Hunger


Hunger ist eine unangenehme körperliche Empfindung, die Menschen und Tiere dazu veranlasst, Nahrung aufzunehmen. Die biologische Funktion dieses Reizes besteht darin, die ausreichende Versorgung des Organismus mit Nährstoffen und Energie sicherzustellen. Reguliert wird das Hungergefühl unter anderem durch Neurotransmitter, die im Hypothalamus produziert werden.

Physiologische Vorgänge

Die Regulation von Hunger und Sättigung ist bei Menschen ein sehr komplexer Prozess, an dem zahlreiche Faktoren beteiligt sind, von denen nach wie vor nicht alle erforscht sind. Das trifft vor allem auf die beteiligten Hormone zu.

Die Füllung des Magens ist für die Entstehung des Hungerreizes nicht ausschlaggebend, obwohl die Kontraktionen der Magenwände zunehmen, je leerer der Magen wird. Diese Kontraktionen verursachen das Magenknurren als akustisches Hungersignal. Hunger entsteht nachweislich nicht im Magen, denn auch Menschen, denen der Magen operativ entfernt wurde, verspüren deutliche Hungergefühle.[1] (siehe auch Phantomschmerz).

Ein wesentlicher Auslöser von Hunger ist nach aktuellem Forschungsstand das Glucoseniveau im Blut; dieser Wert wird von Rezeptoren in Leber und Magen an den Hypothalamus im Zwischenhirn gemeldet, in dem sich ein Hungerzentrum und ein Sättigungszentrum befinden. Bei Hypoglykämie werden Hungerreize ausgelöst. Außerdem spielt der Insulinspiegel eine wichtige Rolle, der ebenfalls permanent überprüft wird. Vom Gehirn berücksichtigt werden auch die im Körper gespeicherten Fettreserven in den Fettzellen; diese setzen permanent das Hormon Leptin frei. Je weniger Leptin im Blut vorhanden ist, desto häufiger treten starke Hungergefühle auf. Dies gilt jedoch nur für Menschen mit Normalgewicht, bei Adipositas ist stets eine große Menge Leptin im Blut, ohne dass die Nahrungsaufnahme dadurch beeinflusst würde. Wie stark die Esslust hier durch die Psyche bestimmt wird, ist noch ungeklärt. Bei Diäten sinkt die Leptinkonzentration generell deutlich, was nachfolgende Heißhungeranfälle erklärt. Erst vor einigen Jahren wurde das Hormon Ghrelin entdeckt; seine Konzentration sinkt nach der Nahrungsaufnahme und steigt dann allmählich wieder an. Seine Wirkung auf das Hunger- und das Sättigungszentrum sind nachgewiesen. Neben diesen physiologischen Prozessen lösen aber auch eine Reihe von äußeren Einflüssen wie etwa Geruch, Geschmack oder Aussehen Hunger oder Sättigung aus. [2]

Auf den Beginn der Nahrungsaufnahme reagieren zunächst die Mechanorezeptoren im Magen, die bei einem gewissen Füllstand und Dehnung der Magenwände erste Sättigungssignale an das Gehirn senden. Entscheidender für die Entstehung von Sättigungsgefühlen sind jedoch die Botschaften der Chemorezeptoren in Darm und Leber, die den Nährstoffgehalt der aufgenommenen Nahrung ermitteln. Ein zu geringer Nährstoffanteil einer Mahlzeit löst erneute Hungergefühle aus, sobald im Hypothalamus dieses Defizit registriert wurde.[3]

Vom Hunger zu unterscheiden ist der Appetit, der kein physiologisches, sondern ein psychisches Phänomen ist. Er kann bewirken, dass auch trotz deutlicher Sättigungssignale weiter gegessen wird; die Grenze der Aufnahmefähigkeit wird durch einen Brechreiz signalisiert.

Hunger lässt sich künstlich durch die Erhöhung des Serotoninspiegels vorübergehend „ausschalten“ oder zumindest dämpfen; auf diese Weise wirken einige so genannte Appetitzügler. Da der Hunger jedoch durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst und beeinflusst wird, lässt er sich durch das Eingreifen in ein Regelsystem grundsätzlich nur teilweise unterdrücken.

Heißhunger

Der so genannte Heißhunger unterscheidet sich von normalen Hungergefühlen durch einen plötzlich einsetzenden extremen Drang nach sofortiger Nahrungsaufnahme, wobei mitunter körperliche Symptome wie Zittern und Schweißausbrüche hinzukommen. Häufig besteht ein starkes Verlangen nach Süßem oder nach bestimmten Nahrungsmitteln, das eher mit Appetit gleichzusetzen ist als mit Hunger. Mediziner unterscheiden drei Formen von Heißhunger: den körperlich bedingten, den psychisch bedingten und eine Mischform.

Der körperlich bedingte Heißhunger kann als Signal für eine akute Unterzuckerung auftreten, also ein starker Abfall des Blutzuckerspiegels, der nicht nur bei Diabetes mellitus auftreten kann. Am schnellsten steigt der Blutzuckerwert durch schnell resorbierbare Kohlenhydrate wie Traubenzucker an, da diese Zuckerart besonders schnell ins Blut aufgenommen wird. Heißhunger kann durch häufiges Essen von schnell resorbierbaren Kohlenhydraten wie Einfachzucker und Weißmehlprodukte begünstigt werden. Vollkornprodukte und fett- oder eiweißreiche Lebensmittel verzögern den Blutzuckeranstieg und halten den Zuckerspiegel nach einer Mahlzeit für längere Zeit konstant. Nach Diäten kann es zu Heißhungeranfällen kommen, da der Körper so den Kalorienverlust wieder ausgleichen will. Es gibt auch hormonell bedingte Heißhungeranfälle in der Schwangerschaft und bei einigen Frauen in einer bestimmten Phase des monatlichen Menstruationszyklus.

Psychisch bedingter Heißhunger wird nicht durch einen körperlichen Bedarf, sondern häufig durch Stress und negative Emotionen ausgelöst, wobei die Essgelüste zu einer Gewohnheit werden. Sättigungsgefühle werden von einer verstärkten Serotoninausschüttung durch den Hypothalamus begleitet, und Serotonin gilt als stimmungsaufhellend. Viele Heißhungeranfälle stellen eine Mischform dar. Regelmäßige Essanfälle gelten als Essstörung und kommen sowohl bei Adipositas-Patienten als auch bei Bulimie und Binge Eating vor. In diesen Fällen geht die Kontrolle über die Nahrungsaufnahme während eines Anfalls völlig verloren.[4] [5]

Hungern und Fasten

Bis in die Gegenwart müssen Menschen weltweit damit rechnen, Opfer einer Hungersnot zu werden und aus Nahrungsmangel zu verhungern. Es gibt daher die wissenschaftliche Theorie, dass das menschliche Gehirn im Laufe der Evolution genetisch so programmiert wurde, dass das Essverhalten dem Anlegen von Energiereserven für Notzeiten entspricht. Demnach wäre die Bevorzugung kalorienreicher Nahrungsmittel und übermäßiges Essen bei reichhaltigem Nahrungsangebot angeboren.[6][7] Einige andere wissenschaftliche Erklärungsansätze widersprechen dieser These.

Bei stark reduzierter Nahrungszufuhr oder völligem Nahrungsentzug schaltet der Körper schon nach einem Tag auf den so genannten Hungerstoffwechsel um. Das gilt auch für unterkalorische Diäten. Das bedeutet, dass der Körper den Energieverbrauch stark senkt, was unter anderem dazu führt, dass der Blutkreislauf langsamer arbeitet und die Körpertemperatur etwas absinkt. Er gewinnt die nötige Energie zunächst aus der vorhandenen Glucosereserve und danach aus dem Fett der Fettzellen, nach einigen Tagen auch zunehmend aus dem körpereigenen Eiweiß, wobei es hierfür keine Depots gibt. Das bedeutet, dass die Muskelmasse abnimmt; bei längerfristigem Nahrungsentzug, auch beim Fasten, kann daher der Herzmuskel geschädigt werden. Außerdem wird nach dem Fettgewebe auch anderes Körpergewebe allmählich abgebaut. Beim Hungerstoffwechsel kommt es zur Ketose. Der länger anhaltende Verzicht auf Nahrung oder länger anhaltende Hungerzustände führen letztendlich zum Hungertod.

Die bekannteste wissenschaftliche Untersuchung über die körperlichen und psychischen Auswirkungen unfreiwilligen Nahrungsentzugs ist die so genannte Minnesota-Studie aus dem Jahr 1944. Teilnehmer waren 36 gesunde Soldaten, die in einem Camp ein halbes Jahr lang mit der Hälfte der üblichen Kalorienzufuhr auskommen mussten. Danach wurden sie drei Monate lang weiterhin beobachtet. Die Männer verloren im Schnitt 25 Prozent ihres Körpergewichts, der Grundumsatz verringerte sich um 40 Prozent. In der Hungerphase wurde Essen zum zentralen Thema der Probanden, mit dem sie sich auch außerhalb der Mahlzeiten ständig beschäftigten. Auf psychischer Ebene kam es zu starken Stimmungsschwankungen, Aggressionen, Depressionen, dem Rückgang des Sexualtriebes und zu Schlafstörungen. Nach dem Ende der Hungerphase traten bei vielen Teilnehmern Heißhungeranfälle auf, die Sättigungsregulation war gestört, so dass teilweise gar keine Sättigung mehr wahrgenommen wurde, und die Fixierung auf Essen blieb längere Zeit erhalten.[8]

Eine 2011 vorgestellte Studie zeigte, dass noch ein Jahr nach einer niedrig-kalorischen Diät mit 550 kcal pro Tag über 10 Wochen und einem mittleren Gewichtsverlust von 13,5 kg die Hormone pathologisch verändert bleiben, die Appetit und Gewichtszunahme steigern. Ebenso blieb das Hungergefühl verstärkt.[9]

Bei anhaltendem Hunger werden vom Gehirn eine Reihe von Stresshormonen ausgeschüttet, was zu psychischem Stress und innerer Unruhe führt. Gleichzeitig werden jedoch auch stimmungsaufhellende Hormone gebildet, vor allem Serotonin. Obwohl Fasten für den Körper physiologisch dieselben Auswirkungen hat wie Hungern, entfällt in diesem Fall der psychische Stress, da der Nahrungsverzicht freiwillig und geplant erfolgt. Das führt dazu, dass wesentlich mehr Endorphine als Stresshormone gebildet werden, die auf Grund des verlangsamten Stoffwechsels lange im Blut bleiben. Diese wirken als körpereigene Opioide und können einen leichten Rauschzustand erzeugen, der bis zu euphorischen Zuständen reichen kann. Längerem Fasten wird von Medizinern daher auch ein Suchtpotenzial zugesprochen.[10] Dieser Rauschzustand spielt auch bei Magersucht eine Rolle. Ein Hungerstreik ist als freiwilliger Nahrungsverzicht psychisch mit dem Fasten vergleichbar.

Siehe auch

  • Durst
  • Essstörung (unspezifische Ess-Sucht, Magersucht (Anorexia Nervosa), Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) und Fressattacken)

Weblinks

Wikiquote: Hunger – Zitate
Wiktionary: Hunger – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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