Kohlenhydratkalorien basieren.

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Einzelnachweise

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