Idiopathische thrombozytopenische Purpura


Klassifikation nach ICD-10
D69.3 Idiopathische thrombozytopenische Purpura
Werlhof-Krankheit
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP, neuerdings eher Immunthrombozytopenie genannt, auch Purpura haemorrhagica, thrombozytopenische Purpura, Autoimmunthrombozytopenie, immunthrombozytopenische Purpura) ist eine Autoimmunkrankheit, die die Thrombozyten (Blutplättchen) betrifft. Thrombozytopenie (kurz: Thrombopenie) bezeichnet einen Mangel an Thrombozyten im Blut.

Man unterscheidet zwischen zwei Formen:

  • die akute Immun-Thrombozytopenie (ITP), die vor allem Kinder betrifft und
  • die chronische Immun-Thrombozytopenie (nach Paul Gottlieb Werlhof und Johann Ernst Wichmann auch Morbus Werlhof, Werlhof-Krankheit, Werlhof-(Wichmann)-Syndrom genannt), die vor allem Erwachsene betrifft.

Ursache und Häufigkeit

Die Immunthrombozytopenie ist die Folge eines Autoimmunprozesses, bei dem meist freie und thrombozytengebundene Antikörper (z. B. gegen die Adhäsionsmoleküle Gp IIb/IIIa) nachweisbar sind und die Lebensdauer der Thrombozyten verkürzen.

Man hat beobachtet, dass der akuten Immunthrombozytopenie meist Infektionen des Atmungsapparats oder des Magen-Darm-Trakts vorausgehen; gelegentlich kommt sie auch nach Infektionen mit EBV, CMV oder HIV vor. Möglicherweise induzieren kreuzreaktive Antigene von viralen Krankheitserregern durch molekulares Mimikry die Antikörperbildung (vor allem Immunglobulin G). Die akute Form tritt zumeist bei Kindern auf und betrifft das männliche und weibliche Geschlecht gleich häufig.

Bei von der chronischen Immunthrombozytopenie Betroffenen hat man gehäuft Infektionen des Magens mit Helicobacter pylori beobachtet, was jedoch nicht alle Krankheitsfälle erklären kann. Die Ursache für einen Großteil der Erkrankungen ist noch nicht geklärt. Die chronische Form (Erkrankungsdauer länger als sechs Monate) betrifft bevorzugt Erwachsene und dabei zu 75 Prozent Frauen. Im Jahr treten unter einer Million Einwohner etwa 100 Fälle auf.

Da man heute als auslösende Ursache Virusinfektionen bzw. die daraus resultierenden Autoimmunreaktionen annimmt, setzt sich Immunthrombozytopenie mehr und mehr gegenüber der alten Bezeichnung idiopathische thrombozytopenische Purpura durch.

Klinisches Bild

Die Beschwerden bei der ITP können sehr unterschiedlich sein. Als Folge des erhöhten Blutplättchenabbaus kommt es zu einer Verminderung der Thrombozyten und somit einer erhöhten Blutungsneigung. Punktförmige Blutungen (Petechien) in der Haut, vor allem der Beine, und Schleimhäute, vor allem im Rachenbereich, gaben der Erkrankung ihren Namen.

Weitere Symptome können Nasenbluten oder eine verlängerte Regelblutung sein. Bedrohlich wird die Erkrankung, wenn Gehirnblutungen oder Blutungen im Magen-Darm-Trakt auftreten.

Klinische Erscheinungen treten oft erst bei Thrombozytenzahlen von unter 30.000/µl auf. Bei Werten unterhalb von 10.000/µl muss mit einem lebensbedrohlichen Verlauf gerechnet werden. Bei Gesunden finden sich 150.000 bis 350.000 Thrombozyten im Mikroliter Blut.

Therapie

Häufig ist keine Therapie notwendig, weil es zu einer Spontanheilung kommt. Eine Behandlung der ITP beginnt meist mit einer Verabreichung von Glucocorticoiden. Ist diese nicht ausreichend, kann als weitere Möglichkeit eine Immunglobulintherapie eingesetzt werden. Letztere hat sich in der Kinderheilkunde als Therapie der ersten Wahl durchgesetzt, da bei Glucocorticoidbehandlung die Rate an Rückfällen und chronischen Verläufen deutlich erhöht ist. Eine neue Behandlungsmöglichkeit stellt die intravenöse Gabe von Anti-D-Immunglobulin dar. Hierbei ist sowohl die Ansprechrate als auch die Dauer des Anstiegs der Thrombozytenzahl besser als bei der Therapie mit polyvalenten Immunglobulinen.[1] Als Notfallmaßnahme bei schweren, durch medikamentöse Therapie nicht beherrschbaren Blutungskomplikationen besteht die Möglichkeit der Entfernung der Milz (Splenektomie), weil häufig die Fehlfunktion im Immunsystem, welche die Bekämpfung von Thrombozyten verursacht, dort ihren Ursprung hat. In jedem Fall ist es ratsam vor der Splenektomie ein Szintigramm mit durch Radionuklide markierten (idealer Weise eigenen) Thrombozyten durchzuführen, denn die Fehlfunktion kann auch in einem Lymphknoten liegen, der somit lokalisiert werden kann.

Bei schweren Blutungskomplikationen kommt außerdem eine Gabe fremder Thrombozyten (Transfusion von Thrombozyten-Konzentraten von Blutspendern) in Frage. Diese können allerdings die Bildung der Autoantikörper zusätzlich stimulieren und dadurch den Krankheitsverlauf verschlechtern. In schweren Fällen kann die Verabreichung von Zytostatika zur Unterdrückung der autoantikörperproduzierenden Zellen notwendig sein.

In einigen Fällen hat sich die Verabreichung von monoklonalen Antikörpern Rituximab, auch in Kombination mit einer anschließenden Gabe von Immunglobulinen, als nachhaltig erfolgreich und zudem schonender gegenüber der alternativen Zytostatika-Behandlung erwiesen.

Bei verschiedenen Patienten bewähren sich verschiedene Therapien. Um die ideale Behandlungsmethode zu ermitteln ist es zwingend erforderlich, über den Therapieverlauf die Entwicklung der Thrombozyten graphisch darzustellen, um bei Unwirksamkeit eines verabreichten Medikamentes dieses rechtzeitig zu erkennen, abzusetzen und einen neuen Behandlungsplan zu erarbeiten, weil die Nebenwirkungen der angewendeten Medikamente so stark sind, dass sie an sich den Heilungsverlauf negativ beeinflussen.

Insgesamt ist die Heilungsrate mit 70 bis 80 Prozent relativ gut, wobei jedoch wegen der besagten Selbstheilungsrate ein direkter Zusammenhang mit der Therapie schwer nachweisbar ist. Vier Prozent der Patienten sterben, meist an einer Gehirnblutung.

Eine neue Behandlungsmöglichkeit, wenngleich derzeit nur in klinischen Studien, besteht in der Gabe von nicht-strukturanalogen Thrombopoietinpräparaten (z. B. Eltrombopag, Romiplostim), so genannten Thrombopoietinanaloga.[2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andromachi Scaradavou, Bonnie Woo, B.M.R. Woloski, Susanna Cunningham-Rundles, Lawrence J. Ettinger, Louis M. Aledort, and James B. Bussel: Intravenous Anti-D Treatment of Immune Thrombocytopenic Purpura: Experience in 272 Patients. In: Blood. 89. Jahrgang, Nr. 8, 15. April 1997, S. 2689–2700. PMID 9108386 (hematologylibrary.org).
  2. Kuter DJ et al. Efficacy of romiplostim in patients with chronic immune thrombocytopenic purpura: A double-blind randomised controlled trial. Lancet 2008 Feb 2; 371:395.
Dieser Text basiert ganz oder teilweise auf dem Flexikon, einem Wiki der Firma DocCheck und ist unter GNU-FDL lizenziert.

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